12.03.1957 // Reden
Mao Zedong // Rede auf der Landeskonferenz der Kommunistischen Partei Chinas über Propagandaarbeit

Rede auf der Landeskonferenz der Kommunistischen Partei Chinas über Propagandaarbeit

12.03.1957

Kameraden! Die Konferenz ist gut verlaufen. Viele Fragen wurden hier aufgeworfen, und dadurch haben wir vieles erfahren. Nun möchte ich zu den von euch erörterten Fragen meine Meinung äussern.

Wir erleben jetzt eine Periode großer gesellschaftlicher Wandlungen. Die chinesische Gesellschaft macht seit langem große Veränderungen durch. Die Periode des Widerstandskrieges gegen die japanische Aggression brachte eine große Veränderung, ebenso wie die des Befreiungskrieges. Aber ihrem Wesen nach geht die gegenwärtige Veränderung tiefer als die früheren. Heute bauen wir den Sozialismus auf. Hunderte Millionen Menschen werden in die Bewegung für die sozialistische Umgestaltung einbezogen. Im ganzen Land verändern sich die Wechselbeziehungen zwischen den Klassen. Sowohl beim Kleinbourgeoise in der Landwirtschaft und im Handwerk als auch bei der industriellen und Handelsbourgeoisie sind Umwandlungen vor sich gegangen. Das sozialökonomische System hat eine Veränderung erfahren: Die Einzelwirtschaft hat sich in eine kollektive Wirtschaft verwandelt und das kapitalistische Privateigentum verwandelt sich in sozialistisches Gemeineigentum. Solche große Veränderungen spiegeln sich natürlich auch im Denken des Menschen wider. Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Auf diese großen Veränderungen im Gesellschaftssystem reagieren die Angehörigen der verschiedenen Klassen, Schichten und sozialen Gruppen unterschiedlich. Die breiten Volksmassen begrüßen sie mit starkem Beifall, denn das praktische Leben bestätigt, dass der Sozialismus für China der einzige Ausweg ist. Die alte Gesellschaftsordnung zu stürzen und die neue, die sozialistische Gesellschaftsordnung zu errichten, das ist ein großer Kampf und bedeutet eine gewaltige Veränderung sowohl im sozialen System wie in den Wechselbeziehungen zwischen den Menschen. Man muss sagen, dass die Lage im wesentlichen gesund ist. Doch ist die neue Gesellschaftsordnung eben erst geschaffen worden, und es bedarf noch einer gewissen Zeit, um sie zu konsolidieren. Man darf nicht glauben, dass eine neue Gesellschaftsordnung, sobald sie nur errichtet ist, auch schon vollends gefestigt sei, denn das ist unmöglich. Die neue Ordnung muss schrittweise konsolidiert werden. Ihre endgültige Festigung erfordert, dass man außer der sozialistischen Industrialisierung des Landes und der beharrlichen Weiterführung der sozialistischen Revolution an der wirtschaftlichen Front auch an der politischen und ideologischen Front unermüdlich den mühevollen Kampf für die sozialistische Revolution ausficht und die sozialistische Erziehung durchführt. Dazu ist ferner das Vorhandensein bestimmter internationaler Bedingungen notwendig. Der Kampf für die Festigung des sozialistischen Systems, der Kampf zwischen Sozialismus und Kapitalismus um die Entscheidung, wer wen endgültig besiegt, wird sich bei uns noch über eine sehr lange Geschichtsperiode erstrecken. Aber wir alle müssen einsehen, dass dieses neue sozialistische System zweifelsohne gefestigt werden wird. Wir werden ein sozialistisches Land mit moderner Industrie, moderner Landwirtschaft und moderner Wissenschaft und Kultur aufbauen. Das ist der erste Punkt, über den ich sprechen wollte.

Der zweite betrifft die Lage der Intelligenz in unserem Lande. Wieviel Intellektuelle China hat, darüber gibt es keine genaue Statistik. Nach manchen Schätzungen beträgt die Zahl der Intellektuellen aller Art, einschließlich der hochqualifizierten Geistesschaffenden und der gewöhnlichen Kopfarbeiter, etwa 5.000.000. Unter ihnen ist die überwiegende Mehrheit patriotisch gesinnt; sie lieben die Volksrepublik China und wollen dem Volk und dem sozialistischen Land dienen. Es gibt eine kleine Anzahl von Intellektuellen, die das sozialistische System nicht so sehr lieben und keine so große Freude an ihm haben. Sie haben noch Zweifel über den Sozialismus. Angesichts des Imperialismus verhalten sie sich aber doch patriotisch. Die Zahl jener Intellektuellen, die unserem Staat gegenüber eine feindselige Haltung zeigen, ist verschwindend klein. Diese Leute haben keine Zuneigung zu unserem Staat der Diktatur des Proletariats, hängen vielmehr an der alten Gesellschaft. Sobald sich eine Gelegenheit bietet, stiften sie Unruhe, wollen die Kommunistische Partei stürzen und das alte China wiederherstellen. Das sind Menschen, die, vor die Wahl gestellt, ob sie die proletarische oder die bourgeoise, die sozialistische oder die kapitalistische Linie verfolgen sollen, sich eigensinnig für die Zweite Linie entscheiden. Da diese sich nicht verwirklichen lässt, sin sie in der Praxis bereit, sich dem Imperialismus, dem Feudalismus und dem bürokratischen Kapital zu ergeben. Solche Leute gibt es in den Bereichen der Politik, der Industrie und des Handels, auf dem kulturellen und Bildungssektor, unter Wissenschaftlern und Technikern sowie in religiösen Kreisen; sie sind ultrareaktionär gesinnt. Von den etwa 5.000.000 Intellektuellen machen sie ungefähr 1-3% aus. Die überwiegende Mehrheit der Intellektuellen, mehr als 90% der Gesamtzahl, bekennt sich in verschiedenem Grade zum sozialistischen System. Unter ihnen gibt es noch viele, die sich noch nicht klar darüber sind, wie sie unter dem sozialistischen System arbeiten sollen, wie sie die zahlreichen neuen Fragen zu verstehen, anzugehen und zu beantworten haben.

