«Es stimmt, dass die Militärs manchmal mit der Übertreibung der relativen Machtlosigkeit der Intelligence unterlassen, sich ihr zu bedienen»
-Kommandant Charles de Gaulle, 1936
« Bücher studieren ist eine Art des Lernens; das Gelernte anzuwenden ist eine weitere, noch wichtigere.(…) Unsere wichtigste Methode ist die Kriegsführung zu erlernen in dem wir ihn führen.»
-Mao Tse Tung, 1936
1. Einführung
Liebe GenossInnen,
Louis XIV hatte auf seine Kanonen «ultima ratio regum» eingravieren lassen: das äußerste Argument der Könige. Jedes Projekt einer sozialen Revolution muss die Frage der bewaffneten Auseinandersetzung mit den Kräften der Macht und der Reaktion vorwegnehmen. Die Vertagung dieser Prüfung mit der Begründung, die Frage der bewaffneten Auseinandersetzung sei «noch nicht aktuell», führt zu Entscheidungen (politischen, strategischen, organisatorischen) die, sobald die Frage der bewaffneten Auseinandersetzung «aktuell sein wird», welche die Gefahr laufen die revolutionären Kräfte in eine Lage der Machtlosigkeit zu versetzen, ihnen völlig unangemessene Eigenschaften zu verleihen und sie schlussendlich zur Niederlage zu führen. Organisationen mit revolutionärem Anspruch, die eine Ausarbeitung einer Militärpolitik verweigern bevor sich die Frage der Auseinandersetzung praktisch stellt, disqualifizieren sich als revolutionäre Kraft: sie verhalten sich zum Vornherein als Totengräber der Revolution, als Quartiermeister der Stadions und der Friedhöfe1.
Gegenstand dieser Konferenz ist also die revolutionäre Militärpolitik, die als Analyse, Vorbereitung und Einsatz der Mittel der Streitkraft im Dienste des revolutionären Zieles bezeichnet werden kann.
Die Frage der revolutionären Militärpolitik wird wieder aktuell. Sei es durch das Studium der lange andauernden Volkskriege unter der Führung von Parteien der marxistisch-leninistisch- maoistischen Ausrichtung (in Peru, in Nepal, in Indien und anderswo), sei es durch die Neubewertung der Erfahrungen der Stadtguerilla in den imperialistischen Metropolen der letzten dreißig Jahren, sei es über noch andere Umwege, erleben die Debatten über die revolutionäre Militärpolitik eine schüchterne Renaissance. Wenn auch die sich daraus ergebenden Positionen sehr unterschiedlich bleiben (von der Wiederbestätigung sine variaturder aufständischen Prinzipien von Lenin und der Komintern (Kommunistische Internationale 1919-1943) bis zur kritiklosen Übernahme von neueren Erfahrungen in den Länder des Trikonts), ist das erneute Interesse für die Frage der revolutionären Militärpolitik eine notwendige und nützliche Sache.
Das militärische revolutionäre Denken darbt aber weiter. Dessen Vorschläge sind Mischprodukte der historischen (auf Erfahrungen aufgebaut, die sich mit dem entsprechenden Risiko des Dogmatismus und des Konservatismus auf die geschichtliche Vergangenheit beruft) und philosophischen (auf die Theorie basierend, die mit dem entsprechenden Risiko des Subjektivismus deduktiv vorgeht) Methoden, die ohne jede methodologische oder epistemologische Distanz angewendet werden.
Das wird durch die begriffliche Unschärfe bezeugt, wie zum Beispiel durch den undifferenzierten Gebrauch der Begriffe «Strategie», «Militärpolitik», «Militärtheorie», und
«Militärdoktrin» als Synonyme. Diese begriffliche Unschärfe ist so groß, dass sie durch sprachliche Missbräuche zu regelrechten politischen Manipulationen führt, wie wir es in der Analyse des Dokumentes der (n)PCI in unserer vorher stattgefundenen Debatte feststellen konnten.
Diese Konferenz behandelt nicht was die revolutionäre Militärpolitik heute sein muss. Sie versteht sich als Hilfsmittel zur rigorosen, methodischen und wissenschaftlichen Ausarbeitung einer revolutionären Militärpolitik.
Die Beschränkungen dieser Konferenz sind augenfällig. Wie es an sich der Fall ist, ist sie keiner eigentümliche Linie verpflichtet, aber sie weist auf einen Bereich hin, in dem die Kategorien von Analysen und politisch-theoretischen Entscheidungen abhängen. Die alte Debatte über Existenz oder Inexistenz einer proletarischen Militärwissenschaft illustriert diese Schwierigkeit2. Zwischen der linken Verirrung, die dem unter dem bürgerlichen Regime ausgearbeiteten Kriegswissenschaftskorpus jeglichen Wert abspricht, und der rechten Verirrung, die für servile Nachahmung des bürgerlichen militärischen Denkens steht, ist der noch auszulotende Weg sehr eng.
Andererseits, da er keine genaue strategische Reflektion zu produzieren beabsichtigt, das heißt, indem er sich auf eine konkrete Analyse einer konkreten Lage stützt, was wiederum Gebundenheit an eine politische Praxis heißt, berührt die Übung des Conferenciers den Bereich der Scholastik. Aber in dem Masse, in dem diese Konferenz ein Werkzeug ist, wird dessen
anarchistischen, militaristischen, subjektivistischen, usw. revolutionären Kräften mit der Behauptung, die strategische Reflektion bewirke bloß eine „Spaltung“ der RevolutionärInnen, welche nur die Aktion vereinigen könne. Während der Blütezeit des Focismo sagten einige sogar, dass die strategische Reflektion eine «bürgerliche Sorge» sei.
Verwendung, das heißt dessen Anwendung auf konkrete Lagen, zur Ausmerzung der Elemente führen, die nur für die Nomenklatur interessant sind. Wie Maurice Biraud in Einem Taxi nach Tobruk sagte, «ein Ungebildeter der läuft kommt weiter als zwei Intellektuelle die sitzen».
2. Objektive Faktoren, subjektive Faktoren
Die erste Überlegung über die revolutionäre Militärpolitik muss sich mit den dieser innewohnenden Grenzen beschäftigen. Bekanntlich berufen sich die Generalstäbe der Aufstandsbekämpfung gerne auf die Thesen über die Subversion des Oberst Trinquier. Aber diese Thesen sind plump antidialektisch und setzen voraus, dass die Revolution das Produkt eines geplanten Komplotts ist, der zwei Personenkategorien einsetzt, nämlich die «Agenten»der Subversion und die von den Agenten manipulierten «Massen». Die revolutionären Krisen brechen nach Trinquier dann aus, wenn es der klandestine Generalstab entscheidet: dieser deckt dann seine Karten auf.
Nun, revolutionäre Krisen wurden durch ein Zusammenfallen objektiver und subjektiver Faktoren ausgelöst. Meistens wurden selbst die revolutionären Kräfte durch das Überstürzen der Ereignisse überrascht. Das ist der Fall der Krise von 1905, von der die bolschewistische Partei ohne militärischen Apparat überrascht wurde, das ist der Fall der Krise von 1917 (es ist bekannt wie Lenin sich in der Partei schlagen musste – vor allem gegen Sjnowiew und Kamenew – um Richtung Aufstand zu marschieren), der Umfang des Erfolges der Kampagne von Santa Clara (September-Dezember 1959) war eine Überraschung für Castros Guerilla, und dasselbe gilt für den allgemeinen Aufstand von Managua Juli 1979. Die Vorbereitung und Aktion der Partei sind für den revolutionären Sieg unentbehrlich, aber sie genügen niemals um das revolutionäre Phänomen zu erklären. Eine Revolution ist vor allem der Ausdruck der inneren Gegensätze der Gesellschaft. Somit ist nach Lenin kein Aufstand möglich, wenn die führenden Klassen sich nicht in einer verschärften politischen Krise befinden und unfähig sind wie bisher zu regieren, und wenn die unterdrückten Klassen durch die Verschlimmerung ihrer Lebensbedingungen nicht zur Revolte getrieben werden. Das Scheitern der subversiven konterrevolutionären Kriege bezeugt die Bedeutung dieser sozialhistorischen Voraussetzungen (insofern gescheitert, als das sie nie eine Konterrevolution mit den Mitteln eines „Volkskrieges“ zustande gebracht haben, obwohl sie mit der Ruinierung der Wirtschaft von Nicaragua und Mozambique ihre Rolle gespielt haben).
3. Die Militärdoktrin
Die erste Frage, die sich der Partei3 stellt, ist jene ihrer Militärdoktrin. Die Militärdoktrin ist der Ausdruck der von der Partei angenommenen Meinungen über die politische Einschätzung der Probleme über den zu führenden Krieg, das Verhalten der Partei ihm gegenüber, seine Definition, die Organisierung und Vorbereitung der Kräfte, die Entscheidungen der Strategie und der Methoden. Es ist, nach Clausewitzscher Terminologie, ihr Kriegsplan.
Die Militärdoktrin ist also von der sozialgeschichtlichen Konjunktur abhängig. Als die nazistische Invasion stattfand, waren die europäischen KPs auf eine „interne“ (nationale) Klassenkampfdoktrin ausgerichtet, von der sie eine proletarisch-aufständische Strategie abgeleitet hatten, also eine weitgehend legale, jedoch von einem klandestinen militärischen Apparat flankierte Partei. Diese für die neuen Bedingungen unangemessene Ausrichtung brachte schwere Anfangsverluste (und die KPB4 wurde mit der Operation „Sonnewende“ führerlos gemacht), und die KPs wurden seitdem dazu gebracht eine Praxis des lange andauernden Volkskrieges zu improvisieren5.
Die Militärdoktrin der Partei kann in der Beantwortung folgender Fragen definiert werden:
1° Wer ist (oder wird) der Feind?
Was nicht nur eine Analyse des Staates und seiner Kräfte voraussetzt, sondern auch eine Klassenanalyse der Gesellschaft (um die möglichen Verhaltensweisen der mittleren Klassen zu definieren), und eine Analyse der internationalen Lage (um die Unterstützung, die der Staat von der imperialistischen Bourgeoisie erhoffen kann, oder eine Einschätzung der Kräfte, die dem revolutionären Lager beistehen könnten), usw.
2° Was ist (oder wird) das Wesen des bevorstehenden Krieges (sein)?
Handelt es sich auf Anhieb um einen „reinen“ Klassenkampf auf Leben und Tod zwischen Proletariat und Bourgeoisie? Handelt es sich um einen Kampf, in dem Klassenfaktoren und nationale Faktoren zusammenkommen? Und gibt es in diesem Fall einen diese beiden Faktoren vereinenden Prozess oder zwei verschiedene Etappen (eine Etappe der nationalen Befreiung, wo es „nur“ darum geht, den Abzug der Besatzungstruppen zu erreichen, und eine soziale Etappe, wo es darum geht, die reaktionären Kräfte zu vernichten)? Handelt es sich um einen Kampf, der eine Etappe der demokratischen Revolution mit einer Etappe der proletarischen Revolution verbindet? Und in diesem Falle, gibt es einen unterbrochenen Prozess oder gibt es zwei verschiedene Etappen (eine Etappe, in der die proletarischen Kräfte darauf zählen können, dass sich zahlreiche Sektoren der mittleren Klassen dem revolutionären Lager anschließen werden und eine Etappe, in der sich das Proletariat alleine für die Errichtung seiner Diktatur schlagen wird)?
