31. Dezember 1889 // Artikel
Paul Lafargue // Der Ehebruch in Gegenwart und Vergangenheit

Der Ehebruch in Gegenwart und Vergangenheit

31. Dezember 1889

Paul Lafargue, De L’adultère dans le présent et dans le passéLa Nouvelle Revue, LVI, Januar-Februar 1889.
Paul Lafargue, Der Ehebruch in Gegenwart und VergangenheitNeue Zeit, VII, 1888-89, S.193ff. u. S.248ff. 1
Diese Version in Paul Lafargue, Geschlechterverhältnisse, Hrsg. Fritz Keller, Hamburg 1995, S.107-32. (Fußnoten, die mit * gekennzeichnet sind, stammen von dieser Ausgabe.)


I. Der Ehebruch in der Meinung unserer Zeit

„Von den sichersten Dingen
Das sicherste ist der Zweifel“.

(Spanisches Sprichwort) 2

Bei den alten Griechen pflegte, wenn ein Kranker durchaus nicht gesund werden wollte, seine Familie sich vor die Haustür zu begeben und die Passanten über den hartnäckigen Fall zu befragen. 3 Ein jeder verschrieb da ein unfehlbares Heilmittel, das den Kranken im Nu wieder auf die Beine bringen sollte; aber so zahlreich und so verschieden waren die Ratschläge, daß einem die Wahl schwer wurde. Die Sage berichtet, Hippokrates habe die Heilkunde seiner Zeit dadurch erlernt, daß er auf diese Gelegenheitsärzte horchte. Der Pariser Figaro ging jüngst in ähnlicher Weise vor, um die heutigen Meinungen über die so alte und doch stets neue Frage des Verhältnisses der ehelichen Untreue des mannes zu der der Frau zu erfahren. In Frankreich spricht man offen über diese Fragen, die anderswo nur im engsten Kreis behandelt werden; so darf man wohl die zahlreichen Antworten, die das Pariser Journal erhielt, als die allgemeine Meinung der zivilisierten Nationen betrachten; sie werden dem deutschen Philister eine Idee davon geben, was er selbst über die Sache zu denken hat. Die eingelaufenen Antworten widersprechen einander so sehr, daß der Leser, der sich daraus eine eigene Meinung bilden will, in die Verlegenheit des griechischen Kranken kommt, der sich von den Passanten beraten ließ: so viele Glocken, so viele Töne. Man kann aus diesem Appell an die öffentliche Meinung eine große Lehre ziehen: in der Frage des Ehebruches, über die doch die Moral der Religion wie die der Welt entschieden geurteilt hat, ist man noch nicht zu einem alle befriedigenden Standpunkt gelangt. Die Unsicherheit der öffentlichen Meinung gibt vielleicht die bedeutsamste, wenn nicht interessanteste Beantwortung der Frage.

Hören wir lieber die Einsender im Figaro:

„Der Ehebruch ist ein Diebstahl, von welcher Seite er auch ausgehen mag“. „Die beiden Ehebrecher sind vom Standpunkt der absoluten Moral gleich zu beurteilen“. Diese trockenen und wie eine Rasierklinge scharfen Formeln fassen den allgemeinen Gedankengang der Einsender des Journals der Pariser „guten Gesellschaft“ zusammen. Abe rum zu beweisen, daß eine absolute Moral ebensowenig in Wirklichkeit existiert, wie die unendlichen Größen der Mathematiker, beeilen sie sich, Unterscheidungen zu machen.

Ein Moralist, der voll von Nachsicht ist für den Mann, „der es gerne mit dem Kuckuck hält und sein Ei in des Nachbars Nest legt“, erklärt: „Der Ehebruch der Frau ist ein Verbrechen, da sie sich der Gefahr aussetzt, einen Bastard in ihr Haus zu bringen; der Ehebruch des Mannes ist ein leichtsinniger Streich […] Die Sitte, die nichts mit Moral gemein hat, entschuldigt den Mann und verurteilt die Frau. Im Grunde sind freilich die Schwüre auf beiden Seiten die gleichen und so auch das Vergehen“ 4 Ein anderer dieser Gelegenheitsmoralisten holt seine Argumente aus der Statistik und erklärt, die Natur habe den Mann zur Polygamie bestimmt, da es mehr Frauen als Männer auf der welt gebe, die Statistik zeigt jedoch gerade im Gegenteil, daß die Zahl der weiblichen Geburten geringer ist als die der männlichen; aber die Sterblichkeit im Kindesalter ist beim männlichen Geschlecht größer als beim weiblichen und daher stellt sich schließlich das Gleichgewicht zwischen den beiden Geschlechtern fast völlig her. 5

Mac Lennan 6 wollte die Vielmännerei der Vorzeit damit erklären, daß die Wilden die Zahl der Frauen dadurch verminderten, daß sie mit Vorliebe weibliche Kinder töteten; dies ist jedoch ein Irrtum. Die Moralisten, die die Polygamie im Namen der Statistik rechtfertigen wollen, müssen sich schon anderweitig umsehen.

Daß die Natur, die den Mann dem Kuckuck ähnlich machte und einen Überfluß an Frauen hervorrief, für die eheliche Untreue der Männer verantwortlich sei, dieses Argument erscheint einem anderen Anwalt des bärtigen Geschlechtes nicht stichhaltig genug; er behauptet, wenn der Mann in der Ehe über die Schnur haut, sei bloß die Frau daran Schuld. Sie ist also der Sündenbock! Um seiner Argumentation mehr Nachdruck zu verleihen, zitiert der Einsender Alphonse Karr 7. „Wenn es einem Mädchen gelungen ist, den seltenen Vogel, einen Gatten, in ihr Netz zu locken, dann glaubt sie, alles Nötige sei damit getan; allein da irrt sie. Sie weiß ihre Leimruten auszulegen, aber sie hat nicht gelernt, einen Käfig herzustellen, in dem der gefangene Vogel leben und sich wohlfühlen kann. Man zeige mir doch einen gutgemachten Käfig, ausgestattet mit allem, was einem Vogel einfällt […] Meine Damen, lernen Sie daher, Käfige herzustellen und versehen sie diese vor allem reichlich mit Vogelkraut (mouron)“. Das mangelhafte Wissen der „anständigen Frauen“ in Liebensangelegenheiten hat Balzac überrascht (Cousine Bette, 33. Kapitel), und er verlangte die Einrichtung öffentlicher Spezialschulen zur Ausfüllung dieser Lücke. Eine Frau, die sich auf die Sache verstehen dürfte, da sie sich ungescheut als Großmutter bekennt, gleich der guten Alten Béranger’s 8, teilt Balzacs Meinung und glaubt, die Untreue der Gattin sei nützlich und wünschenswert: „Die Gattin, die ihre Illusionen während der Ehe verloren hat und daher unausstehlich geworden ist, beschenkt ihren Mann nach einem Versuch mit der koketten Erfahrung, die sie von ihrem Mitschuldigen gewonnen hat“.

Eine von Monsieur Alexandre Dumas’ 9 philosophischen Frauen, die Marquise de Rumerieres, empfiehlt dem Mann nicht, die Erziehung seiner Frau durch ihre Liebhaber vollenden zu lassen, dagegen rät sie seiner jungen Frau, die über die „ungesetzlichen Wege“, die die Zärtlichkeit ihres Gatten wandelt, entrüstet ist, seine Seitensprünge zu tolerieren, um den Hausfrieden zu bewahren: „Mein Mann war wie der Ihre; sie sind alle gleich, bis auf einige Nuancen! Er machte allen Frauen den Hof, aber nicht lang: So lange er sie anbetete, hatte er nur eine Idee, mir diese Damen vorzustellen. Ich glaube, er hielt etwas auf mein Urteil. Es lautete stets für ihn günstig. Machen Sie es ebenso, mein liebes Kind. In einer Zeit, wie der unsrigen, wird die Strenge von ehedem geradezu unmöglich“ (L’Etrangère, acte II, sc. III).

Da haben wir das andere Extrem derjenigen, die den Ehebruch „an sich“ verdammen, von wem immer er auch ausgehen möge; in der Praxis raten philosophische Geister ihn auf beiden Seiten zu tolerieren, um das eheleben friedlich und angenehm zu gestalten.

Aber es gibt Moralisten, die beim Ehebruch der Frau nicht mit sich handeln lassen, während sie die unvermeidlichen Seitensprünge des Mannes „reizende Kleinigkeiten“ nennen; man dürfe nicht „den gleichen Maßstab an die beiden Geschlechter anlegen, wenn man das Unheil in Betracht ziehe, daß der Ehebruch der Frau für sie, ihre Familie, die Gesellschaft hervorruft; wenn die allgemeine Meinung von Alters her den Ehebruch der Frau außerordentlich streng beurteile, so ist das nicht ein veraltetes Vorurteil, sondern das Ergebnis einer genauen Erkenntnis der physischen und moralischen Gesetze, denen sich die menschliche Natur nicht entziehen kann“. 10 Dieser dogmatische Moralist ist aufs höchste entrüstet über jene, die „leichtfertig behaupten, die Männer hätten die Gesetze zu ihrem Vorteil gemacht; in Wahrheit haben sie die Männer, wiederholen wir es, bloß entdeckt“. O du Tiefsinniger unter den männlichen Ehebrechern, der du die Gesetze der Gesellschaft mit denen der Natur in einen Topf wirfst und glaubst, sie hätten vor dem Menschen schon existiert, der sie bloß entdeckte; warum verfolgst du deine kühne Entdeckung nicht weiter und beweist uns, daß die Zylinderhüte der Männer und die Tournüren 11 der Damen und alle Moden der Zivilisation bereits im Schoße der Natur existierten und von den Schneidern und Hutmachern bloß entdeckt wurden?

Unser strenger Logiker, der vor keiner Konsequenz seiner Entdeckungen erschrickt, verlangt die Wiederherstellung der vollen väterlichen Autorität, der „patria potestas“ der Römer, von der wir noch reden werden, das Recht des Gatten, die Kinder seiner Frau zu töten, seien sie legitim oder ehebrecherisch gezeugt: der Gipfel der Offenherzigkeit!

Ehe wir uns der Frage der Kinder zuwenden, die nach vielen Moralisten des Ehebruches diesen, so er von der Frau begangen wird, zu einem todeswürdigen Verbrechen stempelt, wollen wir noch einige Verteidiger der Untreue der Gatten zu Wort kommen lassen: „In der Gesellschaft herrscht, abgesehen von einigen ausnehmend tugendhaften Familien, die Sitte, daß ein verheirateter Mann sich Mätressen hält“, schreibt einer, der seine Pappenheimer kennt. „Keine zu halten, wäre ein Geständnis physischer und finanzieller Schwäche, das vor allem die Frau unangenehm berühren müßte. Anders steht die Sache, wenn sie die Ehe bricht“. Ein eifriger Anwalt des männlichen Ehebruches steht nicht an, zu erklären, daß „die Frau nicht berechtigt ist, die Treue ihres Gatten zu fordern, da sie dieselbe nicht zu einer Bedingung ihrer Ehe gemacht hat“. Weil also das Mädchen unwissend oder nachsichtig gewesen ist, soll die Frau sich alle Seitensprünge des Mannes gefallen lassen. Alles erhält seinen Lohn bereits auf Erden: vor allem die Gutmütigkeit.

