19. April 1928 // Artikel
Ernst Thälmann // Auf zur Verteidigung der roten Front!

Auf zur Verteidigung der roten Front!

19. April 1928

Die Rote Fahne vom 19. April 1928.
Thälmann, Ernst: Reden und Aufsätze zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 1, Berlin 1956, S. 576-581


Der deutschnationale Innenminister Keudell, der Vertrauensmann des Stahlhelms in der Bürgerblockregierung, hat den Länderregierungen befohlen, den Roten Frontkämpferbund, die einzige Schutz- und Wehrorganisation des klassenbewußten Proletariats, zu verbieten.

Die „Tägliche Rundschau“, das Organ des Außenministers Stresemann, beeilt sich festzustellen, daß die „Anregung des Reichsinnenministers nicht auf einen Kabinettsbeschluß zurückgeht, sondern von ihm als Polizeirninister ausgegangen ist“. Es steht aber fest, daß diese Maßnahme mit Zustimmung des Zentrumskanzlers Marx und der Bürgerblockregierung erfolgte. Es handelt sich nicht um einen plötzlichen Einfall des mit Einfällen wenig gesegneten Herrn von Keudell, sondern um einen bewußten, wohlerwogenen und wohlvorbereiteten Schlag der gesamten Bourgeoisie gegen die gesamte Arbeiterklasse.

Die deutsche Bourgeoisie, die zugleich eine verschärfte Kapitaloffensive zur Niederhaltung der Löhne und zur Verlängerung der Arbeitszeit und einen verschärften imperialistischen Kurs im Dienste der englischen Kriegspläne gegen die Sowjetunion eingeschlagen hat, sieht die Gefahr, die der Durchführung dieser Politik von Seiten der klassenbewußten Arbeiterschaft droht. Die sozialdemokratischen Führer sind jederzeit bereit, die Pläne der Bourgeoisie zu unterstützen. Sie helfen mit allen Kräften bei der Abwürgung der Arbeitskämpfe und bei der Hetze gegen den Arbeiterstaat. Aber die Arbeiterschaft beginnt, diese Rolle der reformistischen Führer zu durchschauen, die Massen wenden sich mehr und mehr der roten Front des Klassenkampfes zu.

Wenn die von der sozialdemokratischen Politik enttäuschten Arbeitermassen sich von den Reformisten abwenden und sich unter der Führung der Kommunistischen Partei in der roten Front des Klassenkampfes zusammenschließen, dann hat die letzte Stunde für die kapitalistische Ausbeutung in Deutschland geschlagen. Darum will die Bourgeoisie in derselben Zeit, wo sie daran geht, ihre reformistischen Lakaien noch fester an sich zu binden, die Unterdrückungs- und Gewaltmaßnahmen gegen das revolutionäre Proletariat und seine Organisationen verschärfen.

Die sozialdemokratischen Regierungsmänner denken nicht daran, die faschistischen Mordorganisationen zu unterdrücken.

Zu Beginn des Wahlkampfes haben die sozialdemokratischen Regierungsmänner in Preußen, getreu den Weisungen des Bürgerblocks, das Verbot der nationalsozialistischen Faschistenpartei aufgehoben. Die Faschisten erziehen ihre Leute für den imperialistischen Krieg. Die Bourgeoisie will den Krieg. Die Sozialdemokratie ist mit der Bourgeoisie verbündet. Wie könnte sie ernstlich faschistische Organisationen verbieten?

Die Deutschnationalen, die Faschisten, die Bourgeoisparteien denken nicht daran, das Reichsbanner zu bekämpfen. Das Reichsbanner erzieht seine Anhänger zur Wehrhaftigkeit für die bürgerliche Republik, für die Verteidigung des imperialistischen „Vaterlandes“, als Kampftruppe gegen den Bolschewismus. Die Bourgeoisie will Krieg und Bürgerkrieg gegen die „bolschewistische Gefahr“. Warum sollte sie das Reichsbanner bekämpfen? .Wie lange noch werden die ehrlichen Proletarier im Reichsbanner es dulden, daß sie von ihren Führern für die konterrevolutionären Ziele der Bourgeoisie mißbraucht werden?