3° Welche Ziele und Aufträge werden sich daraus für die Streitkräfte ergeben?
Die Vernichtung der feindlichen Streitkräfte? Dem Feind die menschlichen und/oder materiellen Kosten zu hoch zu treiben? Diese Aufträge kombinieren (zum Beispiel die inneren bürgerlichen Streitkräfte vernichten und eventuelle Interventionen abschrecken, indem die Mittel bereitgestellt werden um ihnen die Kosten des Krieges hoch zu treiben)? Den Einsatz der Armee auf nationales Gebiet beschränken oder sie in eine regionale Strategie einbinden? Usw.
4°Welche sind (und werden) die anfänglich notwendigen Streitkräfte (sein) und welche organisatorische und technische Entwicklungen müssen begonnen werden um dieses Stadium zu erreichen? Welche Streitkräfte werden in den weiteren Phasen des Krieges notwendig sein, welche militärische, organisatorische und technische Entwicklungen, welche Funktionsweisewerden sie erfordern?
Es geht nicht nur um die Bedeutung dieser Kräfte, sondern auch um ihr Wesen — Milizen (der ArbeiterInnen und/oder BäuerInnen) und/oder reguläre Einheiten — und um ihr Verhältnis zur Partei — organische Einheit des Politischen und des Militärischen oder eine (relative) Trennung des bewaffneten Armes, z.B. in der Form einer Roten Armee.
5° Wie muss sich die Partei vorbereiten?
Das auch unter dem Gesichtspunkt ihrer inneren Organisation (in den Untergrund gehen, Wahl der Funktionsweisen betreffs Demokratie und Disziplin, Militarisierung eines Teiles ihrer Kader und Militanten, Abschottung, Bildung eines Sicherheits- und Aufklärungsapparates ad hoc, usw.), unter dem Gesichtspunkt ihres Zusammenhanges mit der Klasse (z.B. die Positionierung der Militanten in den Massenorganisationen) und unter dem Gesichtspunkt der Konzentration der Mittel, usw.
6° Welche Strategie und Methoden werden angewendet um diesen Krieg zu führen und zugewinnen?
Guerillakrieg? Aufstand? Gewaltstreich? usw. Was eine Analyse des politisch-militärischen Kräfteverhältnisses voraussetzt (objektive und subjektive Faktoren, wie etwa Kampfwillen). Was ebenfalls eine Analyse voraussetzt: die Einwirkung der geographischen, wirtschaftlichen, sozialen, usw. Voraussetzungen für die Möglichkeiten der anwesenden Kräfte betreffend Beweglichkeit, Schlagkraft, Aufklärung, Tarnung, Konzentration, Verteilung, Rückzugsmöglichkeiten, Kommunikation usw.
4. Die militärische Entwicklung
Die Militärdoktrin der Partei leitet die militärische Entwicklung ein, welche die Gesamtheit der zu ihrer Militärmacht beitragenden Aspekte mit einbezieht:
1° Organisatorische Aspekte
- Im strategischen Entscheid für eine «kämpfende Partei», eine «politisch-militärische Partei»6 oder für eine «militarisierte Partei»7: Reflektion über die Gestaltung der Parteistrukturen, damit sie sowohl für eine politische als auch militärische Arbeit geeignet ist;
- Im Falle der strategischen Entscheidung für eine Partei, die eine spezifische Militärmacht anführt8 (Ansatz einer Roten Armee), Bildung dieser spezifischen Struktur oder, wenigstens, Reflektion über das, was sie sein sollte und Vorbereitung ihrer Bildung (Wahl der Kader, usw.);
- In allen Fällen: Übergang der Partei in den Untergrund oder Vorbereitung dieses Überganges; Kaderbildung zur Untergrundarbeit; Bildung eines Untergrundapparates (Wohnungen, Ausweise, Kommunikation); Einführung von Sicherheitsmassnahmen (Klandestinität, usw.);
2° Militärische Aspekte
Zusammenstellung der militärischen Mittel (Waffen, Ausrüstung), wobei das Notwendige oder Wünschenswerte von der Militärdoktrin und/oder der Wahl der Pläne, der Methoden und der vorhandenen Unterstützung (die im gegebenen Moment9, z.B. beim Angriff auf eine Kaserne, die Konzentration dieser Mittel erlauben werden) definiert wird; allgemeine Einführung der Kader in die militärische Fragen und Bildung von spezifisch militärischen Kader.
3° Wirtschaftliche und logistische Aspekte
Zusammenstellung der wirtschaftlichen und logistischen Mittel (Finanzen, Wohnungen, Fahrzeuge, Kommunikationsmittel und Mittel zur Fälschung von Ausweisen, usw.), wo das Notwendige oder Wünschenswerte von der Militärdoktrin und/oder der Wahl der Pläne, der Methoden und der vorhandenen Unterstützung (die im gegebenen Moment die Verfügbarkeit der militärischen Mittel gewährleisten werden) definiert wird.
4° Politische Aspekte
Beginn des Programms zur politischen Vorbereitung der Militanten und der Parteikader für den Krieg, das durch die Militärdoktrin als notwendig oder wünschenswert definiert wird.
5° Wissenschaftliche und technische Aspekte
Zusammenstellung der erforderten und/oder zugänglichen wissenschaftlichen und technischen Mittel (zur Produktion von Waffen und Ausrüstung, die für den Kampf und den Untergrund, die Abhörung der feindlichen und den Schutz der eigenen Kommunikation, usw. notwendig sind), wo das Notwendige oder Wünschenswerte von der Militärdoktrin oder den ausgereiften Plänen und Methoden, die im gegebenen Moment die Verfügbarkeit dieser Mittel erlauben werden, definiert wird; Ausbildung der Kader.
6° Ideologische und moralische Aspekte
Beginn der durch die Militärdoktrin als notwendig oder wünschenswert definierte ideologische und moralische Vorbereitung auf den Krieg der Militanten, der sympathisierenden Massen und der Massen allgemein. So kann zum Beispiel die Entwicklung der Solidarität mit den revolutionären Gefangenen eine Rolle in der ideologischen Schlacht zugunsten der bewaffneten Auseinandersetzung spielen.
7° Funktionsweisen im Zusammenhang mit Disziplin und Demokratie
Anwendung der Funktionsweisen bezüglich Disziplin und Demokratie die von der Militärdoktrin als notwendig oder wünschenswert definier wird. Wie zum Beispiel die Entscheidung der vietnamesischen KommunistInnen in den Jahren des Widerstandes für ein die «drei großen Demokratien» genanntes System, was die Entwicklung der Initiative, der Dynamik und der Kreativität der Kader und der KämpferInnen ermöglichte und den Zusammenhalt, die Solidarität und die Kampfkraft der Streitkräfte stärkte:
- Politische Demokratie: in den Basiseinheiten der revolutionären Streitkräften regelmäßig Demokratische Konferenzen und Versammlungen abhalten um den Kämpfern sowie den Kadern zu ermöglichen, ihre Meinungen über alle Fragen des Kampfes, der Arbeit sowie der Ausbildung, der Bildung und des Lebens der Einheit auszudrücken; die Kader haben das Recht die KämpferInnen zu kritisieren, aber diese haben auch das Recht die Kader zu kritisieren.
- Militärische Demokratie: im Kampf wie in der Ausbildung (sobald die Bedingungen es erlauben) demokratische Konferenzen abhalten um allen den Einsatzplan mitzuteilen, alle über die Initiativen aufzuklären und gemeinsame Suche nach den Mitteln zur Beseitigung der Schwierigkeiten für die erfolgreiche Ausführung der zugeteilten Aufgabe10.
- Wirtschaftliche Demokratie: KämpferInnen wie Kader haben im Rahmen eines Systems
«der offenen Bücher» dasselbe Recht an der Verwaltung und an der Verbesserung des materiellen Lebens teilzunehmen.
Die revolutionären Streitkräfte wenden allgemein das Regime der durch freie Zustimmung angenommene strenge Disziplin an. Freie Zustimmung, weil sie auf dem politischen Bewusstsein der Kader und der KämpferInnen basiert und sich im Wesentlichen durch permanente Bildungsmethoden und unaufhörliche Überzeugungsarbeit aufrechterhält, dank denen die Leute sich aus eigenem Antrieb gegenseitig in der Einhaltung der Disziplin behilflich sind. Eine strenge Disziplin heißt, dass ausnahmslos alle Mitglieder der revolutionären Streitmacht, Kader wie KämpferInnen, Vorgesetzte wie Untergeordnete, gehalten sind sich strikte an sie zu halten und dass niemand gegen sie verstoßen kann.
Demokratie und Disziplin müssen zur Stärkung der Militärmacht der revolutionären Kräfte dienen. Von diesem Gesichtspunk aus ist die Unterscheidung zwischen Demokratie und
«Demokratismus» wesentlich; die erste verstärkt die Militärmacht, die zweite schwächt sie11.
5. Die Kriegswissenschaft
Die Ausarbeitung einer Militärdoktrin der Partei erfolgt unter Zuhilfenahme der Kriegswissenschaft, ein einheitliches Kenntnissystem, das die materiellen und psychologischen Aspekte des Kampfes beinhaltet. Sein Inhalt organisiert sich um zwei grundlegende Gesetze:
1° Der Krieg ist dem politischen Ziel untergeordnet;
2° Der Ausgang eines Konfliktes hängt von der Wechselbeziehung der militärischen (Quantität und Qualität von Mut, Disziplin und Selbstdisziplin, Motivation, Ausbildung der KämpferInnen, Qualität und Quantität des Kriegsmaterials, Fähigkeit und Charakter der Befehlshaberschaft, usw.), politischen, moralischen, technischen, sozialen und wirtschaftlichen Macht ab.
Die Kriegswissenschaft teilt sich in vier Kapitel auf:
1° Das Studium des Krieges, was die Geschichte der Kriege mit einbezieht (besonders Bürgerkriege und der revolutionären Kriege wenn es uns betrifft).
2° Die Gesetze des Krieges, das heißt die Kenntnis einiger Prinzipien, deren Anwendung auf allen Ebenen (strategisch, taktisch, usw.) zwingend ist, und die Handvoll Regeln, deren Anwendung immer wünschenswert aber nicht immer möglich ist unter Bedingungen, die sie wirklich produktiv machen12. Nämlich:
- Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zwischen Mitteln und Zweck
- Das Prinzip der Aktionsfreiheit, das zwingend erfordert sein eigenen Kräftesystems so anzulegen, dass es seine Ziele verfolgen und die des Feindes vereiteln kann, und das erfordert zwingend einige Regeln: die der Konzentration der Kräfte (was ihren maßgeschneiderten Einsatz im Kampf erlaubt); der Sicherheit (permanente Suche nach Nachrichten über den Feind, aktive und passive Sicherheitsmaßnahmen, usw.); der Initiative; der Beweglichkeit; der Verheimlichung der Absichten gegenüber dem Feind; der Vorbeugungsmaßnahmen gegen die Reaktionen des Feindes; der Bildung von Reserven; usw.;
- Das Prinzip der Einteilung der Kräfte (anders gesagt: der maximale Wirkungsgrad der Mittel durch den aktiven und intelligenten Einsatz aller Kräfte), das ebenfalls zwingend einige Regeln erfordert wie: die größtmöglichen Mittel dort konzentrieren, wo der auf dem Spiel stehende Einsatz am wichtigsten ist, und das, indem bei den sekundären Fronten gespart wird13; das Maximum an Intensität im Einsatz der Kräfte; die Zusammenarbeit aller Mittel um ihre jeweilige Wirksamkeit zu vervielfachen; Die Bestimmung des Zeitpunktes; die Bestimmung des Ortes; die Überraschung (strategisch, taktisch und technisch durch die Verwendung von neuen Mitteln oder die originelle und unvorhersehbare Verwendung der herkömmlichen Mittel); die Schnelligkeit (verlängert den Überraschungseffekt und gewährt Aktionsfreiheit); die Nachhaltigkeit der Anstrengungen; die Ausnützung der mangelnde Vorbereitung des Feindes; usw.