In dieser für sie so wichtigen Frage haben auch viele Frauen ihre Meinungen geäußert. Viele, vernünftig genug, sich nicht gegen das Unvermeidliche zu empören, suchen die Männer zu entschuldigen; andere, zu sich selbst überaus strenge (wozu sie unzweifelhaft das Recht haben) erklären, die „ungetreue Gattin sei viel schuldiger als der Mann, gegenüber der Moral und der Gesellschaft“. Eine Vicomtesse läßt das Kind sich einmischen und ruft seinen Richterspruch an: „Errötet es über die Seitensprünge seines Vaters? Nein. Tragen ihm die Fehltritte der Mutter nicht Schaden und Schande ein? Gewiß. Das entscheidet die Debatte“. Diese Art wie Alexander den Gordischen Knoten zu durchhauen, befriedigt nicht jedermann, wie die folgende Antwort des Grafen S. beweist: „Im Prinzip ist der Ehebruch ein Vergehen, ein Verbrechen, eine Niederträchtigkeit. Aber die Untreue der Frau ist vom menschlichen Standpunkt aus der des Mannes immer noch vorzuziehen. Der fremdgehende Mann verliert schnell jeden Halt; die ehebrecherische Frau der guten Gesellschaft bleibt immer mehr oder weniger Sklavin der Konventionen; auf die nimmt sie selbst dann noch Rücksicht, wenn sie schon ihre Skrupel verloren hat“. In der Tat, wie oft kommt es vor, daß ein Familienvater wegen einer solchen „Bagatelle“, eines solchen „reizenden Scherzes“ mit liederlichen Dirnen die Mitgift seiner Frau, das Erbe seiner Kinder durchbringt! Wenn das Kind über die Seitensprünge des Vaters nicht errötet, so leidet es unter dem Elend und den Krankheiten, die er nicht selten mit in die Familie bringt.

„Die Frau bringt das im Ehebruch gezeugte Kind in die Familie hinein, der Mann bringt die Kinder, die er im Ehebruch zeugt, aus seiner Familie heraus“, dies ist das große Verbrechen der Frau. „Einen Menschen verurteilen, als sein Kind aufziehen, zu liebkosen, zu beweinen, was seine fleischgewordene Entehrung ist, dieser Schande droht nur dem Mann, nicht der Frau“. Die Antwort läßt nicht auf sich warten. „Man rede mir nicht von den bleibenden Folgen des Fehltrittes der Frau“ schreibt eine Dame, „denn diese Begründung gäbe den Frauen von 50 Jahren die absurdesten Privilegien“. Ein Doktor, dem das noch zu wenig ist, sieht keinen Unterschied zwischen „der Untreue des einen und des anderen Gatten, vorausgesetzt, daß die Frau unfruchtbar ist“. Wenn aber die Schwere der Schuld nur nach der Schwere der Folgen gemessen wird, dann „braucht man bloß die Befruchtung der Frau zu verhindern“ meinen einige Einsender, die die Frage des Ehebruches durch den Malthusianismus 12 lösen.

Aber das im Ehebruch gezeugt Kind geniert nicht alle Welt; es gibt welche, die behaupten, „vom Standpunkt der Verbesserung der Rasse, der geschlechtlichen Zuchtwahl, ist der Ehebruch ein notwendiges Übel, das seine guten Seiten haben kann“. Ebenso dachte Victor Hugo 13, wenn er Triboulet, dem Vater der vom König entführten Diana von Poitiers folgende Antwort geben ließ 14.

Würde nicht Zorn Dich stracks erfassen,
Bekämst Du Enkel von Deinem Herrn Schwiegersohn?
Häßlich ist er, unförmig schlecht gewachsen.Legt’ sich der König nicht ins Zeug, er würde Dir
verwachsene Enkel machen, Mißgeburten.
[…] Laß den König gewähren,
Und sie wird Dir muntere Enkel gebären,
Die am Bart Dich zupfen, auf den Knien Dir klettern.

Diese Ansicht datiert nicht erst von heute. Quintus Hortensius wollte Cato (von Utica) 15 bewegen, ihm seine Tochter abzutreten, die bereits an Bibulus verheiratet war, und suchte ihn dazu folgendermaßen zu bereden: „Es ist ebenso ehrenhaft als nützlich für die Republik, daß eine schöne Frau in der Blüte ihrer Jahre nicht ungenutzt bleibe und die Zeit, Kinder zu erhalten, nicht verstreichen lasse […] Wenn die ehrbaren Bürger einander ihre Frauen überlassen, so wird die edle Kraft [virtus] wachsen und sich allen Familien mitteilen; das Gemeinwesen wird durch solche Verbindungen sozusagen zu einer einzigen Familie verschmolzen“. Und er fügte hinzu: „Wenn Bibulus durchaus seine Frau behalten will, dann erkläre ich mich bereit, sie ihm zurückzugeben, sobald sie Mutter geworden ist“. 16 Bibulus scheint durch diese starken Argumente nicht umgestimmt worden zu sein, und so blieb Cato, um seinen lieben Freund zu trösten, nichts übrig, als ihm seine eigene Frau abzutreten.

Im Süden Frankreichs, wo heute noch der Einfluß der Liebeshöfe 17 aus der Zeit der Troubadours nachwirkt, ist die eheliche Moral so tolerant, daß die im Ehebruch gezeugten Kinder liebevoll großgezogen werden. Man hält sie für besonders begabt und vom Glück begünstigt: Wenn in einer Familie ein Kind vor seinen Geschwistern durch Intelligenz oder Schönheit sich auszeichnet, dann zögern die Freunde und Bekannten nicht, lächelnd zu sagen: „Gott straf’ mich, wenn das nicht ein Kind der Liebe ist“. In Europa scheint sich durch das ganze Mittelalter hindurch die Idee zu erhalten, daß das ohne gesetzliche Erlaubnis gezeugte Kind besonders begabt sei: In seinem König Lear läßt Shakespeare den Bastard Edmund sagen 18.

[…] Why bastard? wherefore base?
When my dimensions are as well compact,
My mind as generous, and my shape as true,
As honest madams issue? Why brand they us
With base? with baseness? bastardy? base, base?
Who in the lusty stealth of nature take
More composition and fierce quality
Than doth, within a dull, stale, tired bed,
Got to the creating a whole tribe of fops,
Go ’tween asleep and wake? Well then,
Legitimate Edgar, I must have your land […][…] Was Bastard? Weshalb unecht?
Wenn meiner Glieder Maß so stark gefügt,
Mein Sinn so frei, so adlig meine Züge,
Als einer Ehegemahlin Frucht? Warum
Mit unecht uns brandmarken? Bastard? Unecht?
Uns, die im heißen Diebstahl der Natur
Mehr Stoff empfahn und kräft’gern Feuergeist,
Als in verdumpftem, trägem schalen Bett
verwandt wird auf ein ganzes Heer von Tröpfen,
Halb zwischen Schlaf gezeugt und Wachen? Drum,
Echt’bürtger Edgar! Mein wird noch Dein Land […] 19

Um die Serie der konträren Meinungen voll zu machen, die uns die vom Figaro veranstaltete Enquete bietet, weist der Einsender auf eine sonderbare Stelle in dem Werkchen Pascals 20 über Die Leiden der Liebe hin. Der Erfinder der Wahrscheinlichkeitsrechnung zeigt sich da als kühner Psychologe: Er predigt den Wechsel, um „das Vergnügen der Liebe frisch zu erhalten […] und das heißt nicht, eine Untreue begehen, denn man liebt nicht eine andere; es heißt, seine Kräfte wiedergewinnen, um besser zu lieben“. Das Sprichwort: „Frisches Fleisch, besserer Appetit“ bestärkt Pascal’s Meinung. Charles Fourier 21, dieser prophetische Geist, der im chaos der Anfänge unseres Jahrhunderts bereits die tendenzen der modernen gesellschaftlichen Entwicklung erkannte, stellte folgende Frage: „ Nehmen wir an, man könnte ein Mittel ersinnen, alle Frauen, ohne Ausnahme auf die Keuschheit zu beschränken, die man von ihnen verlangt, so daß keine Frau sich vor der Heirat der Liebe hingäbe und auch nach der Eheschließung keinem Mann außer ihrem eigenen gehöre; daraus folgte, daß jeder Mann ein Leben lang nur die Hausfrau besitzen würde, die er geheiratet hätte. Nun, was halten die Männer von der Aussicht, sich ihr ganzes Leben lang nur ihrer Gattin zu erfreuen, die ihnen vielleicht schon am Tag nach der Hochzeit mißfällt? Gewiß, jeder einzelne Mann würde dafür stimmen, den Autor einer solchen Erfindung umzubringen, die jede Galanterie zu vernichten drohte“. 22 Was denkt ihr darüber, ihr Moralisten des Ehebruches?

Auf Wunsch des Figaro hat sich auch Monsieur Alexandre duma in die Debatte eingemischt. Unter allen modernen Schriftstellern Frankreichs hat er sich am brilliantesten mit diesem Problem beschäftigt; er hat darus sozusagen seine spezialität gemacht: Der Ehebruch lieferte das Sujet seiner durchdachtesten und feinst ausgearbeiteten Theaterstücke, mit denen er seine größten Erfolge verbuchte. In seinem Hochzeitsbesuch [Visite des noces] hat er einen der gewagtesten Fälle auf die Bühne gebracht und ihm durch seine kunst glücklich über die Runden gebracht. Aber das Theater genügt ihm nicht, denn, sagte er uns, dort „herrscht, waltet und triumphiert schließlich die Frau“.(Vorrede zu Die Frau des Claudius), und man muß die Tatsachen verdrehen, um sie zufrieden zu stellen. Er hat die Frage wieder und immer wieder von allen Seiten erörtert in Romanen, Broschüren und Vorreden, die weitverbreitet sind. Er hat die Frage des Ehebruches nicht als Einsiedler studiert, dem die Welt und ihre Versuchungen unbekannt sind, nicht als metaphysischer Philosoph, der von der Wirklichkeit absieht, sondern als Mann von Welt, der die Schwächen von Mann und Frau ebenso kennt wie die Veranlassung zu ihren „Fehltritten“, die in der Gesellschaft, in der sie leben, ihnen begegnen. Für die in Rede stehende Frage müssen wir daher nicht bloß seinen Brief an den Figaro in Betracht ziehen, sondern auch seine anderen Schriften.

„Alle Männer betrügen ihre Frauen“: Das ist für Monsieur Alexandre Dumas ein Axiom; dagegen „gibt es nicht so viele betrogene Ehemänner, als man glaubt und als die Gerechtigkeit vielleicht erfordern würde“. „Der Mann hat zwei Arten von Moral gemacht: eine für sich selbst, eine für die Frau; eine, die ihm die Liebe mit allen Frauen gestattet, und eine, die der Frau als Ersatz für ihre für immer verlorene Freiheit die Liebe mit bloß einem Mann gestattet“ (Vorrede zu Monsieur Alphonse). In der Tat, wessen macht sich der ehebrecherische Gatte schuldig? „Einer blinden Verirrung, bei der bloß die Sinne beteiligt sind und die nur dem augenblicklichen Überwiegen des Tiers entspringt“ (Vorrede zu Prinzessin George). Der Ehebruch der Frau dagegen ist eine so schwerwiegende Sache, daß Diane de Lys, die sympathischste seiner Heldinnen, zusehen muß, wie ihr Liebhaber gleich einem tollen Hund durch einen Pistolenschuß niedergestreckt wird. Im Theater tötet Dumas den Li„bhaber, aber im Roman verhärtet sich sein Herz: Clemenceau tötet seine ehebrecherische Frau, und in seiner bekannten Schrift ruft er dem Gatten zu: „Tötet sie!“ Allerdings bemerkt er in seinem Brief an cuvillier-Fleury, daß die Frau, deren Tötung er dem Gatten rät, in Wirklichkeit „kein Weib ist; außerhalb des Plans der Gottheit stehend, ist sie rein tierisch, die Äffin des Landes Nod, das Weibchen [femelle] Kains: töte sie!“ Dieses „Töte sie!“ Dumas’ Rat ist also nur dann eine Lösung der Frage, wenn es sich um eine Frau handelt, die außerhalb des „Planes der Gottheit“ steht, außerhalb der Gesetze der natur, wenn sein freund, doktor robin sich ausgedrückt hätte; aber ein solcher Fall ist noch nicht vorgekommen. Trotz seines dröhnenden „Tötet sie!“ hält also Dumas den Ehebruch der Frau nicht für ein todeswürdige Verbrechen.