Über die Haltung der ungefähr 5.000.000 zählenden Intellektuellen zum Marxismus lässt sich wohl folgendes sagen: Zwischen 10 und 20%, darunter die Kommunisten und die mit der Kommunistischen Partei Sympathisierenden, sind mit dem Marxismus relativ gut vertraut, haben festen Boden unter den Füssen und stehen unerschütterlich auf dem proletarischen Standpunkt. Sie bilden zwar eine Minderheit der Gesamtzahl von 5‘000‘000, sind aber ihr kraftvoller Kern. Die meisten Intellektuellen wollen den Marxismus studieren und haben auch etwas gelernt, doch ist ihnen der Marxismus noch fremd; manche von ihnen, die ihm gegenüber noch skeptisch sind und keinen festen Boden unter den Füssen fühlen, geraten ins Schwanken, sobald der Wind stärker bläst und die Wogen höher schlagen. Dieser Teil, der die Mehrheit der fünf Millionen Intellektuellen ausmacht, nimmt noch eine Mittelstellung ein. Diejenigen, die den Marxismus halsstarrig bekämpfen und von Hass gegen ihn erfüllt sind, bilden eine verschwindende Minderheit. Manche missbilligen Zwar nicht offen den Marxismus, lehnen ihn aber in der Praxis ab. Es wird noch sehr lange Zeit solche Leute geben, deren ablehnende Haltung wir tolerieren müssen. So ist es beispielsweise möglich, dass Vertreter des Idealismus sich wohl zum politischen und wirtschaftlichen System des Sozialismus bekennen, obwohl sie die marxistische Weltanschauung missbilligen. Das gleiche gilt für religiös eingestellte Patrioten. Sie glauben an Gott, wir aber sind Atheisten. Wir dürfen sie nicht dazu zwingen, die marxistische Weltanschauung anzunehmen. Kurz gesagt, in bezug auf die Haltung der 5‘000‘000 Intellektuellen gegenüber dem Marxismus kann man etwa folgendes sagen: Jene, die ihn billigen und mit ihm verhältnismäßig gut vertraut sind, bilden eine Minderheit, ebenso auch jene, die gegen ihn eingestellt sind; die Mehrzahl der Intellektuellen billigt zwar den Marxismus, hat sich aber mit ihm noch nicht vertraut gemacht, wobei ihre Billigung des Marxismus sehr unterschiedlichen Grades ist. Es gibt also drei Standpunkte: entschlossene Anhänger des Marxismus, Schwankende und Gegner. Wir müssen uns damit befreunden, dass diese Lage noch lange Zeit fortbestehen wird. Andernfalls werden wir von den anderen zu viel erwarten und unsere eigenen Aufgaben unterschätzen. Die Kameraden, die sich mit Propagandaarbeit befassen, müssen für den Marxismus werben. Diese Propaganda muss schrittweise betrieben werden, wir müssen eine so gute Arbeit leisten, dass die Menschen den Marxismus gern akzeptieren. Wir dürfen die Menschen nicht zwingen, den Marxismus anzunehmen, sondern müssen sie überzeugen. Wenn im Laufe der nächsten Fünfjahrpläne eine relativ große Zahl unserer Intellektuellen den Marxismus annimmt, wenn eine weitere große Anzahl von ihnen durch die Praxis der Arbeit und des Lebens, durch die Praxis des Klassenkampfes, der Produktion und der Wissenschaft den Marxismus verhältnismäßig gut verstehen lernt, dann ist schon viel getan. Darin liegt gerade unsere Hoffnung.

Drittens: Die Frage der Umerziehung der Intelligenz. Unser Land ist kulturell nicht entwickelt. Die Zahl von ungefähr fünf Millionen Intellektuellen für ein Land von so großen Ausmaßen wie China ist zu klein. Ohne Intelligenz können wir unsere Sache nicht gut machen, deshalb müssen wir uns aufs engste mit der Intelligenz zusammenschließen. Die sozialistische Gesellschaft besteht ihrer sozialen Zusammensetzung nach hauptsächlich aus drei Gruppen von Menschen: aus Arbeitern, Bauern und Intellektuellen. Intellektuelle sind geistig Schaffende. Ihre Arbeit dient dem Volk, d. h. den Arbeitern und Bauern. Intellektuelle können in ihrer Mehrheit für das neue China ebensogut arbeiten wie sie es für das alte China konnten, können sowohl der Bourgeoisie wie dem Proletariat dienen. Als sie dem alten China dienten, leistete ihr linker Flügel Widerstand, während die in der Mitte Stehenden schwankten und lediglich der rechte Flügel fest zum Regime hielt. Jetzt, da sie in den Dienst der neuen Gesellschaft getreten sind, hat sich das Verhältnis umgekehrt: Der linke Flügel tritt entschlossen für die herrschende Ordnung ein, die in der Mitte Stehenden schwanken immer noch (dieses Schwanken in der neuen Gesellschaft ist ein anderes als das in der Vergangenheit), der rechte Flügel ist widersetzlich. Intellektuelle sind auch Erzieher. Unsere Zeitungen wirken täglich erzieherisch auf das Volk ein. Unsere Literaten und Künstler, unsere Wissenschaftler und Techniker, unsere Professoren und Lehrer – sie alle erziehen das Volk, erziehen alle jene, die lernen. Weil sie Erzieher, Lehrer sind, haben sie die Pflicht, zuerst sich selbst erziehen zu lassen. Dies gilt insbesondere für eine Periode, da die Gesellschaftsordnung großen Veränderungen unterworfen ist. In den vergangenen Jahren haben sie eine gewisse marxistische Erziehung erhalten, und manche unter ihnen studierten sehr fleißig und machten weit größere Fortschritte als zuvor. Was jedoch die Mehrzahl der Intellektuellen anbelangt, so ist es noch lange nicht so weit, dass ihre bourgeoise Weltanschauung voll und ganz durch die proletarische ersetzt worden wäre. Es gibt unter ihnen solche, die einige marxistische Bücher gelesen haben und sich selbst für gelehrt halten; aber sie haben sich in Wirklichkeit nicht in das Studium vertieft, das Erlernte hat in ihren Köpfen keine Wurzeln geschlagen, und sie verstehen nicht, es anzuwenden; auch ihr Klassengefühl ist noch das alte geblieben. Es gibt andere Leute, die sehr hochmütig sind. Kaum haben sie einiges gelesen, halten sie sich schon für außergewöhnlich und tragen die Nase hoch; aber wenn die Zeitläufte stürmischer werden, erweist sich ihr Standpunkt als sehr verschieden von dem der Arbeiter und der großen Masse der werktätigen Bauern: Jene Leute sind schwankend, die Arbeiter und die Mehrheit der werktätigen Bauern sind aber standhaft, erstere sind undurchschaubar, letztere kristallklar. Infolgedessen ist es falsch, wenn man die Auffassung vertritt, dass es für die Erzieher nicht mehr nötig sei, sich selbst erziehen zu lassen und weiter zu studieren, wenn man der Ansicht ist, dass die sozialistische Umformung bloß für die anderen, für die Gutsbesitzer und Kapitalisten, für die Einzelproduzenten von Bedeutung sei, dass die Intelligenz die Umerziehung nicht nötig habe. Auch die Intellektuellen brauchen die Umerziehung, und zwar nicht nur jene, die ihren Standpunkt im wesentlichen noch nicht geändert haben, sondern alle müssen studieren und sich umerziehen. Wenn ich sage: alle, so sind auch wir hier Anwesende mit eingeschlossen. Die Umstände ändern sich ständig, deshalb müssen wir studieren, wenn unsere Gedanken stets der neuen Lage entsprechen sollen. Auch solche Menschen, die mit dem Marxismus relativ gut vertraut sind, die einen verhältnismäßig festen proletarischen Standpunkt vertreten, müssen noch weiter lernen, die neuen Dinge in sich aufnehmen, die neu auftauchenden Probleme forschen. Wenn die Intellektuellen all das Unrichtige, das in ihren Köpfen sitzt, nicht ablegen, können sie die Aufgabe, andere zu erziehen, nicht bewältigen. Natürlich können wir nur studieren, während wir andere schulen, müssen wir einerseits Lehrer, andererseits Schüler sein. Will man ein guter Lehrer werden, muss man zuerst ein guter Schüler sein. Vieles kann man allein aus Büchern nicht erlernen, muss man von den Produzenten, den Arbeitern, den armen Bauern und der Unterschicht der Mittelbauern lernen; in den Schulen muss man von den Schülern lernen, von jenen, die selbst Objekt unserer Erziehungsarbeit sind. Meiner Ansicht nach studieren die meisten Intellektuellen gern. Unsere Aufgabe ist es, ihnen, wenn sie aus eigener Initiative studieren, wohlwollend und in geeigneter Weise dabei zu helfen, nicht aber sie mit administrativen Methoden zum Studium zu zwingen.