3° Die theoretischen Grundlagen der Vorbereitung der Partei auf den Krieg. 4° Die Kriegskunst.
6. Die Kriegskunst
Im Unterschied zur Kriegswissenschaft, wovon sie ein Teil ist, ist die Kriegskunst kein strenges System zur Kenntnis der Erscheinungen und ihrer Gesetzesmäßigkeiten. Als konkrete (und nicht spekulative) Aktivität, kennt die Kriegskunst nie zwei sich völlig gleichende Bedingungen: die Mittel, weder der Feind, weder das Terrain, noch die sozialwirtschaftlichen Bedingungen sind immer gleich. Andererseits ist Krieg nicht nur ein Zusammenprall von materiellen Kräften, es ist auch ein Zusammenprall der Willenskräfte, der moralischen Kräfte, die den Wert der materiellen Kräfte oft radikal verändern.
Die wichtigsten Teile der Kriegskunst sind:
1° Die Strategie
2° Die Operativekunst (oder Operationskunst) 3° Die Taktik (oder eher Taktiken)
4° Die Logistik (zur Fortbewegung, Stationierung und Verproviantierung der Streitkräfte)
5° Das Organisatorische (zur Organisation und Vorbereitung des Materials und der KämpferInnen).
Die Kunst des Krieges liegt in der Beherrschung und Gliederung dieser unterschiedlichen Ebenen in ihren spezifischen Eigenschaften (indem z.B. die Bedeutung der Bildung von Reserven auf taktischer Ebene bewusst ist, wo der Kampf sich oft in der Form einer Folge von Einsätzen abspielt, aber auch, im Gegenteil, dass die strategische Ebene die strenge Achtung des Prinzips der Kräfteeinteilung zwingend erfordert, was ihren vollen Einsatz dort bedeutet, wo der Entscheidung herbeigeführt werden kann.
7. Die Strategie
Die Strategiebesteht in der Umsetzung der aus der Militärdoktrin entstandenen Konzepte und Empfehlungen. Dazu vereinigt sie militärische und nicht militärische Probleme, sie verwandelt die militärische Kraft der Partei (ein quantitativer Begriff) in Militärmacht(dynamischer und nicht quantifizierbarer Begriff), und verdrängt von Beginn des Kampfes an die Militärdoktrin. Der Strategie gehört also an:
1° Definitionsgemäß: der gute Gebrauch der Kämpfe für die Zwecke des Krieges.
2° Als Grundlage: der Wille das Größte, das Schnellste und Günstigste Resultat durch eine Rationalisierung der Kraft zu erlangen — die Strategie gehorcht daher dem Gesetz der geringsten Handlung.
3° Als Mittel: die siegreichen Einsätze (ermöglicht durch die Richtigkeit der strategischen Analyse und erreicht mittels der Beherrschung der Operativenkunst und der Taktik durch die revolutionären Kräfte) wie auch ihre militärische, politische (Propaganda, usw.) und organisatorische (Integrierung von neuen KämpferInnen, usw.) Ausnutzung;
4° Als Prinzipien: die (absolute) Bedeutung von überlegenen Kräften bei den entscheidenden Punkten (es kann weder «alles verteidigt» noch «alles angegriffen» werden); die (relative) Bedeutung der Überraschung und der List; die Verhältnismäßigkeit zwischen dem zu erreichenden Ziel, den vorhandenen Kräften und dem zu überwindenden Hindernis.
5° Als Zweck: die Objekte, die zum Frieden führen müssen, im Rahmen des revolutionären Krieges heißt das die feindlichen Streitkräfte zerstören und den Kampfwillen des Feindes brechen.
Das Verhältnis zwischen den eingesetzten mitteln und dem zu erreichenden Ziel muss immer wieder neu bestimmt werden; nicht jede siegreiche Operation ist auf strategischer Ebene unbedingt angebracht (sie kann, zum Beispiel, zu einer Eskalation führen, der standzuhalten das revolutionäre Lager nicht bereit ist — zum Beispiel ein fremder Eingriff). Es ist die strategische Analyse, die bestimmt welche Einsätze in welchem Rahmen durchzuführen sind.
Außer auf die Prinzipien und Regeln der Kriegskunst, wovon die Strategie ein konstitutiver Teil ist, gründet die strategische Analyse auf einen eigenen Bereich, dem angehören:
1° Die den Krieg beherrschenden Gesetze. Schon aufgezählt, sind objektiv und werden unparteiisch auf beide feindliche Lager angewendet;
2° Die Faktoren und das Wesen des zu führenden Krieges, die Aufteilung der Kräfte (sozial, militärisch, politisch, usw., sowohl der effektiven als der potentiellen, und das von einem sowohl qualitativen als auch quantitativen Gesichtspunkt her), die Perspektiven des Zeithorizontes, Intensität und Ausbreitung, die Möglichkeiten äußerer Eingriffe (freundlicher oder feindlicher), die geographischen und sozialen Bedingungen, usw.;
3° Die Vorbereitung der Partei auf den Krieg;
4° Die materielle und technische Basis (militärische und technische Mittel, Aufklärung, Kader, Truppenstärke, WissenschaftlerInnen;
5° Die Führung der Kräfte;
6° Die wahrscheinlichen Entscheidungen des Feindes, weil der Bereich Schlag-Gegenschlag unter Kriegsführenden der Strategie angehört.
Auf dieser Grundlage wird die strategische Analyse miteinbeziehen:
1° Eine sehr sorgfältige Berechnung der eingegangenen Risiken; das heißt vor allem die Voraussehung der qualitativen Sprünge der Konterrevolution (Folter, extralegale Hinrichtungen, usw.), die durch die revolutionären Fortschritte hervorgerufen werden;
2° Eine perfekte und andauende Anpassung zwischen den Einsätzen und dem politisch- militärischen Ziel (zum Beispiel: nicht aus Prestigegründen reagieren);
3° Die Vorbereitung einer Rückzugsposition;
4° Entschlossenheit nach dem Beginn der Aktion;
5° Die Flexibilität in den Mitteln um gegen unvorhergesehene Entwicklungen gewappnet zu sein.
8. Die allgemeinen Prinzipien der revolutionären Strategie
Welche sind die allgemeinen Prinzipien der revolutionären Strategie? Es gibt deren fünf:
1° Sie gründet auf dem Vorrang der Politik über das Militärische (und es handelt sich dabei nicht einfach um das allgemeine Prinzip der Unterordnung der militärischen Optionen unter die politischen Ziele, sondern um den allgemeinen Vorrang des Politischen; so ist die politische Bildung der RevolutionärInnen wichtiger als ihre militärische Ausbildung, die politisch- ideologische Wirkung eines Einsatzes kann wichtiger als ihr Effekt im Bereich des materiellen Kräfteverhältnisses sein, militärische Einsätze können unterbrochen werden aber die politische Arbeit niemals, usw.);
2° Sie gründet auf dem Vorrang des Menschen über das Material14 ;
3° Sie gründet auf dem Vorrang des Inneren (was im Land und in der Klasse geschieht) über das Äußere;
4° Sie kümmert sich konstant um die Bindungen mit den Volksmassen;
5° Welches auch immer ihre wichtigste Kampfform sein wird (Aufstand, Guerilla, usw.), sie wendet auch alle anderen Formen des Kampfes an: den Massenkampf (Streiks, Kundgebungen), den Guerillakrieg, den klassischen Krieg (Bewegungskrieg, Stellungskrieg), Sabotage, die legalen Kämpfe, der psychologische Krieg, den Geheimkrieg, den Terrorismus und die Aufstandsbewegungen.
6° Ihr Zweck ist die vollständige Zerstörung der feindlichen Streitkräfte. Der revolutionäre Krieg ist ein Vernichtungskrieg, der sich nicht mit einer Transaktion mit dem Feind während Friedensverhandlungen beenden lässt, wie das bei Kriegen anderen Typs der Fall sein kann.
9. Die wichtigsten revolutionären Strategien
Um ein bisschen konkreter zu werden schauen wir uns kurz die wichtigsten revolutionären Strategien an, die seit der Erscheinung des Proletariats auf der historischen Bühne theoretisiert wurden. Ich habe elf gezählt, aber das ist ein wenig willkürlich: gewisse Kategorien werden zur Schaffung von Neuen aufgeteilt.
1° Die blanquistische Aufstandstrategie.
Die vollendeste Form dieser Strategie ist die blanquistische Strategie, in Instruktionen zu einer Ergreifung der Waffen15theoretisiert. Eine kleine Gruppe bewaffneter VerschwörerInnen (zwischen 500 und 800 im Falle des Kraftaktes vom 12. Mai 1839) schlägt dann zu, wenn sie im Glauben der subjektiven Aufstandsbereitschaft des Volkes anstelle des unorganisierten Proletariats handelt: sie nehmen die Waffendepots ein und verteilen die Waffen, schlagen an der Spitze der politischen Macht und der Repressionskräften zu (Angriff auf die Polizeipräfektur), erstellen systematisch und planmäßig Barrikaden und organisieren die sich dem Aufstand angeschlossenen Massen. Auf taktischer Ebene schöpfte Blanqui die Barrikadentaktik, die von Engels richtigerweise kritisiert wurde, voll aus. Die vom revolutionären Proletariat bis 1848 befolgte passive Barrikadentaktik hatte einzig durch eine massenhafte Befehlsverweigerung der Soldaten der bürgerlichen Armee, d.h. durch ihren Übergang ins aufständische Lager, die Möglichkeit den Sieg zu erringen.
2° Die Strategie des aufständischen Generalstreiks
Erbe (erklärt oder nicht) von Bakunins Thesen zur Auslösung der Abschaffung des Staates durch eine einzelne kollektive Handlung, vorzugsweise einen Generalstreik, ist der Ausbruch dieses Aufstands von der Spontaneität der Massen abhängig. Nach dieser Strategie wird der aufständische Generalstreik ausgelöst sobald die Massen subjektiv bereit sein werden, und wenn diese subjektiven Verfügbarkeit dank der Kreativität der revolutionären Massen mühelos die Lösung der objektiven Fragen (militärisch, organisatorisch) erlauben werden. Diese Strategie zählt auch auf einen weiträumigen Zusammenbruch der bürgerlichen Macht (Massendesertierungen in der Armee), wiederum dank der subjektiven Verfüglichkeiten der Massen. Diese Strategie wurde in der Zwischenkriegszeit von der gewerkschaftlich- revolutionären Strömung erneut vorgeschlagen und wir konnten auch bei den K-Gruppen und in der bordigistischen Ultralinken ihr Wiedererscheinen feststellen.