Den Ehebruch des Mannes sieht er in der ewigen Orndung der Dinge begründet, und er empfiehlt den Frauen bei jeder Gelegenheit, sich christlich in das Unvermeidliche dreinzufinden: Und wenn er jemals eine seiner Heldinnen so weit treibt, daß sie auf Rache sinnt, dann läßt er sie entsetzt zurückschaudern vor dem Gedanken der Tötung des ungetreuen Gatten, wie z.B. Prinzessin George. Oder wenn sie Untreue mit Untreue vergelten wollen, wie Francine, dann wagen sie nicht, ihr Vorhaben auszuführen. „Was immer kommen möge“, empfiehlt er, „meidet das Recht der Vergeltung im Ehebett, setzt an die Stelle des entsetzlichen Rechtes, zu töten, das göttliche Recht, freizusprechen“.

Wir haben bereits oben den Rat zitiert, den eine von Monsieur Dumas’ philosophischen Frauen einer jungen Freundin erteilt; in der Prinzessin George wiederholt die Frau von Perigny ihrer Tochter, die voll von Entrüstung über die Untreue ihres Gatten ist, die Ratschläge der Marquise de Rumières, denen sie das Wort einer müde gewordenen Frau hinzufügt: „Das Leben ist nicht möglich, wie du siehst, ohne viel Gleichgültigkeit und noch mehr Vergeßlichkeit“ (Akt I, Szene II). Und wenn Francine entrüstet das haus des Gatten verlassen will, moralisiert therese: „Du hast ganz recht, dein Mann hat dich verraten, er hat kein Herz, hasse ihn, verachte ihn […] aber behalte ihn“ (Francillon, Akt III, Szene III), denn „die Scheidung, die einzig befriedigende Lösung, die die Philosophen und Gesetzbücher finden konnten, befreit nur die Leiber und die Interessen, nicht die Herzen und die Seelen“ (Vorrede zu Prinzessin George). In seinem Brief im Figaro verweist Dumas die betrogene frau auf „das Gesetzbuch und das Evangelium; da diese zwei Bücher, wie jeder weiß, die beiden Pfeiler der Gesellschaft bilden, mögen die, welche in der Ehe leiden, bei dem einen Schutz oder bei dem anderen Trost suchen“. Ist das genügend, um alle die Beteiligten zu befriedigen, die anderswo die Lösung suchen, die so unauffindbar scheint, wie die Quadratur des Kreises? „Man ist versucht zu glauben“, schrieb Charles Fourier über die Ehe, deren Wechselfälle er so gut kannte, die Dumas und die modernen Romanschriftsteller so oft geschildert haben, „man ist versucht zu glauben, diese Ordnung sei das Werk eines dritten Geschlechtes, das die beiden anderen zu diesen Unannehmlichkeiten verurteilen wollte“. 23

Die Enquete des Figaro zeigt mehr als zur Genüge, daß eine bestimmte öffentliche Meinung in der Frage noch nicht fixiert ist. Ist der Ehebruch, von wem auch immer begangen, ein Diebstahl? Ist er ein Bagatelldelikt, wenn es sich um den Man handelt, und ein Verbrechen, wenn ihn die Frau begeht? Ist der Ehebruch des Mannes oder der der Frau verderblicher für die Harmonie, den Ruf, das Wohlbefinden und die Gesundheit der Familie? Ist das Kind, das aus einem Ehebruch hervorgeht, ein Übel, eine tödliche Schmach, oder vielmehr ein wirksames Mittel, die Rasse zu verbessern? Soll der Mann das Recht über Leben und Tod seiner Gefährtin haben, soll diese sich gegen ihn empören nach dem Recht der Vergeltung, soll sie zur Scheidung greifen oder sich im Interesse der Kinder und des Rufes der Familie ins Unvermeidliche in christlicher Demut fügen und dahin leben, Kummer im Herzen, wenn sie Gemüt besitzt, unbekümmert, wenn sie phlegmatisch ist? So viele verwickelte Fragen hat die Enquete aufgeworfen und auf keine von ihnen eine befriedigende Antwort gegeben, denn auf eine, die in eine Richtung zielte, kamen zehn entgegengesetzte. Ist es den Einsendern im Figaro nicht gelungen, die Frage bei den Hörnern zu fassen? Oder muß man gestehen, daß jeder einzelne Fall seine besondere Lösung hat und sich resignierend dem Skeptizismus des spanischen Sprichwortes überlassen, das wir an die Spitze fdieser Arbeit gestellt:

„Von den sichersten Dingen
Das sicherste ist der Zweifel“.

Angesichts dieser Verwirrung in den Ansichten der Zeitgenossen ist es interessant, zu forschen, ob in der Vergangenheit die öffentliche Meinung ebenso unsicher und widersprüchlich war.

II. Der Ehebruch in der Geschichte

Als Emile de Girardin 24, der Jounalist mit einer Idee pro Tag, versicherte, daß eine Behauptung, die man durch 365 Tage jeden Morgen drucken lasse, am Ende des Jahres eine unbestreitbare Wahrheit werde, da lachte man über dieses Paradoxon in Paris; und doch ist es durch ewige Wiederholung des Satzes, daß die Menschen aller Zeiten und aller Länder immer die gleichen seien, mit denselben Instinkten, Gefühlen und Leidenschaften, höchstens verschieden in der Form ihrer Äußerungen, dazu gekommen, daß Philosophen, Politiker, Literaten und Dichter ganz die „zweifelnde Vorsicht“ Montaigne’s 25 vergaßen, und diesen Irrtum zu einem psychologischen Axiom erhoben, das ebenso unleugbar sei, wie zwei mal zwei ist vier. Aber heute, wo wir den Erdball besser kennen zu lernen beginnen, und die zivilisierten Nationen in Berührung mit den barbarischen und halbbarbarischen Völkern Asiens und der anderen Weltteile gelangen, entdeckt man, daß der Mensch, das unbeständige und wechselhafte Wesen par excellence ist, gar oft seine Instinkte, Leidenschaften und Gefühle geändert hat.

Bei einem asiatischen Volke, dessen künstlerische und industrielle Produkte London und Paris entzücken, und dessen Schnelligkeit, sich unseren Errungenschaften und unseren Wissenschaften anzupassen, allgemein überrascht, in Japan, sind die herrschenden Ansichten über die Keuschheit der Mädchen das Gegenteil der europäischen.

In Japan ist die Prostitution eine nationale Einrichtung, offen anerkannt von der Sitte, geregelt durch das Gesetz. Die Eltern senden ihre Töchter in die Tee-Häuser, wie in Paris in Konservatorien und Pensionate und bezahlen für sie eine vereinbarte Summe. Die Mädchen kommen in diese Häuser in der Regel im Alter von 14-15 Jahren, um dort bis zum 25. Lebensjahr zu bleiben; sie werden dort in der Unterhaltungskunst unterrichtet, im Tanzen, Singen, Gitarre-Spielen und Schreiben. Kein Makel haftet ihrem Beruf an; viele von ihnen verheiraten sich höchst anständig, nachdem sie sich ins Privatleben zurückgezogen haben; es kommt vor, daß ehrbare japanische Bürger in diese Freudenhäuser gehen, um sich dort eine liebenswürdige, gebildete Frau zu suchen. „Die japanischen Romane“, erzählt uns ein Reisender, „wiederholen zum Überdruß die Geschichte von der tugendhaften Jungfrau, die sich prostituiert, um ihren Vater dem Elend zu entreißen und die Schulden ihres Bräutigams zu bezahlen“. Das Mädchen hingegen, daß sich seinem Liebhaber gratis hingibt und ohne Einwilligung des Vaters heiratet, verfällt der gesetzlichen Strafe von 60 Stockschlägen. Das japanische Publikum würde es für unanständig halten, ein verliebtes Mädchen auf die Bühne zu bringen; dagegen ehrt es öffentlich die Prostitution. „Im Tempel von Asaxa findet man ein Bild, daß mehrere japanische Damen in großer Toilette darstellt; mein Reiseführer sagte mir, sie seien die Porträts der berühmtesten Kurtisanen von Jeddo, die man jedes Jahr hier aufstelle, um sie zu ehren“. 26

Und die Japaner sind ebenso „anständige Leute“ wie unsere Philister, die auf Boulanger 27 oder anderen „geniale Staatsmänner“ schwören und 28 wie die Helden unserer Römer und die Juden des Altertums die unverletzte Jungfräulichkeit der Braut einfordern. die Israeliten sind in ihrer Schwärmerei für die Jungfräulichkeit ziemlich weit gegangen: sie steinigten Frauen, die am Hochzeitstag nicht mehr Jungfrauen waren. 29 Aber diese übertriebene Wertschätzung des „Kapitals der Frau“ muß erst spät angenommen worden sein denn Baal-Pehor, den das Volk Israel so lange verehrte, hatte nach der rabbinischen Erklärung die besondere Aufgabe, die jungen Mädchen zu entjüngfern. 30 Der hohe Priester des mexikanischen Gottes Huitzilopochtli 31 entjungferte die weiblichen Kinder, die man in seinen Tempel brachte, im Alter von 29 Tagen. Eine ähnliche religiöse Zeremonie findet sich in Indien. 32

Die Naturvölker maßen der Jungfräulichkeit keinen Wert bei. Die Athener schätzten sie so wenig, daß die Gesetze des Solon 33, obwohl sie die Tötung des beim Ehebruch ertappten Mannes erlaubten, den Mann, der sich mit einem Mädchen verging, bloß zu der geringfügigen Geldstrafe von 100 Drachmen verurteilten (Plutarch: Solon, XXXI). Und solche Fälle kamen häufig vor, besonders zur Zeit der religiösen Feste, der einzigen Gelegenheit, bei der die jungen Athenerinnen das väterliche Haus verließen. In den griechischen Lustspielen war ein Mädchen, das entjungfert wurde, eine ebenso unentbehrliche Person, wie in den heutigen der Bonvivant 34 und die Soubrette. Wir wissen durch Pollux 35, daß unter den 44 Masken, die für alle Rollen und Situationen des griechischen Lustspiels vorhanden waren, auch eine spezielle zur Darstellung eines solchen Mädchens diente.

Verfolgt man die Entwicklung des Menschengeschlechtes in Zeit und Raum, so findet man, daß der Mensch seine Neigungen und Leidenschaften öfter geändert hat, als der Clown seine Grimassen. Und besonders im Verhältnis zwischen Mann und Frau gilt das Wort von La Mothe le Vayer 36.

„Es gibt nichts so Feststehendes,
Sicheres und Bestimmtes an einem
Ort, dessen Gegenteil nicht anderswo
ebenso hartnäckig behauptet würde“. 37

*

In der vorgeschichtlichen Zeit besteht der Ehebruch nicht und kann nicht bestehen; die freieste Geschlechtsvermischung herrschte innerhalb der wilden Horden; es bedarf einer langen stufenweisen Entwicklung, bis die Menschheit zur mutterrechtlichen Familie gelangte, wo die Frau umso reicher und geehrter ist, je mehr Gatten sie ihre Gunst schenkt, die unter einander im besten Einvernehmen leben, einem Einvernehmen, das niemals die Eifersucht stört, die heute so manches Verbrechen der Liebe veranlaßt. 38

Die erste Familie ist der Stamm; die Mitglieder einer Generation betrachten sich als Brüder und Schwestern und nennen die Mitglieder der vorangegangenen Generationen Väter und Mütter. Nicht nur das Gefühl der Eifersucht ist unbekannt, sondern auch jene Empfindungen, die in den späteren Gesellschaftsformen die Familien zusammenhalten, ausgenommen jene rein tierische Liebe der Mutter für ihr Kind, das sie zwei Jahre lang säugt und mit sich herumträgt.