Viertens: Die Frage der Verbindung der Intelligenz mit den Arbeiter- und Bauernmassen. Die Intellektuellen müssen vor allem die Arbeiter und Bauern verstehen, sich mit ihrem Leben, ihrer Arbeit und Denkweise vertraut machen, da sie den Arbeitern und Bauern dienen wollen. Wir treten dafür ein, dass die Intellektuellen unter die Massen gehen, in die Betriebe sowie aufs Land. Es ist nicht gut, wenn man sein Leben lang keine Arbeiter und Bauern zu Gesicht bekommt. Unsere Staatsfunktionäre, Schriftsteller, Künstler, Lehrer und Wissenschaftler – sie alle müssen jede nur mögliche Gelegenheit benützen, um mit den Arbeitern und Bauern in Berührung zu kommen. Die einen werden sich einmal in den Betrieben und Dörfern umsehen; zwar heißt das: „Betrachten hoch zu Pferde das Blümlein auf der Erde“, doch ist es besser als nichts. Die anderen werden einige Monate in den Fabriksiedlungen und Dörfern Aufenthalt nehmen, dort Forschungsarbeit leisten und sich mit den Arbeitern und Bauern anfreunden; das bedeutet dann: „Vom Pferd heruntersteigen, zur Blume hin sich neigen“. Wieder andere werden dort eine längere Zeitspanne hindurch, z. B. zwei bis drei Jahre oder mehr, wohnen und arbeiten; das nennt man dann: „sich häuslich niederlassen“. Es gibt Intellektuelle, die eigentlich unter den Arbeitern und Bauern leben; so sind beispielsweise die Industrietechniker in den Fabriken und Werken tätig, und arbeiten die Agrartechniker und Dorfschullehrer auf dem Lande. Sie sollen ihre Arbeit vortrefflich verrichten und mit den Arbeitern und Bauern enge Fühlung halten. Wir wollen den Kontakt mit den Arbeiter- und Bauernmassen zu einer ständigen Einrichtung machen, d. h. wir wollen, dass sehr viele Intellektuelle in der geschilderten Weise verfahren. Natürlich können es nicht alle 100% sein, denn manche Personen werden aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage sein, in die Betriebe oder aufs Land zu gehen; aber wir hoffen, dass möglichst viele Menschen das tun werden. Es geht auch nicht, dass dies alle auf einmal tun, sondern es muss gruppenweise in Turnussen geschehen. Wir ließen seinerzeit in Yenan die Intellektuellen unmittelbar mit den Arbeitern und Bauern Fühlung nehmen. Damals herrschte in Yenan unter vielen Intellektuellen eine, große ideologische Verwirrung, und es gab allerlei sonderbares Gerede. Wir beriefen eine Sitzung ein und rieten allen, unter die Massen zu gehen. Viele von ihnen handelten danach und kamen zu guten Ergebnissen. Wenn die Kenntnisse, die die Intellektuellen aus den Büchern gewonnen haben, nicht mit der Praxis verbunden werden, sind sie nicht vollständig, beziehungsweise sehr unvollständig. Die Intellektuellen eignen sich die Erfahrungen der früheren Generationen hauptsächlich dadurch an, dass sie Bücher lesen. Natürlich müssen wir Bücher lesen, aber das Bücherlesen allein kann die Fragen nicht lösen. Es ist unbedingt notwendig, die aktuelle Lage zu untersuchen, die praktischen Erfahrungen und die Materialien zu studieren, sich mit den Arbeitern und Bauern anzufreunden. Es ist nicht leicht, sich mit Arbeitern und Bauern zu befreunden. Manche Leute unter jenen, die jetzt in die Betriebe und Dörfer gegangen sind, haben Erfolge, manche dagegen sind erfolglos. Die unterschiedlichen Ergebnisse erklären sich aus dem Standpunkt, den die Betreffenden eingenommen haben, oder aus ihrem Benehmen, und das ist wieder eine Frage der Weltanschauung. Wir sind dafür, dass hundert Schulen miteinander wetteifern; es kann unter den Wissenschaftlern der verschiedenen Disziplinen viele Gruppen und Schulen geben; doch was die Weltanschauung betrifft, gibt es in der gegenwärtigen Epoche im wesentlichen nur zwei Schulen, die proletarische und die bourgeoise. Man vertritt entweder die proletarische Weltanschauung oder die bourgeoise. Die kommunistische Weltanschauung ist die Weltanschauung des Proletariats, nicht aber die irgendeiner anderen Klasse. Die meisten Intellektuellen von heute kommen aus der alten Gesellschaft, entstammen nicht-werktätigen Familien. Wenn auch einige von ihnen aus Arbeiter- oder Bauernfamilien stammen, so wurden sie dennoch vor der Befreiung bourgeois erzogen, ist ihre Weltanschauung im großen und ganzen doch die bourgeoise, gehören sie noch immer zu den bourgeoisen Intellektuellen. Wenn diese Menschen nicht ihre alte Weltanschauung aufgeben und die proletarische annehmen, dann bleiben ihre Ansichten, ihr Standpunkt und ihre Gefühle verschieden von denen der Arbeiter und Bauern, haben sie mit diesen nichts Gemeinsames, und die Arbeiter und Bauern sagen ihnen dann auch nicht, was ihnen am Herzen liegt. Wenn sich die Intellektuellen mit den Arbeiter- und Bauernmassen verbinden, sich mit ihnen befreunden, dann sind sie in der Lage, den Marxismus, den sie aus Büchern erlernt haben, zu ihrer eigenen Sache zu machen. Man studiert den Marxismus nicht nur aus Büchern, sondern hauptsächlich durch den Klassenkampf, die Arbeitspraxis sowie die Verbundenheit mit den Arbeiter- und Bauernmassen; dadurch kann man ihn erst wirklich erlernen. Wenn unsere Intellektuellen marxistische Bücher gelesen und hierauf dank ihrer Verbundenheit mit den Arbeiter- und Bauernmassen sowie ihrer praktischen Arbeit etwas mehr verstanden haben, dann haben wir alle eine gemeine Sprache, sowohl hinsichtlich des Patriotismus und des sozialistischen Systems als auch hinsichtlich der kommunistischen Weltanschauung. Sobald dies der Fall ist, werden wir alle unsere Arbeit viel besser verrichten.