3° Dieterroristisch-exemplarische Strategie
15 Die Art und Weise wie Lenin sich gegen die Anklage des „Blanquismus“ verteidigt darf jedoch die Tatsache nicht verstecken, dass die blanquistische Waffenergreifung die mittlere Etappe zwischen dem babeuvistischen Komplott und dem leninistischen Aufstand ist. Das Schimpfwort „blanquist“, das Plechanow und Martow Lenin an den Kopf warfen, hatte nicht im Entferntesten etwas mit dem wirklichen Blanquismus zu tun. Im damaligen politischen Wortschatz bedeutete es eher auf den Komplott als auf die Aktion der Massen zu setzen. In den 70er Jahren wurde auch die deutsche Rote Armee Fraktion (RAF) als angebliche ‚blanquisten’ denunziert.
Von einer Strömung der anarchistischen Bewegung und den russischen PopulistInnen16 praktiziert. Sie gründet vor allem auf der individuelle Praxis und auf jener einer geheimen Organisation — und in jedem Falle ist sie von einer organischen Bindung zu den Massen abgeschnitten. Ihre einzige Bindung zu den Massen ist das Beispiel ihrer Aktionen oder das Verhalten ihrer Militanten vor der Repression und, vielleicht, einige Erklärungen. Die terroristische Strategie hat die Reaktion an der Spitze getroffen, Terror in den Reihen des Feindes und Bewunderung in den Massen ausgelöst, aber sie konnte diese Faktoren nie in Kräfte verwandeln, die ein Regime umstürzen konnten. Diese Strategie hat in der Geschichte nur Misserfolge erlebt: es gibt keine «Erweckung» der revolutionären Schichten der Massen ohne sie zu organisieren.
4° Die Aufstands-Strategie von Lenin und der Komintern.
Sie wurde eine erstes Mal im Oktober 1917 praktiziert und in der Folge sorgfältig theoretisiert (insbesondere durch das mit Neuberg signierte kollektive Werk Der bewaffnete Aufstand) und von den kommunistischen Parteien in den 20er und 30er Jahren zum Plan erhoben. Sie integriert und systematisiert die Analysen von Marx und Engels (und die Lehren aus Erfahrungen wie der von 1905). Sie spricht der Avantgarde-Partei eine zentrale Rolle zu, welche sich beim Sammeln der notwendigen Kräfte für den revolutionären Erfolg engagiert (Hebung des revolutionären Bewusstseins der Massen und ihre politische und militärische Organisierung, insbesondere durch die Schaffung einer Roten Garde, das Training von Stoßtrupps und deren Verwendung als Ersatz der Barrikadentaktik, Schaffung eines aufständischen Generalstabes, Ausarbeitung von Schlachtplänen, Wahl des Auslösemomentes etc.). Diese Strategie scheiterte schwer in Deutschland (1923), China (1927), Asturien (1934), Brasilien (1935) und anderswo.
5° Die Strategie des lange andauernden Volkskrieges
Sie kennt drei Phasen: eine Guerillaphase, strategisch defensiv (aber taktisch sehr aktiv, aus ununterbrochenen Initiativen); eine Phase des strategischen Gleichgewichts; eine strategisch offensive Phase, wo die revolutionären Kräfte zum Bewegungskrieg und (dazu) zum Stellungskrieg fähig sind. Die eigentümlichen Prinzipien des lange andauernden Volkskrieges werden von Mao Tse Tung folgendermaßen definiert:
- Zuerst die verzettelten und isolierten feindlichen Kräfte angreifen, danach die starken konzentrierten Kräfte.
—Vorerst auf dem Land befreite Gebiete einrichten, die Städte vom Land her einkreisen, zuerst die kleinen Städte einnehmen, danach die großen.
- Sich im Kampf eine zahlenmäßig starke Überlegenheit verschaffen (Strategie ist der Kampf eins zu zehn, Taktik zehn gegen eins)17.
- Gewährleisten, dass das politische Bewusstsein der KämpferInnen hoch ist, damit sie hinsichtlich Beharrlichkeit, Mut und Opferbereitschaft überlegen sind.
- Sich der Unterstützung des Volkes versichern, über die Achtung seiner Interessen wachen.
- Sich des Übergangs der feindlichen Gefangenen ins revolutionäre Lager zu versichern.
- Die Zeitspannen zwischen den Kämpfen verwenden um sich neu zu formieren, zu trainieren und zu bilden. Siegreich in Jugoslawien, in Albanien, in China und Indochina, hat sie bedeutende Niederlagen erlitten, vor allem in Griechenland (45-49) und in Malaysia (48-60).
6° Die Strategie des Kraftaktes
Sie gründet auf ein extrem günstiges Kräfteverhältnis für die revolutionäre Seite. Im Beispiel von Prag 1948, weisen wir auf die Präsenz der sowjetischen Armee, die Macht und das Prestige der Kommunistischen Partei, die Existenz der Volksmilizen (15 bis 18.000 bewaffnete ArbeiterInnen), die fast vollständige Unterwanderung des nationalen Sicherheitskorps und verschiedener Einheiten der Armee, usw. Diese Strategie hat den Vorteil unendlich sparsamer als die den bewaffneten Zusammenstoß mit einbeziehenden zu sein. Sie kann sogar den Anschein der Legalität aufrechterhalten, was die politische Neutralisierung gewisser gesellschaftlicher Mittelschichten erlaubt. Der Kraftakt ist meistens eher die Frucht einer von einer außerordentlichen historischen Konjunktur gelieferten günstigen Gelegenheit als von einer theoretisierten und als Modell präsentierten revolutionären Strategie. Er konnte auch nie eine systematische Anwendung unter den jungen progressistischen Offizieren der Dritten Welt haben, die in den 60iger und 70iger Jahren so oder so an die Sowjetunion gebunden waren.
7° Die wahltaktische/bewaffnete Strategie
Sie gründet auf der These, dass eine teilweise Machtergreifung durch legale Mittel möglich ist (vorausgesetzt, dass ein breiter Massenkampf die demokratischen Rechte garantiert) und dass diese teilweise Machtergreifung der revolutionären Bewegung die Mittel verleihen wird, die zusammen mit eigenen Mitteln die Vertiefung des revolutionären Prozesses und die Abwehr der reaktionären Gegenoffensive (militärischer Staatsstreich oder fremder Eingriff) gewährleisten werden. Die sich für diese Strategie entscheidenden Organisationen rüsten sich mit einem militärisches Potential zur Absicherung einer grundlegend durch legale Mittel erfolgte Machtergreifung aus. General Pinochet hat sich sehr für die Annullierung dieser strategischen Hypothese, die schon mit der Zerstörung des österreichischen Schutzbundes1934 eine blutige Niederlage erfuhr, eingesetzt.18
8° Die focistische Strategie
Sie ging von einer theoretischen Systematisierung der besonderen Bedingungen19 der Ende 50iger bis Anfang 60iger Jahren aktiven Guerilla in Südamerika (wie in Kuba) aus. Sie stellt die Bildung und die Entwicklung eines beweglichen Landguerillaherdes ins Zentrum des revolutionären Prozesses. Der Focismo stellte keine Ansprüche auf Allgemeingültigkeit und gründete weitgehend auf der These des Dualismus der lateinamerikanischen Gesellschaften (die kapitalistische Stadt und das feudale Land), auf die Unmöglichkeit wie in China und Indochina befreite Zonen einzurichten, usw. Die mobilen Guerillaherde sind dazu berufen, sich zur Volksarmee zu entwickeln, und die Städte zu umzingeln bis ein aufständischer Generalstreik in den Städten dem Regime den Gnadenstoß gibt. Wobei sich die Rolle des Proletariats auf die Unterstützung der Guerilla bis zum Gnadenstoß beschränkt.
9° Die neue Aufstandstrategie
Sie hat sich unmittelbar nach dem Sieg der sandinistischen Revolution gebildet. Nach diesem Sieg haben mehrere revolutionäre Kräfte den lange andauernden Volkskrieg, den sie in manchen Fällen seit Jahrzehnten geführt hatten, vollständig oder teilweise aufgegeben und durch die Auslösung urbaner Aufstände versucht, den Entscheid herbei zu zwingen. So die Neue Volksarmee der philippinischen KP20 bis zur Richtigstellungskampagne 1992, die zu einer Rückkehr zu den Thesen des lange andauernden Volkskriegs führten.
10° Die Strategie P.A.S.S. (politisch-militärisch kämpferische Strategie) und der Kombinierte Revolutionäre Krieg.
Sie wurde von Mahir Çayan und den Gründern der Volksfront zur Befreiung der Türkei definiert und angewendet und danach in den 70iger und 80iger Jahren von mehreren Organisationen (Dev Yol, Dev Sol, MLSPB, THKP-Revolutionäre Avantgarde des Volkes, usw.) übernommen. Nach dieser Strategie bliebt die Guerilla bis zur Etappe des klassischen Krieges vorrangig, und die anderen Kampfmethoden (politisch, wirtschaftlich, demokratisch und ideologisch) sind ihr untergeordnet. Die PASS-Strategie wird in drei Etappen aufgeteilt:
- Bildung der Stadtguerilla (es ist einfacher, eine kämpfende Kraft in einer Stadt aufzubauen, die bewaffneten Aktionen finden ein größeres Echo, das Terrain ist gesellschaftlich eher bereit, Aktionen auf einer höheren Ebene zu akzeptieren und zu assimilieren).
- Die Ausbreitung der Guerilla im ganzen Land und die Bildung einer Landguerilla neben der Stadtguerilla (entscheidender, denn eine Einheit auf dem Land kann sich zurückziehen und wachsen, indem sie andauernd und progressiv BäuerInnen integriert, während die Stadtguerilla, die sich nach jeder Aktion auf die Untergrundstützpunkte verzetteln muss, nicht hoffen kann mit den Massen eine kontinuierliche Beziehung aufrechtzuerhalten und sich in Richtung einer Volksarmee zu entwickeln).
- Die Verwandlung der Guerillakräfte in reguläre Streitkräfte.
11° Die Strategie der lange andauernden Volkskriegs in Form der Stadtguerilla
Sie ist von den europäischen kommunistischen kämpfenden Organisationen definiert und praktiziert worden. Sie basiert auf den Prinzipien des maoistischen lange andauernden Volkskriegs aber unterscheidet sich davon maßgeblich durch die Aufgabe jeglicher Form von Landguerilla (folglich der gesamten Idee der Umzingelung der Städte durch das Land), durch die Ersetzung der befreiten Zonen durch Untergrundnetze in den Massenorganisationen (Gewerkschaften, usw.), durch die größere Bedeutung, die den Aktionen der bewaffneten Propaganda gegeben wird und durch die Übernahme neuer Organisationsformen in der militärischen und Parteiarbeit (bis zur Ablehnung, in gewissen Fällen, der traditionellen
«strategischen Gegenoffensive». Die kleinen, beweglichen und gut in der Bevölkerung verwurzelten Einheiten der NPA wurden zu früh zu Bataillonen zusammengeführt, worin Kader der philippinischen KP militärische Verantwortungen übernehmen mussten, für die sie nicht genügend vorbereitet waren. Die politischen Untergrundstrukturen der Partei wurden damit sehr geschwächt und die großen NPA-Bataillone waren einfach auszumachen und ein Feind, der weit weg vom Zusammenbruch war, fügte ihnen schwere Verluste zu.