Der Ehebruch erscheint zunächst in kollektiver Form. Auf einer gewissen Höhe der Entwicklung teilt sich der Stamm in Unterabteilungen, Klans oder Gentes. Alle geschlechtlichen Beziehungen zwischen Individuen desselben Klans sind untersagt und nur zwischen Individuen verschiedener Klans gestattet. Der ursprünglich unterschiedslosen Geschlechtermischung folgt die Gruppenehe zwischen Klan und Klan. Die Eheschließung hängt noch nicht von der individuellen Neigung oder den Interessen des einzelnen ab, sondern ist ein Akt des Kollektivs. Die bloße Tatsache, in einer Gruppe geboren zu sein, gibt einem Individuum alle Männer respektive Frauen einer anderen Gruppe zu Gatten und Gattinnen. Eine Person, die geschlechtliche Beziehungen mit Individuen anknüpft, die nicht zu dem mit der eigenen Gruppe verehelichten Klan gehören, begeht einen Ehebruch, der schwer bestraft wird. Es ist nicht das Individuum, das beleidigt ist, sondern der gesamte Gattenklan; der Schuldige hat durch seinen Ehebruch nicht gegen ein Individuum, sondern gegen eine Gemeinschaft gesündigt; der Ehebruch hat kollektiven Charakter. Solche Gruppen-Ehen und -Ehebrüche findet man heute noch in Australien. Der individuelle Ehebruch tritt erst in Erscheinung, nachdem die vaterrechtliche, patriarchalische Familie gebildet worden ist. In der mutterrechtlichen Familie, die der vaterrechtlichen überall vorausgeht, bleibt die Frau in dem Klan, in dem sie geboren, und wenn dieser sich in Familiengruppen spaltet, bleibt sie in ihrem Hause, wo ihre Gatten sie der Reihe nach besuchen; sie ist die Herrin des Hauses und Oberhaupt der Familie; die Kinder gehören ihr, erben durch sie; alle diese Vorrechte verliert sie in der patriarchalischen Familie; sie verläßt ihren Klan und ihre Familie, um im Haus ihres Gatten zu wohnen, der sie gekauft hat, entweder durch jahrelange persönliche Dienste, wie Jakob, oder durch Geschenke, wie Isaak (Genesis XXIV, 53). Homer nennt das Mädchen „alphesiobia [die Rinderbringende]“, weil ihr Vater sie gegen rinder vertauschte. Duveyrier 39 erzählt, daß bei den Tuaregs der Sahara das Mädchen selbst den Vater bezahlt und durch den Verkauf ihres Körpers nach tuskischer Weise das Geld gewinnt, mit dem sie sich freikaufen muß, wenn sie heiraten will. „Ehe das Mädchen heiratet, verlangt der Vater von ihr die Wiedererstattung der in ihren Körper investierten Unkosten, die sie der Familie verursacht hat […] Und das Mädchen, entehrt in unseren Augen, ist umso gesuchter, je mehr Erfolg sie beim Verkauf ihrer Reize hatte“. 40

Beim Verkauf seiner Tochter übertrug der Vater dem Käufer alle seine Rechte über sie, das Recht über Leben und Tod eingeschlossen: Im alten Rom tritt die Frau in die Familie ihres Gatten als seine Tochter (loco filiae) ein, so daß sie durch eine juristische Fiktion die Schwester ihrer eigenen Kinder wird. Sie besitzt nichts, nicht einmal ihre Kinder, die dem Gatten gehören; sie bleiben bei diesem, wenn er die Frau verstößt oder sich von ihr scheidet. In der ersten Periode der patriarchalischen Familie ist die Frau ein bloßes Haustier, das man zu Zwecken der Fortpflanzung anschafft. „Auf dem Markt“, sagt ein arabischer Jurist, „kauft man Waren; in der Ehe kauft man einen zu besäenden Acker“. Von diesem Standpunkt aus betrachtet das klassische Altertum die Ehefrau: „Wir haben Hetären, um uns zu erheitern“, sagt Demostenes 41 in seiner Rede gegen Neära, „Kebsweiber 42, uns zu pflegen, Eheweiber aber, um Nachkommen zu erzielen und eine zuverlässige Hüterin des Hauses zu haben“.

Der Ehebruch existiert, aber er wird nur dann ein Verbrechen und verletzt nur dann die Gefühle des Gatten, wenn er ohne seine Einwilligung eintritt.

Die öffentliche Meinung auf den Südseeinseln verlangt von den verheirateten Frauen, daß sie sich nicht ohne Einwilligung ihrer Männer preisgeben, die mit ihren Gattinnen handelten, ohne irgendwelche Bedenken dabei zu empfinden. „Tawe“, berichtet Porter 43„war einer der schönsten Männer der Insel; er liebte es sehr, sich zu schmücken; ein rotes Tuch, einige Glasperlen oder ein Stück Fischbein besaßen in seinen Augen einen unwiderstehlichen Reiz, und um sich solche Sachen zu verschaffen, bot er das Wertvollste, was er besaß. Obgleich seine Frau von außerordentlicher Schönheit war und er der zärtlichste der Gatten, bot er sie dennoch mehr als einmal für ein Halsband an“. 44

Die Keuschheit, die später zur Tugend wurde, die man von der Frau als Naturgesetz einforderte, ist auf dieser Stufe im Kopf des Menschen noch nicht einmal geahnt: Bei zahlreichen wilden und barbarischen Völkern, bei denen wir heute noch die Sitten unserer Vorfahren finden, und die nach dem glücklichen Ausdruck des Monsieur Letourneau 45 die lebendige Vorgeschichte bilden, weiß der Mann seinen Gast nicht besser zu ehren, als daß er ihm seine eigene Frau anbietet. Mit seiner Frau Handel zu treiben scheint als etwas so Natürliches, daß der Brauch sich so lange erhalten hat, ohne im geringsten für unehrenhaft zu gelten; auf der Höhe der antiken Zivilisation sehen wir Kimon 46 und Cato von Utica ihre Frauen an ihre Freunde abtreten, welche Geld dafür geboten hatten. Wenn so hochgeehrte Männer, die die wichtigsten Stellungen im Staate einnahmen und sich in jeder Beziehung auf das charaktervollste bewiesen, in dieser Weise verfahren konnten, ohne die mindeste Entrüstung zu erregen, dann darf man wohl annehmen, daß neben diesen Fällen zahlreiche ähnliche unter ihren Zeitgenossen vorkamen, die allerdings nicht in die Geschichte eingegangen sind, weil es sich um weniger bedeutende Personen handelte. Man darf da wohl an die Überlegungen von La Mothe le Vayer erinnern: „Wir glauben immer vernünftig und gerecht zu handeln, wenn wir aus Gewohnheit und Nachahmung handeln“.

Es kam vor, daß der Mann den Ehebruch der Frau unter gewissen Verhältnissen autorisierte, ja forderte, den er unter anderen auf das grausamste bestrafte.

Die Mutterliebe ist ein natürliches Bedürfnis, eigentümlich dem weiblichen Organismus, der zum Gebären und zum Ernähren des Kindes gebildet ist; die Vaterliebe hingegen ist durch soziale Verhältnisse erworben; er ist entsprungen aus dem egoistischen Verlangen, über sich selbst hinauszuleben, das den Mann der patriarchalischen Familie quält. Die Frau, die man heute als die letzte Zuflucht der Religion betrachtet, scheint dieses Bedürfnis nach Unsterblichkeit nicht in gleicher Weise empfunden zu haben. Der Mann hatte sie ohnedies aus dem Jenseits ausgeschlossen, oder wenn er sie zuließ, stellte er sie mit Hunden, Pferden und anderen Haustieren auf die gleich Stufe, damit sie auch drüben dem Herren diene.

Die Idee eines Fortlebens nach dem Tode findet sich frühzeitig im menschlichen Kopf. Bei den unentwickelten Völkerschaften begegnet man Leichenfeierlichkeiten; man begräbt mit dem Toten seine Waffen und sonstigen Gegenstände, die ihm im anderen Leben nützlich sein können. Später fügt man zu den leblosen Gegenständen belebte hinzu: Tiere, Sklaven, mitunter die Gattin. Man nahm nicht immer an, der Tote begebe sich in ein besonderes Gebiet unter der Erde oder über den Wolken, um dort sein Leben nach dem Tode zu verbringen; lange Zeit glaubte man, er lebe in seinem Grabe fort, das man inmitten seiner Hütte errichtet hatte, nicht weit vom Eingang. Diese Idee, daß der Tote inmitten der Seinen fortlebe, scheint erst nach der Bildung der patriarchalischen Familie entstanden zu sein. Man glaubte, der Tote nehme Anteil am Familienleben; er fahre fort, sie zu leiten durch Träume, Gespensterspuk und andere Methoden der Leute jenseits des Grabes, sich im Diesseits bemerkbar zu machen. Seine Verwandten behandelten ihn, als lebe er noch. Die Totenverehrung im Schoße der Familie findet sich noch in ihrer ursprünglichen Naivität bei den Ostjaken 47 des Ob-Tales. Nach dem Tod des Oberhauptes der Familiengemeinschaft fertigte man eine rohe Puppe in der Höhe von 20 bis 30 Zentimeter an und bekleidet sie mit einer Robe. Sie stellt den Verstorbenen dar: Während des Tages lehnt man sie auf einen ausgebreiteten Pelz vor das Feuer, legt ihr einen Tabaksbeutel zu Füssen, und setzt ihr beim Mahl Speisen vor; abends hüllt man sie in warme Pelze ein, kurz, man behandelt sie wie eine lebende Person. 48

Der Familie hatte Pflichten gegenüber dem Toten; sein Erbe, der ihr Haupt geworden, hatte die Aufgabe, über ihre Erfüllung zu wachen. Monsieur Fustel de Coulanges 49, der das griechisch-lateinische Altertum so scharfsinnig durchforscht hat, sagt darüber: „[…] der Sohn hat die Pflicht, Trank und Speise darzubringen den Manen 50 des Vaters und aller Ahnen. Diese Pflicht verabsäumen, war die schwerste Gottlosigkeit, die man nur immer begehen konnte, weil das Unterbrechen dieses Kultes eine ganze Reihe von Toten beeinträchtigte und deren Glück störte. Eine solche Nachlässigkeit wurde wie Vatermord angerechnet, und sie wog um so viel schwerer, je zahlreicher die Familie Ahnen hatte“. 51 Der legitime sohn, der Erbe des Vaters, war allein berechtigt, bei feierlichen Gelegenheiten die funktion des Ahnenkultus zu vollziehen; die Sitte und später das Gesetz verboten es, einen nicht zur Familie gehörenden, und wäre es ein Greund gewesen, zum Totenmahl zuzulassen. Um im Grabe fortleben zu können, mußte man also einen legitimen Sohn haben: „Ihre einzige Sorge war die und ihr einziges Interesse ging dahin, daß stets ein Blutsverwandter da sei, um die Opfergaben aufs Grab zu bringen. Der Hindu glaubte auch, daß die Toten unaufhörlich die Worte wiederholen: ‚Daß uns stets nur Söhne geboren werden, die uns Reis, Milch und Honig bringen‘.“ 52

Einen Sohn zu haben, war die große Sorge des verheirateten Mannes, „denn“, sagt Aischylos 53, „der Sohn ist der Erhalter des väterlichen Herdes“ (Die Choephoren). „Durch einen Sohn“, sagt Manu 54 zu den Indern, „erwirbt ein Mann den Himmel, denn er erhebt sich in das Reich der Sonne“ (IX, § 137). Nrahma nennt den Sohn Puthra, das heißt erlöser aus der Hölle. In der christlichen Religion ist der Sohn der Erlöser.