Fünftens: Über die Ausrichtungsbewegung. Die Ausrichtung bedeutet eine Ausrichtung sowohl der Denk- wie der Arbeitsweise. Innerhalb der Kommunistischen Partei gab es eine solche Bewegung zur Ausrichtung der Denk- und Arbeitsweise während des Widerstandskrieges gegen die japanische Aggression, dann während des Befreiungskrieges und nochmals kurz nach der Gründung der Volksrepublik China.1 Nunmehr hat das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei beschlossen, in diesem Jahr eine Bewegung zur Ausrichtung der Denk- und Arbeitsweise in der Partei zu entfalten. Die außerhalb der Partei stehenden Menschen können freiwillig daran teilnehmen, müssen es aber nicht, wenn sie nicht wollen. Diesmal werden wir an folgender falscher Denkweise und folgendem falschem Arbeitsstil Kritik üben: am Subjektivismus, am Bürokratismus und am Sektierertum. Wir verwenden diesmal auch die gleiche Methode wie während des Widerstandskrieges gegen die japanische Aggression: Es werden zuerst einige Dokumente studiert, worauf jedermann auf Grund des Studiums der Dokumente seine Gedanken und seine Arbeit kontrolliert, Kritik und Selbstkritik übt, die Mängel und Fehler aufdeckt, die Vorzüge und das Richtige entfaltet. Im Laufe dieser Ausrichtungsbewegung muss man in bezug auf die Fehler und Mängel einerseits ernst und gewissenhaft, nicht aber oberflächlich Kritik und Selbstkritik üben und sie unbedingt berichtigen; andererseits muss man die mildere Methode anwenden: „Kritisiere begangene Fehler, damit sie nicht wiederholt werden“ und „Bekämpfe die Krankheit, um den Patienten zu heilen“, wogegen die Methode „Schlag ihn mit dem Knüppel tot“ abzulehnen ist.

Unsere Partei ist eine große Partei, eine ruhmreiche Partei, eine Partei, die das Richtige sagt und tut. Darüber kann es keinen Zweifel geben. Ebensowenig kann man aber bestreiten, dass es bei uns noch Mängel gibt. Man soll nicht alles bei uns bejahen, sondern nur das Richtige; zugleich soll man auch nicht alles bei uns negieren, sondern nur das Falsche. In unserer Arbeit sind die Erfolge die Hauptsache; doch gibt es in ihr auch nicht wenig Mängel und Fehler. Deshalb führen wir eine Bewegung zur Ausrichtung der Denk- und Arbeitsweise durch. Wird unsere Partei nicht ihre Autorität einbüßen, wenn wir Unseren eigenen Subjektivismus, Bürokratismus und unser eigenes Sektierertum kritisieren? Ich sage, nein. Ganz im Gegenteil, das Ansehen der Partei wird dadurch steigen. Die Ausrichtungsbewegung während des Widerstandskrieges gegen die japanische Aggression ist ein Beweis dafür. Sie erhöhte die Autorität sowohl der Partei wie auch der Kameraden; sie hob das Ansehen der alten Funktionäre, und auch die neuen Funktionäre machten dadurch große Fortschritte. Wenn man die Kommunistische Partei mit der Kuomintang vergleicht, welche der beiden Parteien fürchtet eine Kritik? Die Kuomintang fürchtet sie. Sie ließ sich nicht kritisieren, konnte sich aber letzten Endes nicht vor ihrer Niederlage retten. Die Kommunistische Partei hat vor keiner Kritik Angst, weil wir Marxisten sind, weil die Wahrheit auf unserer Seite ist und die Hauptmassen der Arbeiter und Bauern uns unterstützen. Wir haben einmal gesagt, dass die Bewegung zur Ausrichtung der Denk- und Arbeitsweise eine „allgemeine marxistische Erziehungsbewegung“2 ist. Der Sinn dieser Ausrichtungsbewegung besteht darin, dass die ganze Partei durch Kritik und Selbstkritik den Marxismus studiert. Im Laufe dieser Bewegung werden wir den Marxismus bestimmt noch besser verstehen lernen.