Trennung KP/Rote Armee durch die Formulierung der These der Kämpfenden Partei, legitimiert durch die neue politische Qualität des bewaffneten Kampfes), usw.
Diese oben gemachte sehr schematische Aufzählung bildet keinen «Katalog», in dem unbedingt eine vorgefertigte Formel ausgewählt werden muss. Jede eigentümliche Lage erfordert eine eigentümliche Antwort. Jeder konkrete Fall birgt Elemente dieser verschiedenen Strategien, sei es durch Trägheit (Befolgung alter Methoden), sei es, im Gegenteil, weil der Kampf Methoden hervorgebracht hat, die dann theoretisch und systematisch weiterentwickelt werden. Die Aufzählung kann höchstens als Leitfaden dienen.
Es wird auffallen, dass diese Strategien sich in zwei große Kategorien aufteilen: jene, welche die Entscheidung in einer Schlacht suchen (Aufstandstrategien) und jene, welche die Entscheidung durch eine Folge von Schlachten und Kampagnen (Guerillastrategien) anstreben21. Jeder entspricht eine Verirrung: rechte Verirrung, im Falle der Aufstandstrategien, weil sich oft vom Opportunismus untergrabene Kräfte dafür entscheiden um einer Konfrontation mit der Macht aus dem Wege zu gehen; «linke» Verirrung im Falle der Guerillastrategien, weil sich manchmal vom Subjektivismus untergrabene Kräfte für dieses Mittel bloß entscheiden um der Arbeit für eine Verwurzelung in die Klasse aus dem Wege zu gehen.
10. Revolutionäre Strategie und dogmatische Vulgata
Die strategischen Schulen des Aufstands und der Guerilla sind an sich weder dogmatisch noch undogmatisch.
Jede Schule hat „ihre“ DogmatikerInnen und es ist auffällig, dass jedes Mal eine dogmatische Interpretierung der strategischen Option von Kräften kommt, die hinter einer kriegerischen Rhetorik eine opportunistische Praxis entwickeln.
1° Für den Aufstand
Bei den VertreterInnen der „Theologie des Aufstandes“ steht zwar derselbe am Horizont: doch je näher sie ihm kommen, desto weiter entfernt er sich. Durch die Trennung der mittelfristigen Ziele von ihrem (angeblich) langfristigen Ziel – dem bewaffnete Aufstand – entwickeln sie eine Linie des auf die Partei ausgerichteten Wachstums, der Organisierung der ArbeiterInnenavantgarden, der Taktik in den Massenkämpfen, usw., die (manchmal) mittelfristig eine Verstärkung der Partei und ihres Einflusses zur Folge haben, die aber objektiv das Emporkommen der objektiven und subjektiven Bedingungen der revolutionären Krisen die zum Ausbruch des Aufstandes führen, beeinträchtigt.
2° Für den lange andauernden Krieg
Nach gewissen „MaoistInnen“ bietet sich das servile Projekt der Nachahmung des lange andauernden Volkskriegs von Mao unter Bedingungen (politisch-historisch, sozialwirtschaftlich, geographisch, usw.) an, die von denen der beherrschten Ländern des Trikont dermaßen weit entfernt sind, dass der Ausbruch des bewaffneten Kampfes mangels der angeblich notwendigen «Voraussetzungen» andauernd vertagt wird. Es erscheinen manchmal Ersatzformen für den bewaffneten Kampf, zum Beispiel die Übernahme vom spektakulären Propagandaaktionen (Hammer und Sichel aus Feuern auf den Hügeln über einer Stadt) die von Kräften angewendet werden (in diesem Fall: die Kommunistische Partei Peru PCP), die andererseits den bewaffneten Kampf führen. Es tritt dann dieser regelrechte Missbrauch der Sprache auf, wo erklärt wird man befinde sich im „Volkskrieg“ ohne bewaffnete Aktionen22 durchzuführen.
11. Allgemeingültige und eigentümliche Eigenschaften
Dem Dogmatismus den Rücken kehren heißt:
1° Die eigene Militärpolitik (folglich die eigenen strategischen Entscheidungen treffen) einer lebendigen Analyse der geschichtlichen Erfahrung und der zeitgenössischen objektiven und subjektiven Bedingungen entsprechend bestimmen. Diese Analyse kann sowohl in die Bestätigung des universellen Charakters einer strategischen Option (anders gesagt, sowohl der Aufstand als auch der lange andauernde Volkskrieg muss überall und immer als einzige revolutionäre Strategie betrachtet werden23) als auch in die Bestätigung münden, dass die objektiven Bedingungen die Entscheidung zwischen Aufstand und Volkskrieg bestimmen. Den universellen Charakter einer strategischen Option zu behaupten ist an sich kein dogmatisches Vorgehen. Es kann sein, aber es kann das Resultat einer vollständigen, lebendigen und ehrlichen Reflexion mit der Absicht sein, von der Geschichte Gesetze abzuleiten um auf sie einzuwirken. Dieses Vorgehen entspricht den Prinzipien des historischen Materialismus. Da revolutionären Siege der Kommune von Paris und der Oktoberrevolution die einzigen gewesen sind, hatte die historische Analyse die natürliche Tendenz aus dem bewaffneten Aufstand den einzigen möglichen Weg zu machen. Die revolutionären Siege in China und Indochina haben diese angebliche geschichtliche Offensichtlichkeit umgestoßen. Unterscheiden was die Ausnahme der Regel ist24, ist eine absolut notwendige Übung, die aber den Rahmen dieser Konferenz sprengt.
2° Sobald die strategische Entscheidung gefallen ist, bedeutet dem Dogmatischen den Rücken zu kehren sich mit der Frage des universellen und besonderen Charakters der ausgewählten strategischen Option auseinanderzusetzen.
1° Für den Aufstand
Das von Neuberg gezeichnete Handbuch der Komintern bietet eine exzellentes Beispiel: der Bewaffnete Aufstand wird als «Notwendigkeit» und «Unumgänglichkeit» des Klassenkampfes dargestellt. In keinem Moment hinterfragt Neubergs Werk die strategische Option des Aufstands, alle kritischen Anmerkungen (viele und interessante) gehen die im Rahmen dieser Option begangenen Fehler an (schlechter Zeitpunkt, ungenügende oder schlecht verteilte Kräfte, Mangel an Koordination, usw.). Von der aufständischen „Offensichtlichkeit“ ausgehend, schlägt das Werk vor jede konkrete Erfahrung zu studieren (Hamburg 1923, Kanton 1927, Reval 1934, usw.) damit die RevolutionärInnen ihrerseits die Aufstandstrategie ihrer sozialgeschichtlichen Wirklichkeit anpassen können: hier wird es günstig sein vor dem Aufstand einen Generalstreik durchzuführen, dort hingegen ihn überraschend auszulösen, usw.
2° Für den lange andauernden Volkskrieg
Die Frage der allgemeinen und besonderen Eigenschaften der Strategie des lange andauernden Volkskrieges wurde besonders vom Vorsitzende der PCP, Gonzalo, behandelt, demnach Mao Tse-Tung durch die Einführung der Prinzipien des Volkskampfes dem Proletariats eine
«universell gültige, das heißt den konkreten Bedingungen angepasst überall anwendbare» militärische Linie, Theorie und Praxis gegeben hat. Der Vorsitzende Gonzalo, erwidert dem Einwand, diese Anerkennung des allgemeingültigen Charakters des revolutionären Krieges sei dogmatischer Prägung, dass die Besonderheit der konkreten Bedingungen besondere Formen der Taktik, des Kampfes und der Organisation hervorrufen. Und er zählt deren drei für Peru auf: primo die Bedeutung des Kampfes in der Stadt Seite an Seite mit dem Kampf auf dem Land (Der Bedeutung der Städte auf dem lateinamerikanischen Kontinent entsprechend); secundo die Tatsache, dass vor der Niederlage der Streitkräfte (wegen ihrem verspäteten Auftritt 1982, nachdem das Debakel der Polizeikräfte schon lange Tatsache war) eine Volksmacht in den befreiten Gebieten eingerichtet werden konnte und musste; tertio die Militarisierung der Partei25.
12. Stützpunkte, Guerillazonen und befreite Gebiete
Im Unterschied zur Frage der allgemeinen Gesetzmäßigkeiten, ist die Frage der «Stützpunkte» den Guerillastrategien zugehörig. Prüfen wir vorerst deren verschiedenen Kategorien.
1° Die Guerillazone
Ist eine geographische Kategorie: das Gebiet, wo die Guerilla aktiv ist, wo sie sich fortbewegt und handelt
2° Der Stützpunkt
Ist gleichzeitig eine geographische und eine politisch-soziale Kategorie. Es ist eine Zone in welcher der Feind präsent ist (oder wo er leicht eindringen kann) aber die revolutionäre Gegenmacht wirklich vorhanden ist. Die revolutionäre Partei ist in den Massen und der Guerilla gut verwurzelt und wird von ihnen unterstützt (Rekrutierung, Versorgung, Schutz, Aufklärung, usw.). sozial sind die Verhältnisse immer noch die der alten Gesellschaft, aber das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen hat sich verändert: die Forderungen des Volkes haben durch die Unterstützung der revolutionären Streitkraft26an Kraft gewonnen.
3° Der stabile Stützpunkt
Setzt die politisch-militärische Kontrolle eines bestimmten Gebietes voraus, das sich der Institutionen des Regimes entledigt hat und gegen die feindlichen Streitkräfte verteidigt wird. Es ist der vermittelnde Zustand zwischen Stützpunkt und dem befreitem Gebiet.
4° Das befreite Gebiet
Ist eine Zone, wo die revolutionäre Macht die Kräfte und Institutionen des alten Regimes verjagt hat und sich die neue Gesellschaft entfaltet. KapitalistInnen, GroßgrundbesitzerInnen und Mitglieder der Oligarchie werden enteignet und abgeurteilt. Die Produktionsmittel werden vergesellschaftet, usw. Vom militärischen Gesichtspunkt aus, setzt das die Fähigkeit und den Willen zur Verteidigung dieser Zonen voraus.27
Das Risiko der Verwechselung dieser Kategorien ist umso größer, als das je nach AutorInnen oder Texten der gleiche Begriff unterschiedliche Kategorien bezeichnet. Mao Tse Tung benützt meistens den Begriff „Stützpunkt“ im Sinne von „stabilem Stützpunkt“, nämlich eine totale politisch-militärische Kontrolle der Region voraussetzend28. Der vietnamesische Widerstand nannte jene Gebiete „Guerillazonen“, über die sie in der Nacht die Kontrolle hatten — und die tagsüber von den Kräften Saigons kontrolliert wurden. Das bedeutet, dass viele Paradoxe tatsächlich nur scheinbar existieren, wie z.B. in den neueren Texten der KP Nepals, die einschätzt «nicht in der Lage zu sein stabile Stützpunkte zu bilden», während sie erklärt, «dass eine gewisse Form von Stützpunkt in Rolpa und Rukum besteht, wo wir Steuern eintreiben, Kurse in Volksjustiz abhalten, die Wälder kontrollieren, usw. (…) Die Polizei betritt keine dieser Gebiete». Mehr als in irgendeiner anderen dürfen wir uns in dieser Frage nicht an Worten festmachen, sondern an den Konzepten, die sie in jedem eigentümlichen Diskurs benennen.