Die Ehe war eine religiöse Pflicht, der der älteste Sohn sich unterziehen mußte; das Brautbett (lectus genialis), geweiht dem Vorfahren, den es wiedererwecken sollte, war zu Rom im Atrium aufgestellt, gegenüber der Eingangstür, nahe den Ahnenbildern. Der verheiratete Mann, der keinen Sohn besaß, hatte den Ahnen seine Schuld nicht gezahlt und nicht für den einen gesorgt, der ihn nach dem Tode lebendig macht. War die Ehe durch das Verschulden des Mannes kinderlos, dann hatte er seiner Frau Ersatz zu besorgen; in Rom, Griechenland, bei den Indern, überall hatte der jüngere Bruder, und in Ermangelung eines solchen der nächste Verwandte die delikate Aufgabe, in solchen Fällen den Gatten zu ersetzen. In Kordofan 55, wo die Sitten ihre ursprüngliche Wildheit noch gewahrt haben, ruft der Mann, wenn seine Frau unfruchtbar ist, alle seine männlichen Verwandten zusammen. Ein Fest wird gefeiert, dann schläft einer nach dem anderen mit der Gattin. Führt auch dieses heroische Mittel zu keiner Schwangerschaft, dann versteigert der Mann seine Frau in einer Auktion, wobei ihm die Verpflichtung zufällt, den eventuellen Überschuß des Verkaufspreises seinen Verwandten als „Trinkgeld“ zukommen zu lassen. 56

Stirbt der Gatte ohne männliche Nachkommenschaft, so muß sein Bruder oder der nächste Verwandte seine Witwe heiraten, und ein aus dieser Ehe entspringender Sohn gilt für den Sohn des Verstorbenen (Genesis, XXXVIII, 8, 9 57; Deuteronomium, XXV, 5, 6, 7). Die Frau war ein Acker, gekauft, daß aus ihm eine Nachkommenschaft wachse, und ihn zu befruchten, waren alle Mittel recht. Der Ehebruch wurde der Frau als heilige Pflicht auferlegt, und der Vater und die Ahnen nahmen den im Ehebruch gezeugten Sohn als legitimen Erben auf, als denjenigen, in dem die Ahnen wiederauflebten, der den Familienkult und die Familientradition fortsetzte.

Manu gibt den Grund an, warum ehebrecherisch gezeugte Kind dem legitimen Gatten gehöre und nicht dem natürlichen Vater: Er vergleicht die Frau mit einer Kuh, deren Kalb dem Besitzer zufalle, und nicht dem Besitzer des Stiers, mit dem man sie zusammengebracht hat.

Der Ehebruch der Frau hat zwei Seiten: Bald war er ein Verbrechen, das man auf das Schwerste bestrafte, bald wurde er zur heiligen Pflicht, sobald die Bedürfnisse ihres Herren ihn verlangten.

Es gab jedoch noch ein anderes Mittel, die Kinderlosigkeit des Hauses zu beseitigen; man stempelte die Frau zur Mutter eines Kindes, das ihr Gemahl mit einer Konkubine gezeugt hatte: Die Zeremonie war das Gegenstück der Couvade der Basken, bei denen nach der Entbindung der Frau der Mann sich ins Bett legte und eine Wöchnerin nachahmte58 Die Bibel sagt uns nicht, ob Sara diese Komödie aufführte 59, wohl aber erzählt sie, daß Rachel, als sie sah, daß sie dem Jakob nichts gebar, zu ihm sprach: „Gib mir Kinder. Wenn nicht, so sterbe ich! […] Da hast Du meine Magd Bilha. Gehe zu ihr, damit sie auf meinen Knien gebäre und auch ich durch sie zu Kindern komme“. Lea aber, Jakob’s zweite Frau, ärgerte sich jedenfalls darüber, daß Rachel durch diese Manipulation zu Kindern kam, während sie selbst schon aufgehört hatte, Kinder zu gebären. Daher „nahm sie ihre Magd Silpa und gab sie Jakob zur Frau“ (Genesis, XXX, 1, 2, 3, 9). Rachel und Lea ahmten dadurch, daß sie ihren gemeinsamen gatten ermutigten, sich neue Konkubinen anzuschaffen, Sara nach, die dem Patriarchen Abraham ihre ägyptische Magd Hagar zur frau gab. Bei den Griechen geschah die Adoption mit einem ähnlichen Zeremoniell wie bei den Hebräern, wenn man nach dem schließen darf, was sich im Olymp zutrug, wo die irdischen Sitten sich so getreu wiederholten. Diodorus von Sizilien 60 berichtet:

Juno bestieg, um Herkules zu adoptieren, ihr Bett, hielt den Sohn des Jupiters an ihren Leib und ließ ihn, eine Gebärende nachahmend, unter ihrem Gewand hervorgleiten. Diese Zeremonie wird heute noch bei den Barbaren beobachtet, wenn sie ein Kind adoptieren (IV, 39).

Die beiden Gatten ermunterten sich also gegenseitig zum Ehebruch.

Auch die katholische Kirche hat gegenüber dem Ehebruch nicht immer eine übertriebene Strenge an den Tag gelegt. Jesus, ebenso wie Mohammed, suchte die grausame Strafe der Steinigung zu mildern, zu der die ehebrecherische Frau verurteilt wurde und die nicht mehr dem Geist seiner Zeit entsprach. 61 Kirchenväter haben den Ehebruch gepriesen, wenn er für den Gatten vorteilhaft war. Der heilige Augustinus 62 lobt das Entgegenkommen der Sara und behauptet, eine Frau dürfe einer anderen das Recht abtreten, das sie auf den Körper ihres Mannes besitze, woraus er folgert, daß ein Mann einem anderen seine Rechte über den Körper seiner Frau abtreten dürfe. Er begründet seine Ansicht mit der Stelle des heiligen Paulus, die besagt, daß die Gatten gegenseitig ihren Körper besitzen. 63

Der heilige Chrysostomos 64 ist noch kategorischer: Er bewundert Abraham, weil dieser seine Frau dem Pharao von Ägypten, und dem König von Gerar, Abimelech, überlassen hat (Genesis, XII und XX), und er ermahnt die Frauen, Sara nachzueifern: „Wer sollte nicht die Größe dieses freudigen Gehorsames bewundern? Wer könnte Sara genug preisen, daß sie dem Ehebruch sich aussetzte und ihren Leib den Barbaren auslieferte, um ihren Gatten vor dem Tod zu erretten?“ Der heilige Ambrosius hat die Gutherzigkeit Sara’s nicht mindere Lobsprüche geewidmet. 65 Aber die katholische Kirche mußte ihre anschauungen in dieser Frage ändern und sich zur Wiedereinführung der barbarischen Bestrafung des Ehebruiches hergeben.

So lange die mutterrechtliche Familie bestand, herrschte die Polygamie auf beiden Seiten; die Frau ebensogut wie der Mann nahm sich so viele Gatten, wie es ihr gefiel; als aber die patriarchalische Familie an ihre Stelle trat, wurde die Polygamie ein Privileg der Männer. Neben der legitimen Frau, die von ihrem Vater gekauft und durch religiöse Zeremonien der Familie des Gatten einverleibt worden war, lebten seine Konkubinen; in vielen Ländern heißen sie die „kleinen Frauen“; der Titel der „großen Frau“ bleibt der legitimen Gattin vorbehalten. Die Kinder der Konkubinen gehören rechtlich der großen Frau; sie nennen sie Mutter, beweinen sie bei ihrem Tode und tragen um sie Trauer, als ob sie wirklich ihre Kinder und nicht die ihrer natürlichen Mutter wären.

Die Gefühle, die auf dieser Stufe der Ehebruch im Herzen des Mannes erweckt, sind nicht die der Eifersucht, sondern die des Besitzers, der in Wut gerät über die Antastung seines Eigentums. Der Ehebruch ist nichts anderes als ein Eigentumsdelikt! Die verheiratete Frau wird einem beweglichen Gut gleichgestellt, das sich im Besitz des Gatten befindet. In allen ursprünglichen Zivilisationen steht auf den Diebstahl die Todesstrafe; sie muß infolge dessen die Strafe der auf der Tat ertappten Ehebrecher sein, und sie ist es. Der beleidigte Gatte hatte selbstverständlich von vornherein das Recht, seine Frau zu töten, die sein Eigentum war; es stand ihm aber auch das Recht zu, ihren Liebhaber zu entehren, zu verstümmeln, zu töten; in Athen, wo die Sitten verhältnismäßig mild waren, peitschte er ihn und liefert ihn seinen Sklaven aus, die ihn marterten und aufs schimpflichste entehrten. 66

Das Gesetz mußte den Liebhaber zur Bestrafung dem Gatten überlassen, der in seinen Besitzrechten verletzt worden war; aber die Häupter der antiken Gemeinwesen sahen mit Bedauern die Mitglieder der edelsten Familien so schimpflichen Mißhandlungen preisgegeben. Vielleicht war dies einer der Gründe, daß man aus dem Staatsschatz Kurtisanen kaufte und in den Tempeln aushielt: Man wollte die jungen Patrizier hindern, zur Befriedigung ihrer Lüste zum Ehebruch zu greifen. Der strenge Cato, der unerbitterliche Gegner des Luxus, erklärte die Kurtisanen für notwendig, um die Unzucht einzudämmen und die Tugend der Matronen, der Hausfrauen, zu bewahren. 67

Die griechischen Philosophen und Lustspieldichter – denn das Theater ist eine Schule, wenn nicht der Sittlichkeit, so der Sitten – empfahlen den Männern, sich den mühelosen und heiteren Freuden bei den Prostituierten hinzugeben und den gefährlichen Ehebruch zu meiden. „Ist es nicht unsinnig“, heißt es in einem Fragment des Xenarchus, „die Gunst einer verheirateten Frau verstohlen im Finsteren zu suchen, wenn man beim hellichten Tage an einer ganzen Schar Kurtisanen sich erfreuen kann, die zur Besichtigung kommen, in Reihen geordnet und mit jenen durchsichtigen Stoffen angetan, die alle Reize der Natur enthüllen […] Ist dieser Genuß nicht viel sicherer, als der, den der Ehebrecher in den Armen einer verheirateten Frau findet, wobei man weniger seine Leidenschaft befriedigt, als eine Schuld auf sich lädt“. Ein Lustspieldichter, Eubulos 68ruft, nachdem er die Freuden der Kurtisanenliebe beschrieben: „Ah, göttliche Venus! Wie kann man sich der Gefahr in den Armen einer verheirateten Frau aussetzen, wenn man an die Gesetze Drakon’s gegen den Ehebruch denkt! Wie kann man es wagen, auch nur einen Kuß auf ihre Lippen zu drücken!“

Die Eifersucht des Mannes ist nur eine Abart des Eigentumssinnes. Im Herzen der Frau entspringt sie aus dem Gefühl ihrer Würde, die erst erstehen konnte, als man sie als menschliches Wesen und nicht als Zuchttier behandelte. Diese wichtige Umwandlung ging vor sich, sobald man ihr gestattete, ein vom Eigentum des Gatten verschiedenes selbständiges Vermögen zu besitzen. Die Mitgift, das erste Eigentum, das die Frau der patriarchalischen Familie besitzt und das ihr erlaubt, zum Gefühl der eigenen Persönlichkeit zu gelangen, trägt trotzdem immer noch das Brandmal ihrer Sklaverei an sich.

Das Geld, das der Vater als Kaufpreis für seine Tochter erhält, bildet die erste Form der Mitgift; es ist nicht mehr der Vater, sondern die Tochter, der der Bräutigam Geschenke darbringt: Der Kaufpreis der Gattin verwandelt sich in eine Art Wittum 69 zu ihren Gunsten. Der Kaufpreis, könnte Monsieur Alexander Dumas sagen, ist der Preis „ihres Kapitals“, wenn sie nicht Witwen ebensogut wie Mädchen gegeben würde. Die Germanen nennen sie „Morgengabe“; das Weistum von Altdorf in Bayern, das die Schenkung einer solchen an eine Witwe gestattet, bezeichnet sie mit dem satirischen Namen „Abendgabe“. Die Sitte war allgemein: Im Süden Europas hieß sie „donation de l’osele [Kußgabe]“. Das alte bretagnische Recht sagt (Art. 331): „Das Weib gewinnt sein Wittum, sobald es den Fuß ins Bett setzt“. „Im Bett gewinnt das Weib das Wittum ist ein sprichwort, das von der Loire bis zur elbe verbreitet ist. Die Gesetze bestimmten die Höhe dieser Schenkung. Bei den Griechen der byzantinischen Zeit, die im Mittelalter die Sitten der barbarischen Zeit wiedererwecken, entsprach das „Theoretum“, der Preis der Jungfräulichkeit, der Morgengabe der Germanen. Das Gesetz bestimmte, es solle ein Goldstück, einen halben Aureus, per Pfund (Gold) der von der Familie der Braut gespendeten Mitgift betragen.