Chinas Erneuerung und sein Aufbau hängen von uns ab, die wir für die Führung verantwortlich sind. Wenn wir unsere Denk- und Arbeitsweise in Ordnung gebracht haben, können wir um so mehr Initiative bei der Arbeit entfalten, unsere Fähigkeiten steigern und unsere Arbeit noch besser machen. Unser Land benötigt viele Menschen, die dem Volk und dem Sozialismus aus ganzem Herzen dienen, die zur Mitarbeit an diesem Erneuerungswerk entschlossen sind. Wir Kommunisten sollen sämtlich solche Menschen sein. In der Vergangenheit, im alten China, wurden diejenigen, die von einer Erneuerung sprachen, als Verbrecher angesehen, geköpft oder ins Gefängnis geworfen. Selbst zu jener Zeit gab es entschlossene Reformatoren, die keine Angst hatten, die unter allerlei schwierigen Bedingungen Bücher und Zeitungen herausgaben, das Volk erzogen und organisierten und einen kompromisslosen Kampf führten. Die Staatsmacht der Diktatur der Volksdemokratie bahnt unserer Wirtschaft und Kultur einen Weg zur raschen Entwicklung. Es sind erst kaum ein paar Jahre vergangen, seit unsere Staatsmacht errichtet wurde, aber man kann immerhin sowohl in der Wirtschaft wie auch im Kulturleben, im Erziehungswesen und in der Wissenschaft ein beispielloses Aufblühen wahrnehmen. Um unser Ziel – den Aufbau eines neuen China – zu erreichen, scheuen wir Kommunisten keine Schwierigkeiten. Aber dazu reicht unsere Kraft allein noch nicht aus. Wir brauchen noch eine große Anzahl willensstarker und gutgesinnter Menschen, die, obwohl sie unserer Partei nicht angehören, zusammen mit uns furchtlos für die Umgestaltung und den Aufbau unserer Gesellschaft in der Richtung auf den Sozialismus und Kommunismus kämpfen können. Es ist eine beschwerliche Aufgabe, das mehrere Hundert Millionen Menschen zählende chinesische Volk einem glücklichen Leben zuzuführen, unser wirtschaftlich und kulturell zurückgebliebenes Land zu einem reichen, mächtigen und kulturell hochentwickelten Land aufzubauen. Der Grund, warum wir heute wie in der Zukunft Bewegungen zur Ausrichtung der Denk- und Arbeitsweise entfalten, und warum wir ununterbrochen das, was bei uns fehlerhaft ist, ausmerzen, besteht darin, dass wir uns in die Lage versetzen wollen, diese Aufgabe noch besser zu erfüllen und mit den außerhalb unserer Partei stehenden Menschen, die zur Mitarbeit an dem Erneuerungswerk entschlossen sind, noch besser zusammenzuarbeiten. Radikale Materialisten sind unerschrockene Leute, und so hoffen wir, dass die gemeinsam mit uns kämpfenden Menschen mutig Verantwortlichkeiten auf sich nehmen, Schwierigkeiten überwinden, keine Angst vor einem Fehlschlag haben, Klatsch und Spott nicht fürchten und auch ohne Scheu uns Kommunisten kritisieren beziehungsweise uns Vorschläge machen werden. „Wer keine Angst vor Vierteilung hat, wagt es, den Kaiser vom Pferde zu zerren“; im Kampf für den Sozialismus und Kommunismus müssen wir eine Furchtlosigkeit von so hohem Grade haben. Was uns Kommunisten betrifft, so müssen wir unseren Mitarbeitern günstige Bedingungen schaffen, mit ihnen Beziehungen bester kameradschaftlicher Zusammenarbeit herstellen, uns mit ihnen für den gemeinsamen Kampf zusammenschließen.

Sechstens: Die Frage der Einseitigkeit. Einseitigkeit heißt gedankliche Verabsolutierung, heißt an die Fragen metaphysisch herangehen. Bezüglich unserer Arbeit bedeutet es eine Einseitigkeit, wenn man alles bejaht oder alles verneint. Menschen, die eine Frage auf diese Weise betrachten, gibt es jetzt noch innerhalb der Kommunistischen Partei nicht wenig, und außerhalb ihrer Reihen gibt es ihrer sehr viel. Alles bejahen heißt nur das Gute wahrnehmen und das Schlechte übersehen, nur Lob zulassen, nicht aber Kritik. Wenn man sagt, dass in unserer Arbeit alles gut ist, so entspricht das nicht den Tatsachen. Es stimmt nicht, dass alles gut ist, es gibt noch Mängel und Fehler. Aber es stimmt auch nicht mit den Tatsachen überein, wenn man alles für schlecht erklärt. Man muss die Dinge analysieren. Alles verneinen heißt, dass man, ohne eine Analyse vorzunehmen, alles, was man gemacht hat, für verfehlt hält, dass man an der großen Sache des sozialistischen Aufbaus, an dem großen Kampf hunderter Millionen Menschen gleichsam kein gutes Haar lässt und in all dem ein einziges Chaos sieht. Viele von jenen, die eine solche Auffassung vertreten, unterscheiden sich zwar von den Leuten, die dem sozialistischen System feindlich gesinnt sind; aber diese Auffassung ist vollkommen falsch, sehr schädlich, sie ist nur geeignet, die Menschen mutlos zu machen. Alles in unserer Arbeit bejahen oder alles verneinen, ist gleichermaßen falsch. Wir müssen an denen, die die Fragen einseitig betrachten, Kritik üben und ihnen helfen, wobei wir natürlich die Methode anwenden müssen: „Kritisiere begangene Fehler, damit sie nicht wiederholt werden“ und „Bekämpfe die Krankheit, um den Patienten zu heilen“.

Manche sagen, da wir nun unsere Denk- und Arbeitsweise ausrichten wollen und alle auffordern, ihre Meinung zu äußern, sei Einseitigkeit unvermeidlich; wenn wir von einer Überwindung der Einseitigkeit sprechen, so habe es den Anschein, als wollten wir die Leute gar nicht zu Wort kommen lassen. Ist diese Auffassung richtig? Es ist selbstverständlich schwer, von allen zu verlangen, dass sie nicht die geringste Einseitigkeit mit sich bringen. Manchmal ist es unvermeidlich, dass man eine gewisse Einseitigkeit an den Tag legt, weil man immer auf Grund der eigenen Erfahrungen Fragen betrachtet, Fragen löst, seine Meinung äußert. Aber sollen wir denn die Menschen nicht auffordern, schrittweise die Einseitigkeit zu über- winden und die Fragen möglichst allseitig zu betrachten? Meiner Meinung nach sollen wir das. Wenn wir das aber nicht tun, wenn wir uns nicht zum Ziel setzen, dass von Tag zu Tag, von Jahr zu Jahr immer mehr Menschen dazu übergehen, die Fragen so gut es geht von allen Seiten zu betrachten, dann bedeutet das, dass wir auf der Stelle treten, dass wir die Einseitigkeit befürworten, dass wir den Erfordernissen der Bewegung zur Ausrichtung der Denk- und Arbeitsweise zuwiderhandeln. Einseitigkeit ist ein Verstoß gegen die Dialektik. Wir fordern, dass die Dialektik Schritt für Schritt verbreitet wird, dass allmählich alle Menschen die Dialektik, diese wissenschaftliche Methode, anwenden lernen. Manche Schriften von heute sehen sehr anspruchsvoll aus, sind aber inhaltslos, enthalten keine Analysen und keine Argumente, haben deswegen keine Überzeugungskraft. Solche Schriften sollte es immer weniger geben. Wenn man einen Artikel schreibt, darf man sich nicht über die Leser erhaben dünken, sondern muss man sie als völlig gleichgestellt betrachten. Du mögest dich noch so lange mit der revolutionären Sache befasst haben, so wird man dich dennoch widerlegen, sobald du etwas Falsches sagst. Je arroganter du auftrittst, desto weniger Rücksicht nimmt man auf dich, desto weniger lesenswert findet man deine Artikel. Wir müssen gewissenhaft unsere Arbeit verrichten, die Dinge analysieren, überzeugende Artikel schreiben, dürfen aber keineswegs mit Wichtigtuerei die anderen einzuschüchtern versuchen.