Die focistische Analyse führt an, dass die kubanische Guerilla in 17 Monate lang andauernden Kämpfen keine stabilen Stützpunkte eingerichtet hat und schreibt die 1965 stattgefundene Niederlage der peruanischen Guerilla dem vorzeitigen Aufbau von Stützpunkten zu. Der Fochismo stellt so direkt und offen die Prinzipien des lange andauernden maoistischen Volkskriegs erneut in Frage, der die Einrichtung eines Stützpunktes als Ausgangspunkt (und nicht als in weiter Ferne liegendes Ergebnis) der Guerilla postuliert. Die focistische Kritik lehnt nicht nur (in den lateinamerikanischen Bedingungen der 60er Jahre) die Idee stabiler Stützpunkte einrichten zu ab (was begreiflich ist), sondern sogar die Idee, sich in einer „Sicherheitszone“ von mehreren Tausend Quadratkilometern zu erholen. Aber die Kritik führt zu einer Verwechslung zwischen Stützpunkt und stabiler Stützpunkt. In Wirklichkeit, und das lange vor dem 17. Monat, verfügte Castros Guerilla in der Sierra Maestra über Stützpunkte. Die Vollendung der fochistischen Kritik des Stützpunktes ergibt einen schlichten Guerillanomadismus.
Die Erfahrungen der stützpunktlosen lateinamerikanischen Guerillas (vor allem der Ejercito de Liberacion Nacional ELN in Kolumbien und die Fuerzas Armadas de Liberacion Nacional
den paramilitärisch kontrollierten Regionen die Drogenhändler den weißen Terror (beginnend mit der systematischen Eliminierung der bäuerlichen GewerkschafterInnen) zur Durchsetzung von lächerlich tiefe Preise verüben.
FALN in Venezuela in den 60er Jahren) führten zur Bildung des Begriffs Taktizismus, der die Lage einer Guerilla beschreibt, die isoliert und von einem politischen Apparat wenig oder schlecht unterstützt ihren revolutionären Stellenwert verliert da sie sich auf taktische Probleme konzentrieren muss (Sicherstellung der Verwaltung, Fortbewegung, Auskundschaften des Terrains, usw.). Die dem Taktizismus zum Opfer gefallenen Guerillas können weder genügend für die bewaffnete Propaganda arbeiten, noch die politische Bildung der Massen gewährleisten, und sie können sich nicht einmal durch die Aufnahme und Ausbildung neuer RekrutInnen entwickeln
13. Die operative Kunst
Die Strategie wird durch die operative Kunst vermittelt: wenn die Strategie bestimmt welche Operationen ausgeführt werden müssen, so bestimmt die Operativkunst die Bedingungen zur Ausführung dieser Einsätze. Sie betrifft die Grundlagen und die Vorbereitung der militärischen Einsätze entsprechend den strategischen Plänen. Um die Definitionen von Alexander Swetkin), ein großer sowjetischer Militärtheoretiker der 20er Jahre, erneut aufzunehmen, ist die Operation das Mittel der Strategie, die operative Kunst das Material der Strategie; die Schlacht ist das Mittel der operativen Kunst, die Taktik ist das Material der operativen Kunst. Swetkin hat das Konzept der operativen Kunst durch die Feststellung geschaffen, dass der Ausgang des Kriegs sich nicht mehr wie im XIX. Jahrhundert durch eine große Schlacht der napoleonischen Art entscheidet. Die Entscheidung erforderte eine Serie von aufeinander folgenden und miteinander verbundenen Einsätzen. Wir sehen also, dass die operative Kunst eher zu den Guerillastrategien als zu den Aufstandstrategien gehört, da die revolutionären Kräfte, die sich für Letztere entschieden haben, die operative Kunst nur einsetzen können um nach dem siegreichen Aufstand dem Bürgerkrieg (und/oder dem fremden Eingriff) standzuhalten.
Diese vermittelnde Kategorie zwischen Strategie und Taktik, die Mao 1936 die Wissenschaft des Landes nannte, kann eindeutig als operative Kunst bezeichnet werden.
Es ist ebenfalls die operative Kunst, die im Falle des lange andauernden Volkskriegs des maoistischen Typs immer die Zusammenarbeiten und die Interaktionen unter den drei Ebenen der Streitkräften regelt: der lokalen Milizen (Selbstverteidigungsmilizen), der regionalen Kräfte und der regulären Kräfte (direkt dem Generalkommando unterstellte offensiv ausgerichtete Kampfeinheiten). Die spontane Guerillaform ist effektiv der Kampf kleiner Einheiten aus der einheimischen Bevölkerung, die von ihr unterstützt werden und in unmittelbarer Umgebung ihrer Heimatorte kämpfen. Zum Erhalt und vor allem zum Wachstum ihrer Kräfte muss eine Guerilla mit dieser spontanen Praxis brechen um das Prinzip der beweglichen Guerilla29 anzunehmen, was Teil der operativen Kunst ist. Es geht um die die Umgruppierung der Kräfte aus den einheimischen Guerillas zur Bildung von beweglichen Kräften, die zur wirkungsvollen Ausbreitung in einem großen Gebiet fähig sind (unter Zusammenarbeit mit den einheimischen Guerillas). Die Bewegung schützt die Einheit (und erhält die Unmöglichkeit für den Feind sie zu orten), gewährleistet den Erhalt der Initiative (im Angriff wie im Rückzug30), die Überwachung der Region und verstärkt die Autorität der revolutionären Kraft. Die bewegliche Guerilla entwickelt sich dann zur Großen Guerilla31, dann zum klassischen Krieg.
Die Prinzipien der operativen Kunst sind:
1° Die Beweglichkeit und die Bedeutung der beschleunigten Rhythmen in den Kampfeinsätzen; 2° Die Konzentrierung der Anstrengungen auf den/die entscheidende/n Ort/e und Moment/e; 3° Die Überraschung;
4° die Initiative und Aktivität im Kampf;
5° Die Erhaltung der Fähigkeiten und der Wirksamkeit ihrer eigenen Kräfte;
6° Die Entsprechung der Ziele des Einsatzes unter den Bedingungen der realen Lage; 7° Die Zusammenarbeit der Kräfte und der Mittel.
Um diese Kategorien einfacher (und sehr schematisch) vorzustellen sagen wir, dass die Führung des Krieges der Strategie gehört, dass die Führung der Kampagnen der Strategie und der operativen Kunst gehört, dass die Führung der Schlachten sowie der operativen Kunst als auch der Taktik gehört, und dass die Führung des einfachen bewaffneten Zusammenpralls der Taktik gehört.
14. Die Taktik
Also, wenn die Strategie bestimmt, welche Einsätze ausgeführt werden müssen, wenn die operative Kunst die Bedingungen bestimmt, unter denen diese Einsätze ausgeführt werden, so bestimmt die Taktik wie diese Einsätze ausgeführt werden. Die Taktik ist der Bereich der Vorbereitung und der Verwendung der Waffen, der Menschen und der Mittel zur erfolgreichen Ausführung des bewaffneten Einsatzes.
Zur Taktik gehören allgemeine und besondere Prinzipien, die den verschiedenen Formen des militärischen Einsatzes entsprechen.
Keiner revolutionäre Strategie ist, wie wir sehen konnten, von einer einzigen Form, also von einer einzigen Taktik abhängig: die Aufstandstrategie z.B. wendet nicht nur die Aufstandstaktik an, sondern auch (in minderen Graden), alle anderen eigentümlichen Taktiken und Formen des revolutionären Krieges. Sabotage z.B. nimmt im revolutionären Krieg eine in den klassischen Kriegen unbekannte Dimension an, es handelt sich nicht um etwelche von oben bestimmte strategischen Sabotageaktionen sondern um eine unendliche Anzahl von Sabotagen, die von den Massen ausgeführt werden, vom Größten (ein Elektrizitätswerk abschalten) bis zum Kleinsten (eine Regierungsmitteilung abreißen), und die durch ihre schiere Anzahl dazu führen, dass der Feind sich darin festfährt.
15. Aufstandstaktik: Prinzipien
1° Auf die Barrikaden verzichten und sich im Gegenteil auf den Einsatz von kleinen mobilen Gruppen stützen (einige auf die Panzerabwehr spezialisiert), die das Terrains gut kennen. Das Terrain vorbereiten um die Aktion der mobilen Gruppen zu erleichtern (Löcher in die Mauern angrenzender Häuser brechen um Durchgänge zu schaffen, usw.).
2° Alle möglichen Waffen einsetzen. 1956 elektrisierten die ungarischen Konterrevolutionäre die sowjetischen Panzermannschaften, indem sie die Tramoberleitungsdrähte auf die Tanks hinunterstürzen ließen, ölgetränkte Tücher, auf denen die Tanks ins Rutschen kamen,
Krieges gleicht, aber sich hinsichtlich ihres Vorgehens im Kampf völlig davon unterscheidet: die Grosse Guerillamanövriert mit bedeutenden Mitteln aber mit derselben sorgfältigen Geheimhaltung, Überraschung und Ausweichmanöver wie die gewöhnliche Guerilla.
begünstigten die Angriffe gegen sie. Während dem Aufstand von Hanoi 1946 gruben die Vietminh-Milizen Antitankgruben und tarnten sie mit einem Hindernis, das die Panzerfahrer verleitete zu ihrer Überfahrung zu beschleunigen. Köder einsetzen (falsche Minen, falsche Schussstellung, usw.), Hindernisse (im Boden befestigte Metallspitzen) und Fallen (die zur Räumung vorgesehenen Stellungen verminen, oder die Räumung von Stellungen simulieren um den Feind in vermintes Gelände zu locken). Auf die Kreativität der Massen hören und die Verallgemeinerung der nützlichen Ideen begünstigen.
3° Die dritte Dimension maximal und von Anfang des Aufstandes an benutzen: Dächer, Geschosse, Hohlräume, Kanalisationen
4° Tarnung der Perspektiven (z.B. mit quer über die Straßen gespannten Sichtblenden)
5° Ausgiebiger Einsatz von Scharfschützen und versteckten Pionieren, die über den richtigen Zeitpunkt zum Auslösen der Minen wachen. Einrichtungen (Verstecke, Geheimdurchgänge), die es den KämpferInnen erlauben in vom Feind vermeintlich gesäuberten Gebieten einzugreifen.
6° Den Feind eventuell festnageln indem bis zum Äußersten entschlossene Kampfgruppen günstig zu verteidigende Gebäude (aus Stahlbeton, mit vielen Stöcken und Untergeschossen und freiem Schussfeld wie Parkplätze, Vorplätze, ein großer freier Platz, usw.) besetzen.
5° und 6° sind nur zur Unterstützung der mobilen Gruppen, das Herzstück der Aufstandstaktik, gerechtfertigt.