Die Familien nahmen die Gewohnheit an, den Geschenken des Bräutigams an die Braut Geschenke von gleichem, später von größerem Wert hinzuzufügen. Manu erkannte verschiedene Quellen des Eigentums der Frau an: Das, was sie vor der Besteigung des Ehebettes erhalten; was ihr Vater, ihre Mutter, ihre Brüder, ihr beim Verlassen des elterlichen Hauses gegeben haben; endlich was sie seitdem durch Erbschaft, Kauf, Teilung, Besitznahme und Fund erwarb. Die Geschenke des Bräutigams, obgleich der Ursprung der Mitgift, werden nach und nach nur ein unbedeutender Bruchteil derselben; schließlich wird sie nur noch aus dem Eigentum und den Geschenken gebildet, die der Braut aus ihrer Familie zuflossen. Die Frau wird nicht mehr verkauft; sie kauft jetzt im Gegenteil den Gemahl. Euripides 70 läßt es Medea – infolge eines Anachronismus, wie der Scholiast 71 bemerkt – aussprechen, „daß zu anderen Übeln, die die Weiber plagen, noch das kommt, daß sie ihren Gatten mit großen Geldsummen kaufen müssen“.

Solange der Mann die Braut kauft, ist deren Vater verpflichtet, sie zurückzunehmen, wenn sie nicht entspricht, und den Kaufpreis zurückzuzahlen. Auf dieser Stufe ist die Frau ein Familieneigentum, ein Zuchttier zur Hervorbringung von Erben; ist der Gatte unfruchtbar, so tritt sein Bruder oder nächster Verwandter an seine Stelle als Zeuger; stirbt er ohne männliche Nachkommenschaft, so fällt sie dem Erben zu, der sie heiratet oder verkauft, um ihren Kaufpreis wieder hereinzubringen. Sobald aber die Frau eine Mitgift ins Haus des Gatten bringt, betritt sie es nicht mehr als Sklavin, sondern als eine Persönlichkeit, die zwar nicht völlig frei ist, der man aber gewisse Rücksichten schuldet. Die Mitgift wurde hypothekarisch auf dem Gut des Mannes angelegt und mußte im Falle einer Verstoßung oder Scheidung der Frau zurückgezahlt werden, wobei jede andere Schuld hinter ihr zurückstehen mußte. „Man besitzt nicht die Reichtümer, die eine Frau ins Haus bringt, sie dienen nur dazu, die Ehescheidung zu erschweren“, sagt ein Fragment des Euripides, der gern in den Chor der Angriffe seiner Zeitgenossen auf die Frauen einstimmte, die damals angefangen hatten, sich vom drückenden Despotismus des Mannes zu emanzipieren. Die komischen Dichter der Athener und Römer höhnt„n auf das unbarmherzigste den Mann, der unter dem Einfluß der Mitgift in Abhängigkeit von der Frau geriet. „Du hast die Mitgift genommen“, sagt Plautus 72, „du hast Deine Autorität [imperium] verkauft“. „Eine reiche Frau ist eine Geißel“, ruft Seneca 73, der Stoiker des kaiserlichen Hofes. Die reichen römischen Matronen trieben ihre Keckheit so weit, ihre Güter nicht ihren Gatten, sondern eigenen Verwaltern anzuvertrauen, die mitunter auch noch süßere Pflichten zu erfüllen hatten, wie u„s die Lästerzunge Martials 74 erzählt.

Die Mitgift vergrößerte Ansehen und Bedeutung der Frau; so ziemlich der erste Gebrauch, den sie von ihrer neugewonnen Unabhängigkeit machte, bestand darin, sich gegen den Ehebruch zu empören, den der Gatte ihr aufzwang. Die erste Ehescheidung, welche die römischen Annalen verzeichnen, die des Spurius Carvilius Ruga, fällt in das Jahr 230 nach Gründung der Stadt; sie wurde mit der Unfruchtbarkeit der Frau begründet, die sich ohne Zweifel weigerte, sich der Prostitution in der Familie hinzugeben, die man von ihr forderte. Die Moralisten und Historiker zitieren gewöhnlich die 230 von Ehescheidung freien Jahre als Beweis der Harmonie, die ursprünglich in den römischen Ehen herrschte; sie sind im Gegenteil der Beweis für eine völlige Unterwerfung der Frau.

Es kann von einer förmliche Ehescheidung keine Rede sein, so lange der Mann die Frau wie ein Stück Vieh kauft: Ihr Besitzer gibt sie der Familie zurück, wenn sie ihm nicht gefällt, und nimmt sein Geld ohne weitere Förmlichkeiten wieder an sich. Diese ritterliche Art und Weise, die Gattin zu behandeln, erschien so selbstverständlich und hatte in den Sitten der Zeit so tiefe Wurzeln geschlagen, daß selbst nach Einführung der Ehescheidung der Mann noch das Recht behielt, die Frau nach Belieben ihrer Familie zurückzustellen, wenn er nur ihre Mitgift mit herausgab. Die Bibel, die zahlreiche und wertvolle Zeugnisse über die Sitten der patriarchalischen Familie enthält, erlaubte die Scheidung schon wegen bloßer Abneigung des Mannes: „Falls jemand ein Weib heimführt und sie ehelicht, dann aber, wenn sie nicht seinen Gefallen findet, da er an ihr etwas Widerwärtiges entdeckte, ihr einen Scheidebrief schreibt und aushändigt und sie aus seinem Hause entläßt […]“ (Deuteronium XXIV, 1). In ähnlicher Weise entledigen sich die cubanischen Sklavenhalter des Sklaven, dessen sie überdrüssig sind: sie geben ihm ein Papier in die Hand und schicken ihn fort, sich einen anderen Herrn zu suchen. Der griechische und römische Gatte nahm seiner Frau die Schlüssel des Hauses weg, sandte sie fort und gab ihr die Mitgift zurück. Dieser letzte Akt war der einzig wichtige Teil der Scheidungszeremonie, Charakteristisch ist die römische Scheidungsformel: „Tuas res habeto, tuas res tibi ageto [Du sollst Dein Gut besitzen, Deine Angelegenheiten selbst verwalten]“.

Es ist nicht sicher, wann in die römische Gesetzgebung das Recht auf Ehescheidung für die Frau eingeführt wurde; jedenfalls, sagt Esmein 75, bestand es noch nicht zu Ende des dritten Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung, zur Zeit des Plautus. Bei den Germanen im Zeitalter der Barbarei hatte bloß der Mann das Recht der Ehescheidung, und ebenso war es bei allen anderen Völkern. Hatte man schließlich das Recht der Frau auf Scheidung anerkannt, so wurde es oft durch die Formalitäten illusorisch gemacht, mit denen man es verband. In Athen zum Beispiel mußte die Frau persönlich öffentlich vor dem Archonten 76 erscheinen und in einem Schriftsatz die Gründe anführen, die sie zur Scheidung trieben. So einfach dieser Vorgang scheint, so schwierig war er wegen der großen Abhängigkeit der Frau: Der Mann brauchte sich bloß der Übergabe der Bittschrift gewaltsam zu widersetzen, und die Frau war um ihr Recht geprellt. Plutarch 77 erzählt, daß Alkibiades auf dem Marktplatz seiner Frau begegnete, als sie, die Bittschrift in der Hand, auf dem Weg zum Archonten war. Er faßte sie und zwang sie, umzukehren und wieder in seinem Hause zu wohnen, wo sie ihre Tage beschloß (Alkibiades, IX). Das Recht der Frauen auf Scheidung wurde erst dann ein wirkliches Recht, nachdem die Mitgift sie emanzipiert hatte. In den letzten Jahren der römischen Republik war ihre Stellung eine ganz andere geworden, als ehedem. Von ihr hatte man jetzt viel mehr als vom Mann die Scheidung zu fürchten. Seneca erzählt von Frauen, die ihre Jahre nicht nach Konsuln, sondern nach Gatten zählten. 78

Wie die Ehescheidung entwickelte sich der Ehebruch. Der Mann, der das Recht gehabt hatte, seine Frau zu prostituieren, um Geld zu gewinnen oder Erben zu erzielen, und sie zu töten, wenn der Ehebruch ohne seine Zustimmung stattfand, verlor diese beiden Rechte.

Er durfte seine Frau nicht einmal dann töten, wenn er sie auf frischer Tat ertappte; ließ er sich aus Leidenschaft dazu hinreissen, so galt er vor dem Gesetz als Totschläger. Die ehebrecherische Frau wurde in der Kaiserzeit auf eine Insel oder aus dem Umkreis von Rom verbannt.

Der Ehebruch der Frau zog die Scheidung und die Herausgabe der Mitgift nach sich. Ehe der Gemahl sich zu letzterem entschloß, zog er es gerne vor, ein Auge zuzudrücken und die Seitensprünge seiner Ehehälfte nicht zu sehen. Das Gesetz mußte in Athen wie in Rom in solchem Falle den Mann mit der Ehrlosigkeit bedrohen, um ihn zu veranlassen, seine Gattenwürde zu wahren. In China wird ihm das Ehrgefühl mit einem Bambusrohr eingebläut. Da jedoch in Rom die Strafen nicht genügend erschienen, die Ehemänner zur Verstoßung ihrer fremdgehenden Frauen zu bewegen, erlaubte das Gesetz dem Manne, zur Hebung seiner ehelichen Moral, einen Teil der Mitgift für sich zu behalten, wenn er eine Untreue seiner Frau zur Anzeige brachte. Das führte dazu, daß nun mancher Gatte die Liebschaften seiner Frau begünstigte, um sie zu denunzieren und einen Teil ihrer Mitgift konfiszieren zu können. Es gab Leute, die bloß auf die Erwartung des Ehebruches ihrer Frau hin heirateten. Aber die römischen Damen wußten sich vorzusehen.

Der Ehebruch war im Altertum ein Privileg der Aristokratie. In Rom wie in Athen wurden die Frauen der für ehrlos erklärten Berufe, die Kupplerinnen, Kurtisanen, Schauspielerinnen, Tänzerinnen, die Töchter von Schauspielern und Tänzern ebenso wie die Frauen, die auf den Märkten verkauften, kleine Geschäfte betrieben oder zur Klasse der Handwerker gehörten, als rechtmäßige Beute der Wüstlinge betrachtet; das Gesetz kümmerte sich nicht um sie, denn es waren Frauen, die „keine Ehre zu verlieren hatten (in quas stuprum non committur). Das Gesetz überwachte bloß die Sitten der Matrone, der vornehmen Frauen, die allein die keusche, langfaltige Stola trug. Die Matronen fanden die Fürsorge des gesetzes in späterer zeit oft sehr lästig; um daher im Falle eines Ehebruches ihre Mitgift nicht zu gefährden, ließen sie sich bei den Ädilen in der Liste der Prostituierten eintragen, worauf sie sich ohne Befürchtungen ihren Amouren hingeben konnten, da der Umgang mit ihnen danach nicht mehr als Ehebruch betrachtet wurde. Die Zahl der „polizeilich registrierten“ Matronen wuchs so sehr, daß der Senat unter Tiberius 79 besondere Gesetze erließ, um das Recht der Prostitution einzudämmen; er verbot den Damen, die einen römischen Ritter zum Großvater, Vater oder Gemahl hatten, mit ihrem Körper Handel zu treiben. 80

So häufig war der Ehebruch geworden, daß er sozusagen in die Sitten Eingang fand, und der Gatte war so sehr zur Null herabgesunken, daß der Gesetzgeber ihm das Recht nahm, den Ehebruch zu verhüten und zu strafen, und dies durch Gesetze zu erreichen suchte. Die Gesetze sind ja, wie schon ein Schriftsteller des Altertums bemerkt, um so tugendhafter, je verdorbener die Sitten.

