Quelle: Kim Il Sung, Gesammelte Werke, Band 1
Gestern informierte man mich über Ihre Ankunft. Sicherlich hatten Sie viele Beschwerlichkeiten auf Ihrem weiten Weg über den 38. Breitengrad hinweg und noch dazu bei dieser klirrenden Kälte.
Sie sagten übrigens, daß ich in den langen Jahren des Kampfes gegen die japanischen Imperialisten, für die Unabhängigkeit Koreas viel Leid erfahren habe. Nun, dieses Leid nahm ich gefaßt auf mich. Wir kämpften mit der Waffe in der Hand gegen die japanischen Imperialisten, doch erfüllten wir damit nur unsere Pflicht als Söhne Koreas. Natürlich mußte ich persönlich nicht so viele Schwierigkeiten auf mich nehmen wie unsere Landsleute, die unter dem barbarischen Regime der japanischen Imperialisten viel mehr auszustehen hatten. In den Schlachten gegen diese Feinde hatte ich die Leiden und das Unglück unserer Landsleute aber nie vergessen.
Sie sprachen mich als Feldherr an. Bitte, nennen Sie mich einfach Genossen.
Frage: Das ganze südkoreanische Volk ist nach der jetzigen Nachricht, daß Sie triumphal in das Vaterland zurückgekehrt sind, von grenzenloser Freude erfüllt und erwartet ungeduldig Ihren baldigen Besuch in Seoul. Wann werden Sie nach Seoul reisen?
Antwort: Die Begegnung mit meinen teuren Landsleuten, Brüdern und Schwestern in unserem befreiten Vaterland wäre für mich eine grenzenlose Freude. In Gedanken bin ich bereit, sofort nach Seoul abzureisen, um so bald wie möglich mit Landsleuten in Südkorea zusammenzutreffen. Die Lage im Land läßt dies jedoch vorläufig nicht zu. Unser Vaterland ist in den Norden und den Süden geteilt; in Nord- und Südkorea entstanden einander entgegengesetzte Situationen. In Nordkorea wurden die projapanischen Elemente und Landesverräter vernichtet, es ringt um die Demokratisierung im politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben. In Südkorea erheben dagegen die projapanischen Elemente und Landesverräter unter dem Schutz der USA-Militäradministration ihr Haupt und greifen zu allen möglichen Machenschaften, um jegliche Regungen der patriotischen und demokratischen Kräfte zu unterbinden. Wir müssen alle Intrigen der Reaktion durchkreuzen und so schnell wie möglich einen einheitlichen, souveränen und unabhängigen demokratischen Staat aufbauen, in dem unser ganzes Dreißigmillionenvolk gut leben kann. Doch steht uns auf diesem Weg noch eine Unmenge Arbeit bevor.
Ich bedaure sehr, daß ich nicht mit den teuren südkoreanischen Landsleuten zusammentreffen kann, obwohl das Land befreit ist. Heute besteht keine Möglichkeit für eine Begegnung mit Landsleuten in Südkorea; doch der Tag wird ganz sicher kommen, an dem sich die Landsleute in Nord und Süd umarmen.
Frage: Das südkoreanische Volk ist verwirrt und ziellos, weil es nicht richtig weiß, welchen Weg das befreite Korea zu gehen hat. Die Menschen in Südkorea sind der Meinung, daß nur Sie ihnen die wahre Linie der koreanischen Revolution weisen können. Als wir Seoul verließen, baten uns Einwohner Südkoreas, Sie zu besuchen und genau in Erfahrung zu bringen, welche Richtung Korea einschlagen soll. Bitte, sagen Sie uns, welchen Weg Korea beschreiten muß und welches die nächsten Ziele unseres Kampfes sind!
Antwort: Welchen Weg das von der Kolonialherrschaft des japanischen Imperialismus befreite Korea einschlagen muß, ist eine äußerst wichtige Frage.
Der Landesverräter Syngman Rhee versucht, in unserem befreiten Land eine bürgerliche Republik zu errichten. Das entlarvt die schändliche Absicht der USA, die die projapanischen Elemente, Landesverräter und andere Reaktionäre unter ihren Schutz stellen und versuchen, mit ihnen als dem Kern eine volksfeindliche Regierung zu bilden. Die „Linie zur Schaffung einer bürgerlichen Republik“ ist der Weg in die Finsternis. Diese „Linie“ zielt darauf ab, unserem Volk erneut das Joch der kolonialen Sklaverei aufzuerlegen und es in Armut und Rechtlosigkeit zurückzustoßen. Deshalb dürfen wir keinesfalls solch einen Weg gehen.
Wir können aber auch noch nicht die Losung der sozialistischen Revolution verkünden und sofort solch einen Kurs einschlagen, auf dem einige Leute bestehen. Der unverzügliche Weg zur sozialistischen Revolution, wie sie ihn vorschlagen, ist eine linke Abweichung, deren Anhänger versuchen, ein Stadium der Revolution zu überspringen, ohne die realen Bedingungen in unserem Land zu berücksichtigen.