Die Initiative ist der Schlüssel der Aufstandstaktik. Kein Verteidigungsdispositiv widersteht, wenn es sich einigelt und auf den Feind wartet. Neue Techniken (wie ACSS, die mit Mikrophonen die Schallwellen der Gewehrkugel aufzeichnet und gleichzeitig die Stellung des Scharfschützen berechnet) verstärken die Bedeutung dieses Prinzips.
16. Guerillataktik: Prinzipien
Die Guerillataktik ist im Kampf des Schwachen gegen den Starken zwingend und ihre allgemeinen Prinzipien (für die Stadt- sowie für die Landguerilla gültig) lauten:
1° In der Organisierung der Einsätze vom Einfachen zum Komplexen gehen;
2° Sorgfältige Aufklärungs- und Erkennungsarbeit leisten (Zeitmessung der Rückzugswege usw.), was bis zur Übung vor Ort eines Teiles des Einsatzes gehen kann;
3° Kluge Auswahl der KämpferInnen und eine Kompetenzgerechte Rollenverteilung; 4° Die Kräfte bis zum und manchmal während dem Einsatz tarnen;
5° Darüber wachen, dass die KämpferInnen keine Gegenstände oder Ausweise auf sich tragen, die der feindlichen Aufklärung im Falle einer Gefangennahme nützlich sein könnten;
6° Darüber wachen, dass jeder KämpferIn das Terrain, das Ziel, seine eigene Einheit und den Einsatzplan perfekt kennt;
7° Die eigenen Kräfte zusammenziehen um schnell zum vorgesehenen Zeitpunkt manövrieren zu können;
8° Die Fehler und Nachlässigkeiten des Feindes ausnützen;
9° Einen Einsatz abblasen (oder verschieben) wenn es den Anschein macht (und wäre es nur teilweise) dass der Feind davon Wind bekommen hat;
10° List und Manöver der Feuerkraft den Vorzug geben, aber ohne auf die Mittel Letzterer zu verzichten;
11° Sich für den Hinterhalt und Handstreich als bevorzugte Einsatzformen entscheiden, und im Idealfall den Handstreich mit dem Hinterhalt verbinden (gegen die Einheiten, die zur Verstärkung zum Ziel des Handstreiches eilen);
12° Sich mit den Mitteln der Überraschung ausrüsten (in der Wahl des Zieles und/oder der Mittel: ein Ziel, wo der Feind eine Kommandoattacke erwartet, kann z.B. überraschend mit einem Granatwerfer angegriffen werden);
13° «Doppelbesetzungen» bilden um den neuen KämpferInnen die Experimentierung der Guerillaaktion zu ermöglichen, ohne dass ein eventueller Ausfall ihrerseits den Einsatz und ihre TeilnehmerInnen gefährden könnten;
14° Die Überlegenheit der Anzahl und/oder der Mittel am Ort und Zeitpunkt des Einsatzes durch die Anwendung des Prinzips der Konzentration der Kräfte sichern;
15° Sich sofort, schnell und spurlos zurückziehen;
16° Die Kräfte nach dem Rückzug in Strukturen, die vor allem zur Aufnahme von Verletzten vorgesehen sind, verstecken;
17° Spuren verwischen;
18° Kräfte zerstreuen;
19° Sicherstellen, dass die TeilnehmerInnen jedes Einsatzes Kritik und Selbstkritik ausüben und nützliche Überlegungen (zu vermeidende Fehler, usw.) allen KämpferInnen mitteilen.
17. Taktiken und Techniken
Die Erfahrung hat gezeigt, dass das Erlernen der besonderen Taktiken von den revolutionären Kräften im Gegenteil zum Erlernen der besonderen Techniken oft vernachlässigt wurde. In der Perspektive des Straßenkampfes z.B. werden die KämpferInnen bevorzugt in der Handhabung und im Einsatz von Waffen ausgebildet (Zerlegung, Scheibenschießen, usw.), aber es wird die Tendenz entstehen die Ausbildung zum taktischen Einsatz der Feuerwaffe zu vernachlässigen (zum Beispiel wenn auf der rechten Straßenseite vorgegangen wird, was den Feind entsprechend zwingt seine Waffen zum Schutze der Straße auf der linken Straßenseite aufzustellen: um sich nicht zu exponieren, wird sich ein rechtshändiger Schütze auf der linken Seite in einen Tür- oder Fensterrahmen pressen.
In einer Konferenz ist es unmöglich alle eigentümlichen und für den revolutionären Krieg nützlichen taktischen Prinzipien detailliert aufzuführen. Diese Techniken sind in leicht zugänglichen militärischen Handbüchern einzeln aufgeführt.
18. Der Terrorismus
Die konterrevolutionäre «Antiterrorismus»-Rhetorik benötigt eine Art von Gegenpropaganda, bei der die revolutionären Kräfte, die manchmal durch den Willen beherrscht sind kein auch noch so kleines „terroristisches Profil“ zu zeigen, vergessen, dass Terrorismus ein Schlüsselelement revolutionärer Militärpolitik ist.
Es ist illusorisch anzunehmen die gesamte Bevölkerung werde sich dem revolutionären Projekt anschließen. Dieses muss also eine didaktische Eigenschaft aufweisen: es muss sich nicht nur die historischen Interessen der Massen zu Eigen machen, sondern die müssen auch ganz klar wahrgenommen werden. In Anbetracht der Schäden, die VerräterInnen, Infiltrierte, Provokateure, Spitzel, usw. bei den revolutionären Kräften anrichten können, müssen die revolutionären Kräfte das Äquivalent der „Angst vor dem Gendarmen des Regimes“ einsetzen. Um das zu tun müssen vorsätzliche konterrevolutionäre Aktivitäten sanktioniert werden.
So notwendig er auch sei, Terrorismus muss auf sein richtiges Maß gebracht werden. Als Jérôme Bonaparte, der von seinem Bruder einen vom Aufstand bedrohten Thron in Westfalen erhalten hatte, Napoleon um Hilfe rief, schrieb ihm dieser: «Bei Gott, Bruder, bediene dich
deiner Bajonette.». Jérôme antwortet ihm mit einer immer noch bekannten Formel: «Bruder, mit Bajonetten kann an alles getan werde, außer sich auf sie zu setzen.» Tatsächlich ist Terrorismus weder für die Konterrevolution noch für die Revolution jemals ausreichend.
Er spielt aber trotzdem für Letztere eine unersetzliche Rolle zum Ausgleich der Kräfte. Es ist einer der unheroischsten Aspekte des Guerillakriegs (er bedeutet oft die Exekution unbewaffneter Menschen), und fehlt darum oft in den Texten zu (und wäre es auch nur teilweise) Propagandazwecken. Aber die Zahlen sprechen eine klare Sprache. In Südvietnam hatten die von den Saigoner Behörden gewählten Dorfchefs polizeiliche Aufgaben (unter anderem mussten sie den Durchgang von dorffremden Personen anzeigen). Die zu der FNL gegnerisch eingestellten Dorfchefs mussten durch ihre Erschießung oder die Angst davor ausgeschaltet werden. Um das zu erreichen wurde eine breit angelegte Terrorkampagne durchgeführt: zwischen April 1960 und April 1961 wurden 4000 Dorfchefs erschossen.
In dem sie die Interessen des Volkes und des Proletariats verkörpern, haben die revolutionären Kräfte deutlich weniger Bedarf an Terrorismus als es die reaktionären Kräfte haben. Und in dem Masse, in dem ohne einen politischen Preis Terrorismus nicht möglich ist (es ist eine Waffe im Dienste der feindlichen Propaganda), muss er gemäßigt, verhältnismäßig und strikte auf das Notwendige beschränkt eingesetzt werden — der Fall des FLN 60-61 ist ein extremer Fall, sie musste sich damals dem weißen Terror des Regimes von Diem entgegenstellen.
Diese Frage wurde sehr wenig studiert aber wenn dieses strikt Notwendige nicht erreicht wird, folgt sogleich die Strafe. Nach einem Gegenaufstandsexperten der USA sei einer der wichtigsten Gründe für die Niederlage der Roten Brigaden, dass sie den Terrorismus nicht eingesetzt haben und sie deswegen nicht imstande gewesen seien, die kleinen Helfershelfer der Konterrevolution einzuschüchtern.
19. Die klassische Kriegskunst (oder „der große Krieg“)
Dazu kommen spezielle Prinzipien der klassischen Kriegskunst (Bewegungskrieg, wozu eventuell der Stellungskrieg kommt), die notwendig werden, je weiter sich der revolutionäre Krieg entwickelt und die Methoden des klassischen Krieges annimmt – aber wir verlassen hier den Rahmen dieser Konferenz.
Ich danke Euch für Eure Aufmerksamkeit
1 Der rechten Verirrung der Ablehnung der Aktualität einer strategischen Reflektion, die einen Übergang vom revolutionären Kampf zur trivialsten Protestposition enthüllt (und schlussendlich dazu führt), entspricht eine linke Verirrung, die das Prinzip einer vorausgehenden strategischen Reflektion ablehnt. Diese Verirrung besteht bei anarchistischen, militaristischen, subjektivistischen, usw. revolutionären Kräften mit der Behauptung, die strategische Reflektion bewirke bloß eine „Spaltung“ der RevolutionärInnen, welche nur die Aktion vereinigen könne. Während der Blütezeit des Focismo sagten einige sogar, dass die strategische Reflektion eine «bürgerliche Sorge» sei.
2 Die Debatte wurde vorerst 1918 zwischen Trotzki gegen Stalin und Worochilow und dann 1921 gegen Frunze geführt.
3 Die Frage zu wissen ob die Existenz einer Klassenpartei für die soziale Revolution notwendig ist, ist eine essentielle Frage, die aber weit über den Rahmen dieser Konferenz hinausgeht. Genauso wie dieser Rahmen mit der gleichermaßen wesentlichen Frage gesprengt würde, ob, im Falle der Einschätzung, dass die Partei für die soziale Revolution notwendig ist, die Gründung einer Partei eine notwendige Voraussetzung zur Auslösung der bewaffneten Auseinandersetzungen ist. Der Einfachheit halber verwende ich hier den Begriff «Partei» aber er könnte, je nach Vorlieben, auch «Kraft», «Organisation», «Bewegung», usw. heißen.
4 Kommunistische Partei Belgien
5 Die von den KPs auf diesem neuen Weg erreichten Erfolge sind bedeutend: sie konnten trotz grausamer Repression breite Massen militärisch organisieren. Was die Lehren dieser Erfahrung für die Zukunft einschränkt ist, dass für die KPs nicht die sozialistische Revolution sondern die nationale Befreiung Vorrang hatte: das führte ihnen breite Sektoren des Kleinbürgertums und der BäuerInnenschaft zu, die gegenüber einem Programm der proletarischen Diktatur feindlich eingestellt gewesen wären.
6 Hypothese, die von Kräften der kämpfenden kommunistischen Strömung verteidigt wird.
7 Hypothese, die von einem Teil der marxistisch-leninistisch-maoistischen Strömung verteidigt wird.
8 Hypothese, die von anderen kommunistischen Strömungen verteidigt wird.
9 Der gegebene Augenblick ist nicht unbedingt der gewählte Zeitpunkt: er kann durch eine feindliche Initiative zustande kommen, wie etwa der Gewaltstreich der Nazikräfte 1933 der dem von der KPD vorbereiteten Aufstand zuvorkam.