Man sagt, dass wohl in umfangreichen Schriften Einseitigkeit vermieden werden könne, in kleinen Essays dies aber nicht möglich sei. Muss denn ein Essay unbedingt einseitig sein? Wie ich oben erwähnt habe, ist Einseitigkeit oft unvermeidlich und manchmal auch nicht von Bedeutung. Es würde die Entfaltung der Kritik behindern, wollten wir von allen fordern, die Fragen vollkommen allseitig zu betrachten. Aber wir sollten uns bemühen, die Fragen nach Möglichkeit von allen Seiten zu betrachten, und beim Schreiben der Arbeiten, seien es umfangreiche oder kleinere, darunter auch Essays, darauf sehen, dass sie nicht einseitig aus- fallen. Manche fragen, wie man in einem kurzen Essay, das nur einige Hundert oder 1-2‘000 Wörter enthält, Analysen vornehmen solle. Aber ich frage:

Warum denn nicht? Hat Lu Hsün denn nicht gerade das getan? Die Methode, die bei einer Analyse angewendet werden soll, ist die dialektische Methode. Eine Analyse bedeutet, dass die den Dingen innewohnenden Widersprüche analysiert werden. Man kann ja keine treffende Analyse vornehmen, wenn man mit dem Leben nicht vertraut ist, wenn man die behandelten Widersprüche nicht wirklich verstanden hat. Die Essays, die Lu Hsün in seiner späteren Periode verfasst hat, sind tiefgehend und treffend, frei von Einseitigkeit, weil er sich damals schon die Dialektik angeeignet hatte. Manche der Schriften Lenins könnten auch zur Kategorie der Essays gerechnet werden; sie sind sowohl ironisch wie pointiert gehalten, aber von Einseitigkeit ist in ihnen nichts zu sehen. Die Essays Lu Hsüns sind meistens gegen den Feind gerichtet, während die Lenins sich teils gegen den Feind, teils gegen Kameraden wenden. Kann man mit Essays, wie sie Lu Hsün geschrieben hat, Fehler und Mängel, die im Volk auftreten, kritisieren? Ich meine, ja. Dabei muss man natürlich einen deutlichen Unterschied zwischen dem Feind und unseren eigenen Reihen machen, darf keineswegs eine feindselige Haltung einnehmen und Genossen wie Feinde behandeln. Man muss, wenn man das Wort ergreift, im Sinne haben, begeistert die Sache des Volkes zu verfechten, das Bewusstsein des Volkes zu heben, nicht aber andere zu verspotten oder zu attackieren.

Was soll man tun, wenn jemand nicht wagt, einen Artikel zu schreiben? Manche sagen, sie hätten es nicht gewagt, einen Artikel zu schreiben, weil sie befürchteten, andere zu beleidigen oder von anderen kritisiert zu werden. Meiner Ansicht nach kann man solche Bedenken ablegen. Unsere Staatsmacht ist eine Volksdemokratie, die für eine dem Volk dienliche schriftstellerische Tätigkeit günstige Voraussetzungen bietet. Die Richtlinie „Lasst hundert Blumen blühen, lasst hundert Schulen miteinander wetteifern!“ bietet eine neue Garantie für die Entwicklung von Wissenschaft und Kunst. Wenn das, was du geschrieben hast, richtig ist, dann brauchst du keine Kritik zu fürchten, dann kannst du durch eine Diskussion deine richtige Ansicht nur noch klarer darlegen. Wenn das, was du geschrieben hast, Fehler aufweist, dann wird dir die Kritik helfen, sie zu berichtigen, und daran ist doch nichts Schlechtes. In unserer Gesellschaft ist die revolutionäre, kämpferische Kritik und Gegenkritik eine gute Methode, mit der wir die Widersprüche aufdecken und lösen, Wissenschaft und Kunst entwickeln, auf den mannigfaltigsten Gebieten gute Arbeit leisten.

Siebentens: Soll man eine freie Meinungsäußerung blühen lassen oder sie drosseln? Das ist eine Frage des politischen Kurses. Die Richtlinie „Lasst hundert Blumen blühen, lasst hundert Schulen miteinander wetteifern!“ ist von grundlegender Bedeutung und hat langfristige, nicht zeitweilige Geltung. In der Diskussion haben sich Kameraden mit dem „Drosseln“ nicht einverstanden erklärt, ich halte ihren Standpunkt für durchaus richtig. Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei vertritt die Ansicht, dass man eine freie Meinungsäußerung nicht drosseln darf, sondern sie blühen lassen muss.

Bei der Führung unseres Staates kann man zwei verschiedene Methoden anwenden oder, mit anderem Wort, zwei verschiedene Richtlinien befolgen: „Blühenlassen“ oder „Drosseln“. „Blühenlassen“ bedeutet, dass man alle Menschen ihre Meinungen ungeniert zum Ausdruck bringen lässt, dass man sie ermutigt zu sprechen, zu kritisieren und zu debattieren; dass man falsches Gerede und giftiges Zeug nicht fürchtet; dass Meinungskampf und gegenseitige Kritik gefördert werden; dass sowohl Kritik wie Gegenkritik frei geübt werden; dass man falsche Ansichten nicht unterdrückt, sondern diejenigen, die falsche Ansichten vertreten, mit Argumenten überzeugt. „Drosseln“ bedeutet, dass man den Menschen nicht erlaubt, abweichende Ansichten auszusprechen; dass man sie ihre fehlerhaften Ansichten nicht äußern lässt; dass man jene, die sie äußern, sozusagen „mit dem Knüppel totschlägt“. Diese Methode führt nicht zur Lösung der Widersprüche, sondern zu ihrer Vergrößerung. „Blühenlassen“ oder „Drosseln“? Zwischen diesen beiden Richtlinien muss man wählen. Wir halten uns an die erste Richtlinie, weil sie dazu beiträgt, dass unser Staat sich festigt und das Kulturleben sich entfaltet.