Der Rote Frontkämpferbund erzieht die Arbeiter zum unversöhnlichen revolutionären Klassenkampf, zur Verteidigung der Lebensinteressen aller Werktätigen in Stadt und Land, zum rücksichtslosen Krieg gegen den imperialistischen Krieg, zur unbedingten Verteidigung des proletarischen Staates, der Sowjetunion. Die Bourgeoisie will den Klassenkampf des Proletariats mit allen Mitteln niederschlagen, um die Bahn frei zu machen für die Kapitalsoffensive. Die Bourgeoisie will den Zusammenschluß der Werktätigen unter der roten Fahne mit allen Mitteln verhindern, die Bourgeoisie bereitet den Krieg gegen den proletarischen Staat vor. Darum will sie den Roten Frontkämpferbund verbieten. Offen spricht das die „Kreuzzeitung“ aus:

„Der Rote Frontkämpferbund ist der Machtfaktor des Bolschewismus in Deutschland.“

Wir danken den Herren von der „Kreuzzeitung“ für diese klare Sprache. Sie wollen den Konflikt mit der Sowjetunion. Sie fürchten im Frontkämpferbund das Rückgrat des proletarischen Massenwiderstandes gegen dieses Kriegsverbrechen. Soweit haben diese Herren recht. Wenn sie aber glauben, mit einem Verbot dieses Rückgrat brechen zu können, dann werden sie sich verrechnen. Sie haben es schon einmal 1923 mit einem Verbot der Kommunistischen Partei versucht. Die Partei ist gestärkt aus dem Verbot hervorgegangen. Dieser Versuch wird nicht anders enden.

Die preußische Regierung und die anderen Koalitionsregierungen haben gegen die Anweisung des Herrn Keudell Einspruch beim Staatsgerichtshof erhoben. Die Absicht ist klar: Vor den Massen der Arbeiterschaft wollen die Sozialdemokraten in der Weimarer Koalition die Verantwortung für die Unterdrückung einer proletarischen Organisation von sich abwälzen. Sie wollen sich von der Bürgerblockregierung und dem Staatsgerichtshof „vergewaltigen“ lassen. Die billige Geste des Protestes wird keinen Arbeiter vergessen machen, daß es die Preußenregierung war, die mit ihren Verboten und Auflösungsdekreten gegen Ortsgruppen des RFB dem faschistischen Innenminister den Weg gezeigt hat. Die Preußenregierung wird, wie der „Vorwärts“ das bereits ankündigt, auch diesmal, wie immer, die Rolle eines ausführenden Organs der Bürgerblockreaktion spielen.

Schon jetzt lesen wir in den bürgerlichen und in den sozialdemokratischen Blättern gegenseitige Solidaritätserklärungen. Die „Kreuzzeitung“ stellt fest:

„Betroffen von dem kommunistischen Vorgehen, das Methode hat, sind aber alle Verbände bis zum Reichsbanner.“

Für die Liebeserklärung des Faschistenblattes bedankt sich das Organ des Reichsbanners, der „Vorwärts“, mit der „objektiven“ Feststellung, daß an den Schlägereien Stahlhelm und Rote Frontkämpfer „gleichmäßig schuldig sind“. Hunderte Arbeiter, kommunistische wie sozialdemokratische, sind von den Faschisten schwer verwundet oder erschlagen worden. Diesen Hunderten und Tausenden Fällen faschistischer Überfälle steht kaum ein Fall gegenüber, in dem den Roten Frontkämpfern hätte nachgewiesen werden können, daß sie das Maß berechtigter Notwehr überschritten haben. Aber der gerechte Richter vom „Vorwärts“ erklärt: „gleichmäßig schuldig“!

Nicht genug mit dieser schamlosen Solidarisierung mit den faschistischen Banditen, erfrecht sich das Stampfer-Blatt, davon zu sprechen, „wie eng die Freundschaft zwischen äußerster Rechten und äußerster Linken ist, wie sich Deutschnationale und Kommunisten gegenseitig in die Hände spielen“.

