„Gudok“ (Die Sirene) Nr. 25, 30. März 1908.
Artikel ohne Unterschrift.
Nach dem russischen Zeitungstext.
Quelle: J. W. Stalin – Gesammelte Werke, Band 2
Der Kampf der Arbeiter hat nicht immer und nicht überall ein und dieselbe Form.
Es gab eine Zeit, wo die Arbeiter im Kampf gegen die Unternehmer die Maschinen zerschlugen und die Betriebe in Brand setzten. Die Maschine – das ist die Quelle des Elends! Der Betrieb – das ist die Stätte der Knechtung! Also zerschlagt sie, setzt sie in Brand, so sagten damals die Arbeiter.
Das war die Zeit der unorganisierten, anarchisch-aufrührerischen Zusammenstöße.
Wir kennen auch andere Fälle, wo die Arbeiter, von der Kraft der Brandstiftungen und Zerstörungen enttäuscht, zu „schärferen Formen“ übergingen – zum Totschlag von Direktoren, Verwaltern, Leitern usw. Alle Maschinen und Betriebe kann man nicht vernichten, sagten damals die Arbeiter, und das ist auch nicht vorteilhaft für die Arbeiter, aber die Verwalter einzuschüchtern und ins Bockshorn zu jagen, ist mit Hilfe des Terrors immer möglich – also schlagt sie, jagt ihnen Angst ein!
Das war die Zeit der Einzelpersonen erfassenden terroristischen Zusammenstöße auf dem Boden des ökonomischen Kampfes.
Die Arbeiterbewegung hat beide Formen des Kampfes scharf verurteilt und sie in die Rumpelkammer der Vergangenheit geworfen.
Das ist auch begreiflich. Kein Zweifel, dass der Betrieb in der Tat die Stätte der Ausbeutung der Arbeiter ist und dass die Maschine bis jetzt noch der Bourgeoisie hilft, diese Ausbeutung zu verstärken; aber das heißt noch nicht, dass die Maschine und der Betrieb selber die Quelle des Elends sind. Im Gegenteil, gerade der Betrieb und gerade die Maschine werden dem Proletariat die Möglichkeit geben, die Ketten der Sklaverei zu sprengen, das Elend zu vernichten, jede Knechtung zu überwinden – notwendig ist nur, dass sie aus dem Privateigentum einzelner Kapitalisten zum gesellschaftlichen Eigentum des Volkes gemacht werden.
Auf der anderen Seite, was würde aus dem Leben werden, wenn wir uns in der Tat mit der Zerstörung und Inbrandsetzung der Maschinen, der Betriebe, der Eisenbahnen befassten? Dann würde das Leben einer elenden Wüste gleichen, und die Arbeiter würden als erste ihr Stück Brot verlieren!…
Es ist klar, dass wir die Maschinen und Betriebe nicht zerschlagen dürfen, sondern dass wir uns ihrer, sobald das möglich ist, bemächtigen müssen, wenn wir in der Tat die Vernichtung des Elends anstreben.
Das ist der Grund, weshalb die Arbeiterbewegung die anarchisch-aufrührerischen Zusammenstöße ablehnt.
Kein Zweifel, dass auch der ökonomische Terror eine bestimmte, scheinbare „Rechtfertigung“ für sich hat, sofern von ihm Gebrauch gemacht wird, um der Bourgeoisie Angst einzujagen. Aber was bedeutet eine solche Angst, wenn sie flüchtig und vorübergehend ist? Dass sie aber nur flüchtig sein kann, ist schon daraus klar, dass es unmöglich ist, den ökonomischen Terror immer und überall anzuwenden. Dies zum ersten. Zweitens, was kann uns die flüchtige Angst der Bourgeoisie und ein hierdurch hervorgerufenes Zugeständnis geben, wenn wir keine starke Massenorganisation der Arbeiter hinter uns haben, die immer bereit ist, für die Arbeiterforderungen zu kämpfen, und die die errungenen Zugeständnisse zu behaupten vermag? Indessen sprechen aber allem Augenschein nach die Tatsachen davon, dass der ökonomische Terror das Bedürfnis nach einer solchen Organisation abtötet und den Arbeitern die Lust nimmt, sich zusammenzuschließen und selbständig aufzutreten, da sie ja die Terrorhelden haben, die für sie auftreten können. Müssen wir in den Arbeitern den Geist der Selbsttätigkeit entwickeln? Müssen wir in den Arbeitern den Wunsch nach Zusammenschluss entwickeln? Natürlich ja! Können wir aber den ökonomischen Terror anwenden, wenn er in den Arbeitern beides abtötet?
Nein, Genossen! Es steht uns nicht an, durch einzelne Überfälle aus dem Hinterhalt die Bourgeoisie einzuschüchtern, überlassen wir es den bekannten Überfallhelden, sich mit solchen „Taten“ zu beschäftigen. Wir müssen offen gegen die Bourgeoisie auftreten, wir müssen sie die ganze Zeit, bis zum endgültigen Sieg, in Angst halten! Hierfür aber bedarf es nicht des ökonomischen Terrors, sondern einer starken Massenorganisation, die imstande ist, die Arbeiter in den Kampf zu führen.
Das ist der Grund, weshalb die Arbeiterbewegung den ökonomischen Terror ablehnt.
Angesichts des Gesagten gewinnt die letzte Resolution der Mirsojew-Streikenden, die gegen Brandstiftungen und „ökonomischen“ Totschlag gerichtet ist, ein besonderes Interesse. In dieser Resolution erklärt die vereinigte Kommission der 1500 Mirsojew-Arbeiter, nachdem sie die Anzündung des Kesselhauses (in Balachany) und den auf ökonomischer Grundlage erfolgten Totschlag an einem Verwalter (Surachany) vermerkt hat, dass sie „gegen eine solche Kampfmethode, wie Totschlag und Brandstiftung, protestiert“ (siehe „Gudok“ Nr. 24).
Damit brechen die Mirsojew-Arbeiter endgültig mit den alten terroristischen Aufruhrtendenzen.
Damit beschreiten sie entschlossen den Weg der wirklichen Arbeiterbewegung.
Wir begrüßen die Genossen Mirsojew-Arbeiter und fordern alle Arbeiter auf, ebenso entschlossen den Weg der proletarischen Massenbewegung zu beschreiten.