10 In den bürgerlichen Armeen hat der Soldat bloß das Recht auf die zur Ausführung seines Einsatzes unbedingt notwendigen Informationen. Er gehorcht den Befehlen weil er gedrillt wurde, es zu tun. Murat gab sich nicht die Mühe seinen Husaren irgendetwas zu erklären. Er brüllte ihnen zu: «Richtung: mein Arschloch!» und stürmte an ihrer Spitze auf ihr Ziel los.
11 Der Bürgerkrieg Spaniens bietet zahlreiche Beispiele für die verheerenden Auswirkungen des «Demokratismus». Wie bei den Kämpfen des Alto de León und von Somosierra im Juli-August 1936, wo die Milizangehörigen sich weigerten einen Angriff durchzuführen ohne ihm nicht vorher durch Händehochheben zugestimmt zu haben … Die Milizen waren zahlenmäßig, moralisch, materiell und von der Position her überlegen und sie wurden trotzdem von den von faschistischen Offizieren befehligten regulären Einheiten geschlagen. Die Frage des «Demokratismus» steht im Zentrum des Angriffes von Lin Piao während der Kulturrevolution.
12 So ist, zum Beispiel, die Initiative nur dann etwas wert, wenn die zu ihrer Erhaltung notwendigen Mittel vorhanden sind: die Kommune von Paris hatte die Initiative gegen Versailles ergriffen, aber beim ersten Rückschlag erwies sich, dass sie die Mittel für ihren Aufrechterhaltung nicht hatte. Ebenso ist die Überraschung wertlos wenn von ihr keinen Gebrauch gemacht werden kann, usw.
13 Die Allgemeingültigkeit des Prinzips der Kräfteeinteilung begründet die strategische Bedeutung der Guerilla. Die Guerilla (mehr noch die Stadt- als die Landguerilla) gewährt einen optimalen Gebrauch von schwachen Kräften und zwingt den Feind unzählige Kräfte zur Bewachung von potentiellen Zielen zu verzetteln — folglich auf dieses Prinzip zu verzichten. Aber wenn die Guerilla auch zum Vornherein in den Genuss des Vorteiles des Prinzips der
Einteilung der Kräfte kommt, so kann und muss dieses Prinzip in der Verteilung und im Einsatz ihrer Kräfte von der Guerilla bewusst angewendet werden. Wenn der Aufstand (oder „Kraftakt“) die erforderten Bedingungen zur Überraschung vereinigt, so hat er auch den Vorteil jenes Prinzips, dass schwache aber bewusst eingesetzte Kräfte einen zahlenmäßig überlegenen feindlichen Apparat zerschlagen können: die aufständischen Kräfte nehmen gewisse Orte, lassen aber einige andere provisorisch in den Händen feindlicher Abteilungen, sie konzentrieren sich auf bestimmte Punkte und das in Momenten des entscheidenden Kampfes wenn ein Teil der Kräfte des überraschten Feindes ausruhen, usw. Das Prinzip der Kräfteeinteilung hat aber auch seine Grenzen:
sie kann nicht alle Ungleichheiten der Kräfteverhältnisse notdürftig beheben.
14 In der chinesischen Volksbefreiungsarmee waren diese Thesen im System «der vier Vorränge» geordnet:
Vorrang des Menschen über das Material, der politischen Arbeit über die anderen Aktivitäten, der ideologischen Arbeit über die anderen Aspekte der politischen Arbeit, der lebendigen Ideen über die Buchwissensideen in der ideologischen Arbeit.
15 Die Art und Weise wie Lenin sich gegen die Anklage des „Blanquismus“ verteidigt darf jedoch die Tatsache nicht verstecken, dass die blanquistische Waffenergreifung die mittlere Etappe zwischen dem babeuvistischen Komplott und dem leninistischen Aufstand ist. Das Schimpfwort „blanquist“, das Plechanow und Martow Lenin an den Kopf warfen, hatte nicht im Entferntesten etwas mit dem wirklichen Blanquismus zu tun. Im damaligen politischen Wortschatz bedeutete es eher auf den Komplott als auf die Aktion der Massen zu setzen. In den 70er Jahren wurde auch die deutsche Rote Armee Fraktion (RAF) als angebliche ‚blanquisten’ denunziert.
16 Die Organisation Narodnaja Volja (Volkswille) liquidierte auf dem Höhepunkt der Kämpfe 1981 Zar Alexander II
17 Dieses Prinzip wurde von Mao Tse Tung in Der lange andauernde Volkskrieg und Zhu De in Über die antijapanische Guerilla theoretisiert. Aber Giap und die Gesamtheit der Vietminh-Führung hießen sie nicht gut, jedenfalls schätzten sie diese Strategie als der vietnamesischen Lage nicht entsprechend ein. Die begrenzte Anzahl der Kräfte des Vietminh haben sie oft dazu gezwungen, auf taktischer Ebene im Verhältnis eins zu eins zu kämpfen; die Überraschung, die bessere Kenntnis des Terrains und die Operativqualitäten der Truppen (Vorbereitung zur angewendeten Kampfstärke und zum revolutionäres Heldentum) genügten um den Unterschied zu machen.
18 Das Konzept des ELN (Ejercito Liberacion Nacional) 1967 in Bolivien tendierte in diese Richtung
19 Diese Theoretisierung durch die Systematisierung der Besonderheiten (oft empirisch entstanden und oft Folge oder Ausdrücke der Schwächen der lateinamerikanischen revolutionären Bewegung) ist die Quelle vieler Verwirrungen. Diese Vorgehensweise erlaubte es dem wichtigsten Theoretiker des Focismo, Régis Debray, die leninistisch-maoistischen Thesen zu entsorgen (wie die Rolle der Klassenpartei), obwohl sie von jenem, der selbst nach Debray die focistische «Revolution in der Revolution» verkörpert, hoch und heilig gehalten wurde: Che Guevara.
20 Vor allem in Mindanao verwarf die NPA Anfangs der 80iger Jahre die Strategie des lange andauernden Volkskriegs und forcierte auf subjektivistische Weise den Übergang von der «defensiven» Phase zur Phase der «strategischen Gegenoffensive». Die kleinen, beweglichen und gut in der Bevölkerung verwurzelten Einheiten der NPA wurden zu früh zu Bataillonen zusammengeführt, worin Kader der philippinischen KP militärische Verantwortungen übernehmen mussten, für die sie nicht genügend vorbereitet waren. Die politischen Untergrundstrukturen der Partei wurden damit sehr geschwächt und die großen NPA-Bataillone waren einfach auszumachen und ein Feind, der weit weg vom Zusammenbruch war, fügte ihnen schwere Verluste zu.
21 In unserer vorhergehenden Debatte (über das Dokument welches der KPI(n) wurden wir dazu gebracht über die These zu reflektieren, dass die bolschewistische Partei «ohne es zu wissen» eine Volkskriegstrategie geführt habe — wobei der Aufstand 1917 der dritten Phase (verallgemeinerte Offensive) dieser Strategie entspricht. Es ist eine sehr anregende Reflexion aber wir haben die historische Prüfung zur Messung des Wahrheitsanteils dieser originellen These noch nicht durchgeführt. Hier eine der Fragen, auf die wir antworten werden müssen: kann die Linie der bolschewistischen Partei 1905 bis 1917 teilweise mit derjenigen des lange andauernden Volkskrieges identifiziert werden? Wenn ja, hatte die Partei ihre Entwicklung diesem Teil ihrer Geschichte zu verdanken? Die bolschewistische Partei führe den bewaffneten Kampf (Ausbruch von Militanten, Liquidierung von Spitzeln, Finanzierungsaktionen), aber welche war die objektive und subjektive Wirklichkeit (Bedeutung in den Augen der Kader, der Militanten, der Massen) dieses bewaffneten Kampfes? Und gab es 1908 bis 1917 noch andere Erfahrungen von bewaffnetem Kampf?
22 Das ist nicht ausschließlich DogmatikerInnen vorbehalten. Wir sahen es in unserer vorhergehenden Debatte:
die KPI(n) beansprucht in der «ersten Phase» des Volkskriegs zu sein obwohl sie nicht einmal eine bewaffnete Aktion durchgeführt hat, und nicht genug damit, dazu grenzt sie sich auch noch von Kräften ab (wie der italienischen Roten Brigaden BR), die solche durchführen. Je nach Vertrauen in die revolutionäre Aufrichtigkeit der KPI(n) handelt es sich entweder um einen Missbrauch der Sprache (da Krieg, nach Clausewitz, vom Einsatz des bewaffneten Kampfes geprägt ist) oder um politische Hochstapelei.
23 Was nicht heißt, dass, wie in der Tschechoslowakei 1948, außerordentliche geschichtliche Möglichkeiten nicht ausgenützt werden sollen.
24 Ist der Sieg des Oktoberaufstands 1917 eine durch die extreme Schwäche des Regimes ermöglichte historische Ausnahme, oder der Sieg des lange andauernden Volkskriegs in China und in Indochina zwei mit dem entscheidenden Vorhandensein von Faktoren des antifeudalen Kampfes und des nationalen Befreiungskampfes verbundene Ausnahmen?
25 Die nepalesische Entsprechung zu “ Gonzalos Denken “ ist der „Weg von Prachanda“.
26 Wie in China oder Indochina, wo die Kommunistische Partei Pacht, Wucher, usw. einschränkte um die Interessen der armen BäuerInnen zu schützen. Wie heute in Kolumbien, wo in den Stützpunkten der FARC die Drogenhändler den Bauern einen garantierten Preis (und den FARC eine Steuer) entrichten müssen, während in den paramilitärisch kontrollierten Regionen die Drogenhändler den weißen Terror (beginnend mit der systematischen Eliminierung der bäuerlichen GewerkschafterInnen) zur Durchsetzung von lächerlich tiefe Preise verüben.
27 Was nicht heißt, dass ein Festklammern um jeden Preis notwendig ist. Befreite Gebiete können evakuiert werden sobald der militärische Druck zu stark ist. Wovon der «Lange Marsch» zeugt.
28 Der Grundbegriff Stützpunkt ist bei Mao Tse Tung sehr flexibel, der von «nachhaltigen Stützpunkten», von «befristeten Stützpunkten», von «jahreszeitlichen Stützpunkten», von Stützpunkten «für kleine Einheiten», und sogar von «mobilen Stützpunkten» spricht…
29 Die Formel ist von General Giap.
30 Initiative heißt nicht Offensive. Es gibt verzweifelte Offensiven als Ausdruck eines Verlustes der Initiative (die der Flucht nach vorne angehören), und kühne Rückzuge zum Erhalt derselben (wie der Lange Marsch).
31 Wie es General Beaufre definiert hat: eine Einsatzform, die von ihrer Kraft her den Einsätzen des klassischen Krieges gleicht, aber sich hinsichtlich ihres Vorgehens im Kampf völlig davon unterscheidet: die Große Guerilla manövriert mit bedeutenden Mitteln aber mit derselben sorgfältigen Geheimhaltung, Überraschung und Ausweichmanöver wie die gewöhnliche Guerilla.