Der deutschnationale Innenminister will den mit der Kommunistischen Partei sympathisierenden Frontkämpferbund verbieten. Zusammenspiel zwischen Deutschnationalen und Kommunisten? Jawohl, sagt Herr Stampfer, „ein Versuch, den Kommunisten Agitationsmaterial zu verschaffen“.

Man muß da nur die Frage stellen, warum die sozialdemokratischen Gesinnungsfreunde des „Vorwärts“ in allen Regierungsstellen den Kommunisten so eifrig in die Hände spielen. Denn nicht weniger als der deutschnationale Innenminister der Bürgerblockregierung liefert der sozialdemokratische Innenminister der Preußenregierung durch Verbote, Unterdrückungsmaßnahmen usw. „Agitationsmaterial“ für die Kommunisten.

Aber die albernen und frechen Späße des sozialdemokratischen Zentralorgans dürfen die Arbeiterschaft nicht über den Ernst der Situation hinwegtäuschen. Dieses Verbot ist nur ein Anfang. Keudell erfrecht sich, die Unterdrückung einer Massenorganisation mit dem Schutz der „Wahlfreiheit“ zu begründen. Wahlfreiheit für die Faschisten, für die Terrororganisationen der Bourgeoisie! Das ist der Sinn. Mit solchen Begründungen kann man jede proletarische Organisation verbieten. Genauso hat die Entwicklung des Faschismus in anderen Ländern begonnen. In Italien wurden zuerst die kommunistischen Kampforganisationen unterdrückt, bis endlich jede nichtfaschistische gewerkschaftliche Arbeiterorganisation dem Verbot verfiel.

Alle Arbeiter, denen ihre proletarischen Organisationen teuer sind, die wissen, daß das Proletariat seine Kampforganisationen zur Verteidigung seiner Existenz braucht, müssen sich wie ein Mann gegen dieses Verbot erheben. Gelänge es der Bourgeoisie, eine proletarische Organisation ohne ernsten Widerstand zu unterdrücken, so würde eine nach der anderen an die Reihe kommen.

Das kann und darf nicht sein!

In jedem Betriebe, in jeder Arbeiterversammlung, in jeder Massenorganisation der Werktätigen muß sich die Stimme des Protestes erheben. Die Organisation, die von der reaktionären Bourgeoisie unterdrückt wird, ist eine Organisation der Arbeiterklasse, Fleisch von ihrem Fleische, Blut von ihrem Blute. Das muß jeder Arbeiter verstehen. Wenn die Verräter, die jetzt ihren „Anti“-Leninbund gegründet haben, unsere Organisationen als „reformistisch“ vor der Arbeiterschaft diskreditieren wollen, so belehren die neuen Schläge unserer Feinde alle Arbeiter, wo die Bourgeoisie ihre Todfeinde, die Vorkämpfer der proletarischen Revolution sieht.

Für jeden Kameraden der roten Front ist das drohende Verbot eine Bestätigung dafür, daß unsere Organisation auf dem richtigen revolutionären Wege ist. Doppelter Eifer, doppelte Begeisterung, doppelter Opferwille für unsere Sache, das wird die Antwort jedes Roten Frontkämpfers, jedes Kommunisten, jedes klassenbewußten Arbeiters sein. Den proletarischen Klassenkampf kann man nicht verbieten. Unter dem furchtbaren Terror des Zarismus wurde in Rußland die bolschewistische Partei, die Partei Lenins, geschaffen, die den mächtigen russischen Imperialismus zerschmetterte. Unter dem Terror des Faschismus steht die Kommunistische Partei in Polen und Italien an der Spitze der Arbeitermassen im Kampfe um die Macht.

Verbote, Unterdrückung, Terror werden auch in Deutschland die revolutionäre Arbeiterbewegung nicht niederringen. Mit doppelter Kraft werden wir der Bourgeoisie, ihren reformistischen Knechten und allen Verrätern entgegentreten.

Wir rufen allen Arbeitern zu:

Nun erst recht hinein in die rote Front!

Nun erst recht hinein in die Kommunistische Partei!

Nun erst recht Arbeit und Kampf für den Sieg des Kommunismus!