„Krasnaja Swesda“ (Der Rote Stern) Nr. 18, 21. Januar 1930.
Quelle: J. W. Stalin – Gesammelte Werke, Band 12
In Nr. 16 der „Krasnaja Swesda“1 sind in dem im Allgemeinen unstreitig richtigen Artikel „Die Liquidierung des Kulakentums als Klasse“ zwei Ungenauigkeiten in den Formulierungen enthalten. Es scheint mir notwendig, diese Ungenauigkeiten richtig zu stellen.
1. In dem Artikel heißt es:
„In der Wiederherstellungsperiode betrieben wir die Politik der Einschränkung der kapitalistischen Elemente in Stadt und Land. Mit dem Beginn der Rekonstruktionsperiode sind wir von der Politik der Einschränkung zur Politik der Verdrängung der kapitalistischen Elemente übergegangen.“
Diese Behauptung ist falsch. Die Politik der Einschränkung der kapitalistischen Elemente und die Politik ihrer Verdrängung unterscheiden sich nicht voneinander. Das ist ein und dieselbe Politik. Die Verdrängung der kapitalistischen Elemente des Dorfes ist ein unvermeidliches Resultat und ein Bestandteil der Politik der Einschränkung der kapitalistischen Elemente, der Politik der Einschränkung der Ausbeutertendenzen des Kulakentums. Die Verdrängung der kapitalistischen Elemente des Dorfes ist nicht gleichzusetzen mit der Verdrängung des Kulakentums als Klasse. Die Verdrängung der kapitalistischen Elemente des Dorfes ist die Verdrängung und Überwindung einzelner Teile des Kulakentums, die dem Steuerdruck, die dem System der Einschränkungsmaßnahmen der Sowjetmacht nicht standgehalten haben. Es ist klar, dass die Politik der Einschränkung der Ausbeutertendenzen des Kulakentums, die Politik der Einschränkung der kapitalistischen Elemente des Dorfes notwendigerweise zur Verdrängung einzelner Teile des Kulakentums führen muss. Deshalb kann die Verdrängung einzelner Teile des Kulakentums nicht anders betrachtet werden denn als unvermeidliches Resultat und als Bestandteil der Politik der Einschränkung der kapitalistischen Elemente des Dorfes.
Diese Politik wurde bei uns nicht nur in der Wiederherstellungsperiode betrieben, sondern auch in der Periode der Rekonstruktion, auch in der Periode nach dem XV. Parteitag (Dezember 1927), auch in der Periode der XVI. Konferenz unserer Partei (April 1929) wie auch nach dieser Konferenz bis zum Sommer 1929, als wir in die Phase der durchgängigen Kollektivierung eintraten, als der Umschwung zur Politik der Liquidierung des Kulakentums als Klasse eintrat.
Betrachtet man die wichtigsten Parteidokumente, sagen wir vom XIV. Parteitag im Dezember 1925 (siehe die Resolution zum Bericht des ZK2) bis zur XVI. Parteikonferenz im April 1929 (siehe die Resolution „Über die Wege zur Hebung der Landwirtschaft“3), so kann man nicht umhin festzustellen, dass die These von der „Einschränkung der Ausbeutertendenzen des Kulakentums“ oder der „Einschränkung des Wachstums des Kapitalismus im Dorfe“ stets neben der These von der „Verdrängung der kapitalistischen Elemente des Dorfes“, von der „Überwindung der kapitalistischen Elemente des Dorfes“ vorkommt.
Was bedeutet das?
Das bedeutet, dass die Partei die Verdrängung der kapitalistischen Elemente des Dorfes von der Politik der Einschränkung der Ausbeutertendenzen des Kulakentums, von der Politik der Einschränkung der kapitalistischen Elemente des Dorfes nicht trennt.
Der XV. Parteitag wie auch die XVI. Parteikonferenz stehen völlig auf dem Boden der Politik der „Einschränkung der Ausbeuterbestrebungen der landwirtschaftlichen Bourgeoisie“ (Resolution des XV. Parteitags „Über die Arbeit auf dem Lande“4), auf dem Boden der Politik der „Ergreifung neuer Maßnahmen, die die Entwicklung des Kapitalismus im Dorfe einschränken“ (siehe ebenda), auf dem Boden der Politik der „entschiedenen Einschränkung der Ausbeutertendenzen des Kulaken“ (siehe die Resolution des XV. Parteitags über den Fünfjahrplan5), auf dem Boden der Politik der „Offensive gegen den Kulaken“ im Sinne des „Übergangs zu einer weiteren, systematischeren und beharrlicheren Einschränkung des Kulaken und des Privathändlers“ (siehe ebenda), auf dem Boden der Politik der „noch entschiedeneren wirtschaftlichen Verdrängung“ „der Elemente der privatkapitalistischen Wirtschaft“ in Stadt und Land (siehe die Resolution des XV. Parteitags zum Bericht des ZK6).