*

Die patriarchalische Familie des klassischen Altertums war in voller Auflösung begriffen; sie verschwand mit der Klasse der Patrizier, deren konstituierendes Element sie gebildet hatte. Die Rechte des Vaters gerieten eins nach dem anderen in Vergessenheit; die Frau erlangte dagegen täglich neue Rechte, die ihr eine immer größere Freiheit sicherten. Diese Zersetzung der Familie, die man bei allen Völkern beobachten konnte, die auf der Stufe der Zivilisation der antiken Welt gelangt waren, vollzog sich inmitten der scheußlichsten Korrumpierung der Sitten und Ideen, die die Grandeur und Herrlichkeit der ersten Jahrhunderte der Republik gebildet hatten. Diese Zersetzung der Familie verursachte zum Teil die Verderbtheit der Sitten, zum Teil war sie deren Folge. Die Korruption ist einer der wirksamsten Hebel des Fortschritts; sie ist es, welche die alten Sitten und Organisationen zersetzt, die dem Wechsel, dem Fortschreiten im Wege steht.

Die Auflösung der antiken Gesellschaft schien das Kommen einer neuen Welt anzukündigen; da kam der Einbruch der Barbaren, der die Entwicklung hemmte und rückgängig machte. Wo die Barbaren sich niederließen, in Italien, in Spanien, in Gallien, bildeten sie ein fremdes Element, das in die Zivilisation hineinversetzt worden war, mit Sitten und Gesetzen, ganz verschieden von denen der Völker, die sie besiegt hatten und unter denen sie wohnten, so wie in unseren Kolonien das Recht für die Eingeborenen ein anderes ist, als für die europäischen Eindringlinge. Aber so isoliert die Barbaren auch durch Sprache, Sitte und Gesetze sein mochten, sie unterlagen doch dem Einfluß der griechisch-römischen Zivilisation und wirkten ihrerseits wieder auf die zivilisierten Volksschichten zurück, die sie umgaben, und zwangen sie zum Verändern ihrer Sitten und sozialen Einrichtungen.

Mit der patriarchalischen Familie war auch deren Religion dahingeschwunden und bei den reichen Klassen durch einen vagen Deismus 81, bei den gebildeten Klassen durch einen philosophischen Skeptizismus ersetzt worden; eine neue Religion erstand in der Form des Christentums, das ein Niederschlag aus den antiken Religionen des Orients und Okzidents ist. Die Juden, denen man gerne ohne weiteres die Ehre dieser religiösen Erneuerung zuschreibt, haben nur den Mythos vom armen und duldsamen Revolutionär geliefert, den der Despotismus der Reichen zum Kreuztod verurteilt hatte, zur Todesstrafe der Sklaven. Griechenland hatte nur Sokrates 82 aufzuweisen, den schwatzhaften und schmutzigen Philosophen, und Italien nur Spartakus 83, den heroischen Revolutionär, der mit der Waffe in der Hand fiel: Weder der eine noch der andere konnten die Klassen der Unwissenden und Armen entsprechen, die, zum großen Teil aus Sklaven und Freigelassenen zusammengesetzt, sich in einen erträumten Himmel flüchteten, um das irdische Elend besser zu ertragen. Die Zeremonien, die Mysterien und der ganze Geist der neuen Religion stammten nicht von den Israeliten, sondern wurden von den verschiedensten Völkern des Morgen- und Abendlandes geliefert, welche die Herrschaft Roms auflöste und durcheinandermengte; die jungfräuliche Mutter und das Mysterium der Dreifaltigkeit sind zum Beispiel ägyptischen Ursprungs; die Taube, die in den Anfängen Christi eine Rolle spielt, stammt aus Assyrien.

In den Stürmen der Völkerwanderung lebten Einrichtungen und Sitten wieder auf, die längst in Vergessenheit geraten waren: Die Barbaren erweckten wieder die „patria potestas“ aus ihrem Grabe, jene furchtbare Gewalt des Hausvaters über Frau und Kind; sie erweckten wieder die brutale „manus“ des Gatten, die bei bei den Germanen den Namen der Muntschaft 84 annahm, und wieder entstand die rohheit des Mannes gegen die Frau, die man einem tier gleich schätzte, das man kauft und verkauft. Der Ehebruch, der ein läßliche sünde geworden war, die mehr Spott als Entrüstung hervorrief, wurde wieder mit entsetzlicher Grausamkeit bestraft. Im ganzen barbarischen Europa wurde auf den Ehebruch der Tod gesetzt, während ein Mörder sein Verbrechen mit Geld sühnen konnte. Die einfache Tötung genügte nicht; man verschärfte sie durch Beschimpfungen und Foltern: Hier wurden der Frau Nase und Ohren abgeschnitten, dort steinigte man sie, an anderen Orten wieder führte man sie nackt durch die Straßen und zerfleischte ihren Leib mit Ruten, bis der Tod eintrat. „Nichts ist düsterer und eintöniger, als eine Übersicht der Bestrafungen des Ehebruches“, sagt Monsieur Letourneau.

Auch die zivilisierten christlichen Elemente wurden von der übermächtigen barbarischen Wildheit ergriffen. Auch bei ihnen verlor die Frau alle ihre mühsam erworbenen Rechte; die Frauen verfielen wieder der Sklaverei, und der Ehebruch wurde für sie ebenfalls ein todeswürdiges, auf’s grausamste geahndetes Verbrechen. In Konstantinopel und in Rom schleppte man die ehebrecherische Frau in die Arena für Tierkämpfe und hetzte zum Gaudium des barbarischen wie des zivilisierten Publikums einen Stier auf sie, den man dressiert hatte, starke Bohlen mit den Hörnern aufzunehmen und in die Luft zu schleudern. Man führte Bräuche ein, wie sie später bei den Wilden Amerikas wiedergefunden wurden. Ein Kirchenschriftsteller des vierten Jahrhunderts erzählt uns, daß der Kaiser Theodosius 85 die wieder aufgekommene alte römische Sitte verbieten mußte, die Ehebrecherin in eine Zelle zu sperren, in der man sie den Gelüsten der Passanten preisgab, die man durch eine Glocke herbeirief. 86

Jahrhundertelang haben sich in Europa diese brutalen Strafen erhalten. Ordonnanzen Karls des Schönen von 1325, Johannes des Guten von 1362, Ludwig XI. von 1463 beweisen, daß damals noch in manchen Städten der Brauch herrschte, die Ehebrecherin nackt durch die Straßen zu jagen. Selbst das französische Recht, das durch die Revolution geschaffen wurde, erlaubt noch dem Gatten, den bei der Tat ertappten Ehebrecher zu töten, eine Erlaubnis, die aus dem römischen Recht bereits verschwunden war. Er darf die Mutter seiner Kinder, die ihn mit ihrer Mitgift gekauft hat, in das Gefängnis zu Prostituierten sperren lassen. Die englische Gesetzgebung bezeugt mehr Achtung vor der Frau. Der Ehebruch wird in England nicht als Verbrechen bestraft, ausgenommen in Folge einer Klage vor dem kirchlichen Gerichtshof, „pro salute animae [um des Seelenheils willen]“, die außer Übung gekommen ist. Er kann nur Anlaß zu einer Entschädigungsklage wegen Beleidigung sein.„

Hätte jemand im Mittelalter die Leute um ihre Ansichten über den Ehebruch befragt, die Antworten wären einstimmig ausgefallen: Adelige und Bürger, Priester und Laien, Gelehrte und Ungelehrte, alle hätten ohne jegliches Zögern erklärt, er bedeute die Zerstörung der Familie und den Untergang der Moral und verdiene daher die strengste Strafe.

Weisen die durch die Enquete des Figaro bloßgelegten Widersprüche und die Verwirrung in dieser, ehedem so klar und entschieden beantworteten Frage darauf hin, daß wir in einer Zeit leben, ähnlich der des Zusammenbruchs der griechisch-römischen Zivilisation, wo die überkommenen Sitten, Einrichtungen und Ideen sich zersetzten und eine neue Zeit sich ankündigte?

Die Frau unseres Jahrhunderts emanzipiert sich auf ökonomischem Gebiet; sie erwirbt Eigentum in gleicher Weise, wie der Mann, erlangt Zutritt zu den freien Berufen, die ehedem das Monopol des männlichen Geschlechts waren, findet Beschäftigung in den modernen geschäftlichen Unternehmungen, den Banken, Handelshäusern, großen Verkaufsmagazinen, in den Werkstätten und Fabriken, wo sie gezwungen ist, einzutreten als Konkurrentin des Vaters, der Brüder, des Gatten, der Söhne; die ökonomischen Verhältnisse für Mann und Frau gleichen sich an. Diese Änderung ihrer ökonomischen Stellung muß notwendigerweise auch zu einem Wandel der Stellung der Frau in der Gesellschaft führen. Sie beginnt, sich gewaltige Fragen zu stellen: „Warum zweierlei Arten Moral? Eine, die dem Mann die Liebe mit allen Frauen erlaubt, und eine, die der Frau als Ersatz für ihre auf immer verloren Freiheit die Liebe nur zu einem Mann gestattet“. Und Monsieur Alexander Dumas fügt hinzu: „Was werdet Ihr den Frauen entgegnen, wenn sie die Freiheit von Euch verlangen? Die Zivilisation hat Eure bisherigen Gründe zu Staub zerrieben“.

Die kapitalistische Zivilisation machte die Ehre und Freiheit der Frauen zunichte und sie werden sie nicht zurückbekommen, solange nicht die sozialistische Revolution das individuelle in kollektives Eigentum verwandelt hat. 87


Anmerkungen

1. * Erschien unter dem Titel De l’adultére dans le présent et dans le passé in der Zeitschrift La Nouvelle Revue, LVI, Jänner-Februar 1889; deutsche Erstveröffentlichung: Der Ehebruch in Gegenwart und VergangenheitNeue Zeit, VII, 1888-89, S.193ff. u. S.248ff.. Bearbeiter: Kurt Lhotzky. „Die Herausgeberin Juliette Adam hatten Bedenken, sich durch die Veröffentlichung zu kompromittieren (Jean Freville im Vorwort zu Paul Lafargue: Critiques littéraires, Paris 1936, S.XIII) und hatte das Erscheinen monatelang verzögert (vgl. Friedrich Engels/Paul und Laura Lafargue, Correspondence, (englisch) Moskau 1960, II, S.163). Lafargue, der 1883 vom Staatsanwalt bei Gericht auch wegen seiner „Unmoral“ angeprangert worden war (vgl. ebenda, I, S.128) zeichnete deshalb die Studie mit dem pseudonym „Fergus“.

2. „De las cosas mas seguras, / La mas segura es dudar“.

3. * Herodot (I, 197) berichtet einen ähnlichen Brauch von den Babyloniern.

4. * Hier findet sich in der französischen Fassung der Refrain eines Volksliedes, das die Flatterhaftigkeit der Frauen zum Inhalt hat: „Ah! Der heilige Schwur der Frauen von Avignon und Umgebung“.

5. In Paris wurden 1882 31.828 Knaben geboren und 30.753 Mädchen. Auf 1.000 Mädchen kommen also 1.035 Knaben. Aber die Sterblichkeit im Alter unter 15 Jahren betrug 191 bei den Knaben und 156 bei den Mädchen. Die Ziffern sind dem Annuaire statistique de la ville de Paris, Jahrgang 1882, entnommen. Die anderen Jahre liefern entsprechende Verhältniszahlen. In ganz Frankreich kommen auf 1.000 männliche Geburten 942 weibliche, in Europa auf 1.000 neugeborene Mädchen 1.050 Knaben. Man glaubte, das Gegenteil in Asien konstatieren zu können. Aber die offiziellen Publikationen der indischen Regierung zeigen, daß dort auf 1.000 Männer 813, in manchen Gegenden nur 756 Frauen kommen. Die Bevölkerung Japans besteht aus 19.451.491 männlichen und 19.015.686 weiblichen Personen (Resume statistique du Japon 1887, eine Publikation der Regierung von Japan mit französischem Text neben dem japanischen).

6. * Der schottische Ethnologe John Ferguson Mac Lennan (1827-1871) gelangte in seinem Buch: Primitive Marriage – An inquiry into the origin of the form of capture in marriage ceremonies, Edinburgh 1865, unabhängig von Bachofen und Morgan (siehe Anmerkung 36) zu der Hypothese, daß die patriarchalische Familie nicht die ursprüngliche Grundeinheit der Gesellschaft war.