Wir sind bereit, uns mittels dieser Richtlinie mit einigen Millionen Intellektuellen zusammenzuschließen, und deren gegenwärtige Physiognomie zu verändern. Wie ich oben erwähnt habe, wollen unsere Intellektuellen in ihrer überwältigenden Mehrheit Fortschritte machen und sich umgestalten, und sie sind auch dazu imstande. Dabei spielt der von uns eingeschlagene Kurs auf das „Blühenlassen“ eine große Rolle. Das Intellektuellenproblem ist vor allem ein Problem der Ideologie; es ist nur von Schaden, wenn man in bezug auf ideologische Fragen zu groben Mitteln greift und Zwangsmaßnahmen trifft. Die Umgestaltung der Intellektuellen, insbesondere die Änderung ihrer Weltanschauung, ist ein langwieriger Prozess. Unsere Kameraden müssen verstehen, dass die ideologische Umerziehung eine auf lange Frist berechnete, mit Geduld und Sorgfalt durchzuführende Arbeit ist, dass es nicht gelingen kann, durch ein paar Lektionen, durch einige Sitzungen allein die im Jahrzehnte dauernden praktischen Leben herausgebildete Ideologie anderer Menschen zu ändern. Man kann andere nur durch Argumente überzeugen, nicht durch Zwang. Zwangsmaßnahmen haben nur zur Folge, dass der, gegen den sie angewandt werden, nicht überzeugt wird. Mit Gewalt kann man Menschen nicht gewinnen. So kann man gegen Feinde vorgehen, nie darf man aber gegenüber Genossen und Freunden solche Methoden anwenden. Was ist nun, wenn man nicht zu überzeugen versteht? Man lernt es. Wir müssen es erlernen, durch Debatte und Argumentation falsche Ansichten zu überwinden.

Die Losung „Lasst hundert Blumen blühen!“ fördert die Entwicklung der Kunst, während die Parole „Lasst hundert Schulen miteinander wetteifern!“ zur Entwicklung der Wissenschaft beiträgt. Die Richtlinie „Lasst hundert Blumen blühen, lasst hundert Schulen miteinander wetteifern!“ ist nicht nur eine gute Methode für die Entfaltung von Wissenschaft und Kunst, sondern auch, in noch größerem Umfang gesehen, eine gute Methode für unsere Arbeit auf allen Gebieten. Diese Methode kann uns helfen, weniger Fehler zu begehen. Viele Angelegenheiten sind uns noch fremd, deshalb sind wir nicht imstande, sie zu erledigen; durch Debatten und Kämpfe können wir uns mit ihnen bekannt machen, erlernen wir die Methode, mit der wir die betreffenden Fragen lösen können. Aus dem Meinungsstreit erwächst die Wahrheit. Auch dem Gift des Antimarxismus gegenüber ist diese Methode anwendbar, denn erst im Kampf mit dem Antimarxismus kann sich der Marxismus entwickeln. Das ist eine Entwicklung, die im Kampf der Gegensätze vor sich geht, eine der Dialektik gemässe Entwicklung.

Spricht man nicht seit jeher von dem Wahren, dem Gütigen und dem Schönen? Ihre Gegensätze sind das Falsche, das Böse und das Hässliche. Ohne diese kann es auch jene nicht geben. Wahrheit und Irrtum sind Gegensätze. In der menschlichen Gesellschaft wie in der Natur ist es immer so, dass eine Einheit in verschiedene Teile zerfällt, wobei diese bloß unter verschiedenen konkreten Bedingungen ihrem Inhalt und ihrer Form nach unterschiedlich sind. Falsche Dinge und hässliche Erscheinungen gibt es stets, zu jeder Zeit. Und stets, zu jeder Zeit ist der Gegensatz zwischen dem Guten und dem Schlechten, dem Gütigen und dem Bösen, dem Schönen und dem Hässlichen vorhanden. Das gleiche gilt für das Verhältnis zwischen duftenden Blumen und giftigem Unkraut. Ihre Beziehungen zueinander sind die der Einheit und des Kampfes von Gegensätzen. Erst wenn man vergleicht, kann man unterscheiden. Und erst die Unterscheidung und der Kampf ermöglichen die Entwicklung. Die Wahrheit erwächst aus dem Kampf gegen den Irrtum. Eben auf diese Weise entwickelt sich der Marxismus. Im Kampf gegen bourgeoise und kleinbourgeoise Ideologien – und nur im Kampf – kann er sich entwickeln.

Wir befürworten den Kurs des „Blühenlassens“, doch blüht gegenwärtig noch zu wenig und nicht zu viel. Man braucht vor freier Meinungsäußerung, vor Kritik und vor giftigem Unkraut keine Angst zu haben. Der Marxismus ist die Wahrheit der Wissenschaft, er fürchtet keine Kritik, durch Kritik kann er nicht zu Fall gebracht werden. Das trifft auch auf die Kommunistische Partei und die Volksregierung zu; auch sie fürchten keine Kritik und können durch Kritik nicht gestürzt werden. Falsche Dinge können zu jeder Zeit vorkommen, sie sind nichts Furchtbares. Neulich sind manche schlechte Stücke auf die Bühne gebracht worden. Einige Kameraden wurden angesichts dieser Situation sehr ungeduldig. Ich meine, es kann auch etwas davon geben; denn sonst würde man bald nicht mehr Gelegenheit haben, so etwas zu sehen, da nach einigen Jahrzehnten all der Mist, der gegenwärtig auf die Bühne kommt, aus der Welt geschafft sein wird. Wir treten für das Richtige ein, kämpfen gegen das Falsche, aber wir brauchen darum keine Sorge zu haben, dass man mit falschen Dingen in Berührung kommt. Es wird keine Frage geregelt, wenn man mit bloßen administrativen Maßnahmen verbieten will, anormale und hässliche Erscheinungen anzurühren, mit einer falschen Ideologie in Berührung zu kommen, schlechte Stücke anzusehen. Ich bin natürlich nicht der Meinung, dass allerlei Unrat verbreitet werden solle, ich meine vielmehr, dass es, wie gesagt, „etwas davon geben kann“. Das Vorhandensein gewisser falscher Dinge ist nichts Seltsames, und man braucht da keine Angst zu haben; es erleichtert vielmehr den Menschen, sie bekämpfen zu lernen. Auch wenn es stürmt und die Wogen hochgehen, muss man sich nicht ängstigen. Gerade unter Stürmen und bei hohem Wellengang entwickelt sich die menschliche Gesellschaft vorwärts.