Welchen Weg müssen wir dann beschreiten? Viele Jahre befand sich unser Land unter der Kolonialherrschaft des japanischen Imperialismus. Heute gibt es in der koreanischen Gesellschaft noch viele Überreste als Erbe des japanischen Imperialismus und des Feudalismus. Deshalb muß unser befreites Volk die antiimperialistische und antifeudale demokratische Revolution verwirklichen und den Weg des Aufbaus einer demokratischen Volksrepublik einschlagen.
Zu diesem Zweck ist es für uns unerläßlich, vor allem eine feste demokratische nationale Einheitsfront zu bilden, der alle patriotischen und demokratischen Kräfte angehören. Jeder, der das Land und die Nation liebt, muß seine ganze Kraft für die Schaffung dieser Einheitsfront einsetzen. Wenn sich das ganze Volk fest zusammenschließt und den Aufbau eines neuen Korea in Angriff nimmt, können wir die projapanischen Elemente, Landesverräter und sonstigen Reaktionäre ausschalten und erfolgreich ein neues, demokratisches Korea errichten.
Besonders wichtig ist es, daß wir beim Staatsaufbau jene Ideologie entschlossen zurückweisen, deren Anhänger dazu neigen, sich auf äußere Kräfte zu orientieren. In Südkorea trifft man jetzt Leute, die gestützt auf die Kräfte fremder Länder einen unabhängigen Staat schaffen wollen. Ihr Ansinnen ist äußerst gefährlich und führt das Land in den Abgrund. Nur wenn wir die feste Position vertreten, alle Probleme aus eigener Kraft zu lösen, werden wir die volle Unabhängigkeit des Landes erringen und die Revolution erfolgreich weiterführen können.
Um den Staat richtig aufzubauen, müssen alle selbstlos arbeiten und die Zeit nicht nach Minuten, sondern nach Sekunden messen. Wir dürfen uns nicht herausstellen, sondern müssen ohne große Worte als treue Diener des Volkes unermüdlich arbeiten.
Frage: Die Bevölkerung Südkoreas hat heute den brennenden Wunsch, ausführliche Informationen über den bewaffneten antijapanischen Kampf zu erhalten, den Sie mit Ihrer meisterhaften Taktik, „Entfernungen abzukürzen“, gegen die Aggressoren, die japanischen Imperialisten, geführt haben. Ich bitte Sie, uns Einzelheiten aus diesem Kampf, der unter Ihrer Führung stand, zu erzählen.
Antwort: Es wäre nicht angebracht, auf etwas Besonderes stolz zu sein. Allerdings hatten wir in den Jahren des langen bewaffneten antijapanischen Kampfes nicht wenige Prüfungen zu bestehen. Wir mußten zahlreiche Schlachten austragen und die politische Arbeit in der Illegalität organisieren. Wenn Sie einen so großen Wunsch haben, etwas darüber zu erfahren, kann ich Ihnen Genossen empfehlen, die mit mir gemeinsam kämpften. Es wäre gut, sie anzuhören.
Frage: Könnten Sie uns nicht ein Foto von Ihnen schenken?
Antwort: Sie brauchen ein Foto von mir, wollen Sie es vielleicht in die Zeitung bringen? Wenn Sie aber ein Foto wirklich brauchen, werde ich mich danach erkundigen und es Ihnen zukommen lassen.
Frage: Was würden Sie der Bevölkerung Südkoreas wünschen?
Antwort: Ich bitte Sie, bei Ihrer Rückkehr nach Südkorea den Einwohnern meinen herzlichen Gruß zu übermitteln. Obwohl ich hier im Norden lebe, sind meine Gedanken immer dort, bei den Landsleuten in Südkorea.
Das Volk Nordkoreas kämpft für die Volksmacht und ein neues Leben, es möchte Hand in Hand mit den südkoreanischen Brüdern gehen und mit vereinten Kräften einen souveränen und unabhängigen demokratischen Staat aufbauen. Ich bitte Sie, den südkoreanischen Landsleuten, Brüdern und Schwestern, mitzuteilen, daß ich ihnen wünsche, es möge auch bei ihnen den energischen Kampf für die schnellstmögliche Konstituierung einer einheitlichen demokratischen Regierung geben.
Da heute in Südkorea jede Art der antikommunistischen Lügenpropaganda betrieben wird, die gegen Nordkorea gerichtet ist, bitte ich Sie, nach der Rückkehr die Menschen über all das, was Sie hier bei uns gesehen und gehört haben, so zu informieren, wie es ist.
Den Journalisten des neuen befreiten Korea kommt es zu, stets auf der Seite des Volkes zu stehen, den Interessen der Volksmassen zu dienen und beharrlich gegen jegliche innere und äußere Reaktionäre aufzutreten. Sie dürfen ihre Artikel nicht vom Standpunkt außenstehender Beobachter schreiben, sondern müssen von den Belangen des Vaterlandes und der Nation ausgehen. Ihnen ist es geboten, die Heuchelei und die Entstellung von Tatsachen abzulehnen und nur die Wahrheit zu schreiben, um das politische Bewußtsein der Massen zu erhöhen und sie zum revolutionären Kampf aufzurufen.
Achten Sie bitte auf sich während der Rückreise, in den letzten Tagen ist es kalt geworden. Ich hoffe, daß wir uns wiedersehen werden.