Also ist da a) der Verfasser des erwähnten Artikels im Unrecht, wenn er die Politik der Einschränkung der kapitalistischen Elemente und die Politik ihrer Verdrängung als voneinander verschieden hinstellt. Die Tatsachen besagen, dass wir es hier mit der einheitlichen Politik der Einschränkung des Kapitalismus zu tun haben, deren Bestandteil und Ergebnis die Verdrängung einzelner Teile des Kulakentums ist.
Also ist b) der Verfasser des erwähnten Artikels im Unrecht, wenn er behauptet, die Verdrängung der kapitalistischen Elemente des Dorfes habe erst in der Periode der Rekonstruktion, in der Periode des XV. Parteitags begonnen. In Wirklichkeit ging die Verdrängung sowohl vor dem XV. Parteitag, in der Wiederherstellungsperiode, vor sich als auch nach dem XV. Parteitag, in der Rekonstruktionsperiode. In der Periode des XV. Parteitags wurde die Politik der Einschränkung der Ausbeutertendenzen des Kulakentums nur durch neue, zusätzliche Maßnahmen verstärkt, und im Zusammenhang damit musste sich auch die Verdrängung einzelner Teile des Kulakentums verstärken.
2. In dem Artikel heißt es:
„Die Politik der Liquidierung des Kulakentums als Klasse ergibt sich gänzlich aus der Politik der Verdrängung der kapitalistischen Elemente und ist die Fortsetzung dieser Politik in einer neuen Etappe.“
Diese Behauptung ist ungenau und daher unrichtig. Es ist klar, dass die Politik der Liquidierung des Kulakentums als Klasse nicht vom Himmel fallen konnte. Sie wurde vorbereitet durch die gesamte vorhergehende Periode der Einschränkung und folglich auch der Verdrängung der kapitalistischen Elemente des Dorfes. Das bedeutet aber noch nicht, dass sie sich nicht von Grund aus von der Politik der Einschränkung (und Verdrängung) der kapitalistischen Elemente des Dorfes unterscheidet, dass sie eine Fortsetzung der Politik der Einschränkung sei. So reden, wie unser Verfasser redet, heißt den Umschwung in der Entwicklung des Dorfes seit Sommer 1929 in Abrede stellen. So reden heißt die Tatsache in Abrede stellen, dass wir während dieser Periode eine Wendung in der Politik unserer Partei im Dorfe vollzogen haben. So reden heißt eine gewisse ideologische Deckung für die rechten Elemente unserer Partei schaffen, die sich jetzt an die Beschlüsse des XV. Parteitags klammern und sich gegen die neue Politik der Partei stellen, genauso wie sich seinerzeit Frumkin an die Beschlüsse des XIV. Parteitags klammerte und sich gegen die Politik der Schaffung und Förderung von Kollektiv- und Sowjetwirtschaften stellte.
Wovon ging der XV. Parteitag aus, als er die Verstärkung der Politik der Einschränkung (und Verdrängung) der kapitalistischen Elemente des Dorfes verkündete? Davon, dass das Kulakentum als Klasse trotz dieser Einschränkung des Kulakentums eine gewisse Zeit lang doch bestehen bleiben muss. Aus diesem Grunde ließ der XV. Parteitag das Gesetz über die Bodenpacht in Kraft, obgleich er sehr wohl wusste, dass die Pächter in ihrer Masse Kulaken sind. Aus diesem Grunde ließ der XV. Parteitag das Gesetz über die Anwendung von Lohnarbeit im Dorfe in Kraft und forderte seine strikte Durchführung. Aus diesem Grunde wurde noch einmal die Unzulässigkeit der Enteignung der Kulaken kundgegeben. Widersprechen diese Gesetze und diese Beschlüsse der Politik der Einschränkung (und Verdrängung) der kapitalistischen Elemente des Dorfes? Gewiss nicht. Widersprechen diese Gesetze und diese Beschlüsse der Politik der Liquidierung des Kulakentums als Klasse? Gewiss! Also wird man diese Gesetze und diese Beschlüsse jetzt in den Gebieten mit durchgängiger Kollektivierung, die täglich und stündlich größere Verbreitung findet, außer Kraft setzen müssen. Übrigens sind sie in den Gebieten mit durchgängiger Kollektivierung durch den Verlauf der kollektivwirtschaftlichen Bewegung bereits außer Kraft gesetzt worden.