Bourgeoise und kleinbourgeoise Ideologien sowie anti-marxistische Ideen werden noch lange Zeit in unserem Land fortbestehen. Wir haben bei uns das sozialistische System im wesentlichen errichtet. Was die Umgestaltung des Systems des Eigentums an den Produktionsmitteln betrifft, haben wir schon den fundamentalen Sieg davongetragen; aber an der politischen und ideologischen Front ist der volle Sieg noch nicht errungen. Auf dem ideologischen Gebiet ist die Frage „wer wen?“, d. h. ob das Proletariat die Bourgeoisie besiegt oder umgekehrt, noch nicht wirklich gelöst. Wir werden noch einen langwierigen Kampf gegen die bourgeoisen und kleinbourgeoisen Ideologien zu führen haben. Diese Sachlage nicht zu verstehen und auf den ideologischen Kampf zu verzichten, wäre ein Fehler. Alle irrigen Gedanken, alles giftige Unkraut und alle finsteren Mächte müssen kritisiert werden, und wir dürfen unter keinen Umständen zulassen, dass sie sich beliebig ausbreiten. Aber diese Kritik muss voller Argumente sein, muss Analysen enthalten, muss überzeugen; sie darf nicht grob und bürokratisch oder metaphysisch und dogmatisch sein.

Seit langem wird der Dogmatismus stark kritisiert. Das ist auch erforderlich. Aber man hat oft die Kritik am Revisionismus vernachlässigt. Dogmatismus und Revisionismus sind beide antimarxistisch. Der Marxismus muss sich unbedingt vorwärtsentwickeln, er muss sich mit dem Fortschreiten der Praxis weiterentwickeln, er darf nicht stillstehen. Wenn seine Entwicklung aufhört, wenn er zur alten Garnitur wird, dann hat er keine Lebenskraft mehr. Aber man darf nicht den Grundprinzipien des Marxismus zuwiderhandeln, anderenfalls begeht man Fehler. Den Marxismus von einem metaphysischen Standpunkt aus behandeln, ihn als etwas Starres und Lebloses betrachten – das heißt Dogmatismus. Die Grundprinzipien und allgemeinen Wahrheiten des Marxismus verleugnen – das heißt Revisionismus. Der Revisionismus ist eine Art der bourgeoisen Ideologie. Die Revisionisten verwischen den Unterschied zwischen dem Sozialismus und dem Kapitalismus, den Unterschied zwischen der proletarischen und der bourgeoisen Diktatur. Das, wofür sie eintreten, ist in Wirklichkeit nicht die sozialistische Linie, sondern eine kapitalistische. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen ist der Revisionismus noch schädlicher als der Dogmatismus. Eine unserer vordringlichen Aufgaben an der ideologischen Front ist daher die Entfaltung der Kritik am Revisionismus.

Schließlich der achte Punkt: Die Parteikomitees aller Provinzen, Städte und autonomen Gebiete müssen sich mit den ideologischen Fragen befassen. Manche anwesende Kameraden haben erwartet, dass ich auf diesen Punkt zu sprechen komme. Viele örtliche Parteikomitees befassen sich derzeit noch nicht oder nur wenig mit den ideologischen Fragen. Hauptsächlich ist das dem Zeitmangel zuzuschreiben Aber man muss sich damit befassen. Unter „Befassen“ ist zu verstehen, dass man diese Fragen auf die Tagesordnung setzt und studiert. Die unter Beteiligung breiter Massen geführten großen Klassenkämpfe, die für die Periode der Revolution in unserem Lande charakteristisch waren und stürmisch verliefen, sind im wesentlichen beendet; jedoch der Klassenkampf in der Hauptsache an der politischen und ideologischen Front, dauert an und ist noch sehr heftig. Die ideologischen Fragen gewinnen jetzt besonders an Bedeutung. Der erste Sekretär jedes Parteikomitees muss sich persönlich mit den ideologischen Fragen beschäftigen; erst wenn man diesen Fragen Aufmerksamkeit zugewendet und sie studiert hat, wird man sie richtig lösen können. In allen Gebieten des Landes sollen Konferenzen über Propagandaarbeit wie diese einberufen werden, um über die ideologische Arbeit dieser Gebiete und alle diesbezüglichen Fragen Zu diskutieren. An solchen Konferenzen sollen nicht nur Parteimitglieder teilnehmen, sondern auch außerhalb der Kommunistischen Partei stehende Personen, auch Menschen, die abweichende Ansichten vertreten. Die Erfahrung unserer gegenwärtigen Konferenz bestätigt, dass dies für den Verlauf der Konferenz lediglich von Vorteil, nicht aber von Nachteil ist.

1 Die hier erwähnte Bewegung zur Ausrichtung der Denk- und Arbeitsweise in der Periode des Widerstandskrieges gegen die japanische Aggression wurde im Jahre 1942 innerhalb der Parteiorganisationen in Yenan und in den antijapanischen Stützpunktgebieten in großem Maßstab entfaltet, wobei sie den Kampf gegen Subjektivismus, Sektierertum und Parteischematismus zum Inhalt hatte. Unter der Bewegung zur Ausrichtung der Denk- und Arbeitsweise in der Periode des Befreiungskrieges ist jene Bewegung gemeint, die innerhalb der Parteiorganisationen in den befreiten Gebieten im Jahre 1948, im Zusammenhang mit der Bodenreformbewegung, in breitem Umfang vor sich ging. Die Bewegung zur Ausrichtung der Denk- und Arbeitsweise in der Anfangsperiode der Volksrepublik China ist jene Bewegung, die sich im Jahre 1950 in der gesamten Partei entfaltete, nachdem der Sieg im ganzen Land errungen war. Diese Bewegung zielte darauf ab, einerseits die Erziehung der großen Anzahl neuer Parteimitglieder zu intensivieren, die ideologischen Unreinigkeiten unter ihnen zu beseitigen, andererseits den Hochmut und die Selbstgefälligkeit, die mit dem Sieg im ganzen Land unter den alten Parteimitgliedern aufgekommen waren, sowie den Kommandostil, der sich bei ihnen zu entwickeln begonnen hatte, zu überwinden.

2 Siehe „Über die Produktionstätigkeit der Armee für ihre Selbstversorgung und über die Bedeutung der großen Ausrichtungs- und Produktionsbewegungen“, Ausgewählte Werke Mao Tse-tungs, Band 3, S. 325 ff.