Kann man nach alledem behaupten, dass die Politik der Liquidierung des Kulakentums als Klasse die Fortsetzung der Politik der Einschränkung (und Verdrängung) der kapitalistischen Elemente des Dorfes ist? Es ist klar, dass man das nicht kann.
Der Verfasser des erwähnten Artikels vergisst, dass man das Kulakentum als Klasse nicht durch Steuern und allerlei andere Einschränkungsmaßnahmen verdrängen kann, wenn man die Produktionsinstrumente mit dem Recht der freien Bodennutzung in den Händen dieser Klasse belässt und in unserer Praxis das Gesetz über die Anwendung von Lohnarbeit im Dorfe, das Pachtgesetz, das Verbot der Enteignung der Kulaken beibehält. Der Verfasser vergisst, dass man bei der Politik der Einschränkung der Ausbeutertendenzen des Kulakentums nur auf die Verdrängung einzelner Teile des Kulakentums rechnen kann, was der Erhaltung des Kulakentums als Klasse für eine gewisse Zeit nicht widerspricht, sondern sie im Gegenteil voraussetzt. Um das Kulakentum als Klasse zu verdrängen, dazu genügt die Politik der Einschränkung und der Verdrängung einzelner Teile des Kulakentums nicht. Um das Kulakentum als Klasse zu verdrängen, muss man den Widerstand dieser Klasse in offenem Kampf brechen und ihr die Quellen ihrer Existenz und Entwicklung in der Produktion (freie Bodennutzung, Produktionsinstrumente, Pacht, Recht auf Anwendung von Lohnarbeit usw.) entziehen.
Das eben ist die Wendung zur Politik der Liquidierung des Kulakentums als Klasse. Sonst ist das Gerede von der Verdrängung des Kulakentums als Klasse leeres Geschwätz, das nur den rechten Abweichlern genehm und vorteilhaft ist. Sonst ist keine ernsthafte, noch viel weniger aber eine durchgängige Kollektivierung des Dorfes denkbar. Das haben die armen und Mittelbauern unseres Dorfes, die das Kulakentum zerschmettern und die durchgängige Kollektivierung verwirklichen, gut begriffen. Manche unserer Genossen begreifen das anscheinend noch nicht.
Also ist die gegenwärtige Politik der Partei im Dorfe nicht die Fortsetzung der alten Politik, sondern eine Wendung von der alten Politik der Einschränkung (und Verdrängung) der kapitalistischen Elemente des Dorfes zur neuen Politik der Liquidierung des Kulakentums als Klasse.
Anmerkungen
1. „Krasnaja Swesda“ (Der Rote Stern) – militärpolitische Tageszeitung; erscheint seit Januar 1924. Seit März 1946 ist sie das Zentralorgan des Ministeriums der Streitkräfte der UdSSR.
2. Siehe „Die KPdSU(B) in Resolutionen und Beschlüssen der Parteitage, Parteikonferenzen und Plenartagungen des ZK“, Teil II, 1941, S.47-53 (russ.).
3. Die Resolution der XVI. Konferenz der KPdSU(B) „Über die Wege zur Hebung der Landwirtschaft und über Steuererleichterungen für den Mittelbauern“ siehe in „Die KPdSU(B) in Resolutionen und Beschlüssen der Parteitage, Parteikonferenzen und Plenartagungen des ZK“, Teil II, 1941, S. 329-338 (russ.).
4. Siehe „Die KPdSU(B) in Resolutionen und Beschlüssen der Parteitage, Parteikonferenzen und Plenartagungen des ZK“, Teil II, 1941, S. 247-259 (russ.).
5. Die Resolution des XV. Parteitags der KPdSU(B) „Über die Direktiven zur Ausarbeitung eines Fünfjahrplans der Volkswirtschaft“ siehe in „Die KPdSU(B) in Resolutionen und Beschlüssen der Parteitage, Parteikonferenzen und Plenartagungen des ZK“, Teil II, 1941, S. 234-247 (russ.).
6. Siehe „Die KPdSU(B) in Resolutionen und Beschlüssen der Parteitage, Parteikonferenzen und Plenartagungen des ZK“, Teil II, 1941, S. 222-227 (russ.).