7. * Der französische Romancier und Journalist Alphonse Karr (1808-1890) gründete zum publizistischen Kampf gegen die mit dem Staatsstreich vom 2. Dezember 1851 beginnende Herrschaft Louis-Napoleons die Zeitung Journal.

8. Der populäre Liederdichter Pierre Jean de Béranger (1780-1857) kämpfte gegen die Wiedereinsetzung der Bourbonen nach der Abdankung Napoleons am 31. März 1814 und wurde deshalb als Nationalheld gefeiert.

9. * Alexandre Dumas der Jüngere (1824-1894) schrieb Sittenromane und Gesellschaftsstücke (Die Kameliendame).

10. * Hier findet sich in der französischen Fassung der Satz: „Uff! Es steckt ein bißchen von allem in dem Satz!“

11. * Von hinten unter dem hohen Rockansatz gezogener Polster oder Halbreifengestell, das als Stütze für jene Bauschungen des Rockes dienten, wie sie die Damenmode in den Jahren von etwa 1865 bis 1875 vorschrieb.

12. * In einer Replik auf anarchistisch-rationalistische Utopien erklärte Thomas Robert Malthus (1766-1834), daß nur der Eigennutz im institutionellen Rahmen von Privateigentum, Ehe und klaren Klassengrenzen das explosive Bevölkerungswachstum und die damit verbundene komplette Auflösung der Gesellschaftsordnung verhindern könne.

13. Der Dichter Victor Hugo (1802-1885) war der Hauptexponent der französischen Romantik. Seine bekanntesten Werke sind Notre-Dame de Paris (1831) und Les Misérables (1862). Aus Anlaß seines todes schrieb Lafargue im Gefängnis Saint Pelagie (vgl. Friedrich Engels/Paul und Laura Lafargue, Correspondence, I, 290ff.): eine Studie (Die Legende von Victor HugoNeue Zeit, VI, 1887-1888, 169ff., 215ff., 263ff.) über seine Gesinnungslumperei – der Wandlung vom Ultra-Royalisten zum glühenden Repunblikaner

14. * Le roi s’amuse – Der König amüsiert sich (1832); eine überarbeitete Fassung ist das Libretto zu Verdis Oper Rigoletto.

15. Marcus Porcius Cato (234-149) führte als Zensor (184) in Rom ein strenges Sittenregiment ein; als Senator forcierte er die Zerstörung Karthagos („Ceterum censeo Carthaginem esse delendam [Im übrigen bin ich der Meinung, daß Karthago zerstört werden muß]“).„

16. Plutarch: Cato Uticensis, XXIX.

17. * „Cours d’amour waren im mittelalterlich-ritterlichen Frankreich jene meist unter Vorsitz einer edlen Dame stehenden Gerichtshöfe, die Liebeszwiste und Fragen der Liebesetikette zu beantworten hatten. Die Institution der Liebeshöfe stammt […] aus der Provence. Da die Provence in hohem Maß unter dem Einfluß der Katharer stand, die das Fleisch verachteten und den Geschlechtsverkehr nur dann duldeten, wenn er nicht zur Fortpflanzung diente, fielen die Richtersprüche […] oft außerordentlich zwiespältig aus. Liebesbeziehungen aller Art, einschließlich des gemeinsamen Schlafens eines Ritters mit seiner Herrin in nacktem Zustand waren erlaubt. Eigentlicher Geschlechtsverkehr wurde hingegen nur selten befürwortet“ (Ernest Borneman, Lexikon der Liebe – Materialien zur Sexualwissenschaft, Wien 1984, 173).

18. * In der französischen Fassung wird das Shakespeare-Zitat mit folgender Begründung nicht wiedergegeben: „Shakespeare gibt die Begründung dafür im König Lear (I, sc. II), aber seine Sprache ist dermaßen unanständig, daß ich ihn zu meinem großen Bedauern nicht übersetzen kann“. „

19. * Anstelle der hier in der deutschen Version eingesetzten Shakespeare-Übersetzung unbekannten Ursprungs wurde hier die aus: Werke englisch und deutsch, Berlin-Leipzig 1914, 2, S.16 verwendet.

20. * Der Mathematiker Blaise Pascal (1623-1662) warf als philosophischer Vertreter des Skeptizismus Fragen nach den Grenzen der rationalen Erkenntnis auf.

21. * Der Frühsozialist Charles Fourier (1772-1837) empfahl als Alternative zum Kapitalismus ein System locker föderierter, agrarisch-gewerblicher Lebensgemeinschaften.

22. Charles Fourier: Théorie des quatre mouvements, 2. Thl., V. * Zit. nach Theorie der vier Bewegungen und der allgemeinen Bestimmung, Frankfurt 1966, S.197. Schon der von Lafargue geschätzte Dichter François Rabelais (1494-1553) drohte in seinem klassischen Werk Gargantua und Pantagruel allen Männern, die sich nicht in ihr unvermeidliches Hahnreitum schicken, an, „sie mit ihren Weibern ganz allein ohne Nebenbuhler auf alle Zeit versauern zu lassen“ (zit. nach: Tausend Jahre Liebe – Klassiker der erotischen Weltliteratur, hgg. von Milo Dor und Reinhard Federmann, Wien 1964, 171).

23. * Zit. nach Fourier, Theorie (siehe Anm. 22), S.166.

24. * Emile de Girardine (1806-1881), Publizist und Abgeordneter, gab unter massiver Ausnutzung des Inseratengeschäftes die ersten Boulevard-Zeitungen heraus.

25. * In seinem Hauptwerk Essais (Versuche) behauptete Michel Eyquembe Montaigne (1533-1592), daß „jedes Philosophieren vom Zweifel ausgeht“ (Leipzig 1953, II, 155).

26. G. Bousquet: Le Japon des nos jours, 1877, I., S. 246. – Le Théâtre au JaponRevue des deux Mondes, 1874. * Vgl. dazu Friedrich Salomon Krauss: Das Geschlechtsleben in Glauben, Sitte und Brauch der Japaner (Beiwerke zum Studium der Anthropophyteia, II), Leipzig 1907, insbes. S.68ff.

27. * Der General George Boulanger (1837-1891) kämpfte gegen den Commune-Aufstand. Als kurzfristiger Kriegsminister (Jänner 1886-Mai 1887) propagierte er den Revanche-Krieg gegen Deutschland und war in Staatsstreich-Pläne zur Restauration der Monarchie verwickelt. Wegen Veruntreuungen verurteilt beging er Selbstmord (vgl. Paul Lafargue, Boulanger und die französischen SozialistenNeue Zeit, VI, 1887-88, 299ff., Der Boulangische ZusammenbruchNeue Zeit, IX/1, 1890-91, 155ff. und Le Boulangisme; in: Textes choisis, Paris 1970, S. 246ff.).

28. * Passage fehlt in der deutschen Fassung.

29. * Läßt sich „sich der Beweis für die Jungfrauschaft nicht [durch die Ausbreitung des Bettuches vor den Ältesten der Stadt] erbringen, dann führe man die junge Frau vor die Türe ihres Vaterhauses und die Männer ihrer Stadt sollen sie zu Tode steinigen; denn sie hat eine Schandtat an Israel begangen“ (Deuteronium XXII, 4-5).

30. Pehor bedeutet die Spaltung (hiatus), Baal-Pehor der Herr, der durchbohrt.

31. * Stammesgott der Azteken („Kolibri des Südens“)„

32. * „In einigen Gegenden Indiens defloriert die Mutter das Mädchen mit einem Instrument während einer nächtlichen Feier, die mit großem Pomp begangen wird“ (Borneman, a.a.O., 681).

33. * Solon (640-560[?]) führte in Athen eine Rechtsreform durch (Aufhebung der Schuldsklaverei, Begrenzung des Großgrundbesitzes).

34. * Lebemann

35. * Pseudonym für den griechischen Dramatiker Julios Polydeukes, der in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts n.u.Z. ein nach Sachgebieten geordnetes Lexikon Onomastikon veranlaßte.

36. * Der von den Ideen des Kardinals Richilieu beeinflußte Philosoph und Historiker François de La Mothe le Vayer (1588-1672) war ein Vertreter des Skeptizismus der Renaissance.

37. * Hier beginnt eine tschechische Version, die unter dem Titel Vyvoj cizo-lozstva [Die Entwicklung des Ehebruches] erschien (Vinohrady 1902).

38. Lewis Morgan (* Ancient Society, New York 1878 – deutsche Fassung: Die Urgesellschaft, Stuttgart 1908 [Reprint: Wien 1987]) stellte aufgrund seiner Beobachtungen an den Wilden Amerikas, Bachofen (* Das Mutterrecht, Stuttgart 1861 – Reprint: Frankfurt 1975) durch das Studium der Mythologien und Religionen der Völker des Altertums die Stufenleiter wieder her, die die Menschheit durchlaufen hat, bis sie zur patriarchalischen Familie gelangte, der einzigen, die die Geschichte kennt. In einem Artikel Das Mutterrecht habe ich versucht, die Entdeckungen dieser genialen Forscher zu popularisieren. Dr. Letourneau (siehe Anmerkung 45) hat in seinen Vorlesungen an der anthropologischen Anstalt zu Paris, die er dann unter dem Titel L’évolution du mariage et de la famille veröffentlichte, die wissenschaftliche Welt mit den arbeiten Morgan’s bekanntgemacht, die man bis dahin, wenigstens in Frankreich, völlig ignoriert hatte. Die Arbeit des Dr. Letourneau empfiehlt sich besonders durch die Fülle des in ihr angehäuften Materials.

39. * Die Erkundungen des Ethnologen Henri Duveyrier (1840-1892) in Nordafrika dienten auch der kolonialistischen Politik Frankreichs.

40. Duveyrier: Les Touaregs du nord, S. 340

41. * Griechischer Politiker (384-322), bekannt durch seine Rede gegen Philipp von Makedonien (Philippika).

42. * Nebenfrauen

43. * Kapitän David Porter (1780-1843) startet 1812 von Delaware aus in den damals von den Briten beherrschten Pazifik.

44. Porter: Histoire universelle des voyages, Bd. XVI (* David Porter: Journal of a cruise, Annapolis-Maryland 1986 [Reprint der Ausgabe von 1815 bzw. 1822], S.363).

45. * Der Ethnologe Charles-Jean-Marie Letourneau (1831-1902) zählt zu den Mitbegründern der modernen Soziologie in Frankreich.

46. * Als Führer des ersten Attischen Seebundes der griechischen Stadtstaaten besiegte Kimon am Eurymedon 466 v.u.Z. Flotte und Heer der Perser; 451 beendete er den ersten Peloponnesischen Krieg durch einen Waffenstillstand mit Sparta.

47. * Finno-Ugrier mit einer von Schamanen bestimmten Stammesreligion.

48. La vallée de l’Obi et ses habitants; in: Revue scientifique, 5. März 1887.

49. * Der französische Historiker Numa Denis Fustel de Coulanges (1830-1889) verfaßte Studien zur Geschichte der Antike und des mittelalterlichen Frankreichs.

50. Gesamtheit der abgeschiedenen Seelen

51. Fustel de Coulanges: La cité antique, I., Kap. 4, II., Kap. 3 (* deutsche Fassung: Der antike Staat – Studie über Kultus, Recht und Einrichtungen Griechenlands und Roms, Berlin und Leipzig 1907; hier zit. Reprint: Graz 1961, S.33).

52. * ebenda, S.48

53. * Das Werk des Dramatikers Aischylos (525-456) markiert den Höhepunkt der griechischen Tragödie.

54. * Nach indischer Überlieferung ist Manu Stammvater und Gesetzgeber der Menschheit. Seine Vorschriften sind in den hier zitierten Gesetzen des Manu niedergelegt.

55. * Provinz der Republik Sudan

56. Curry: Journal de voyage a Siout et a El-Obeid en 1857-58.

57. * „Da sprach Juda zu Onan: ‚Wohne der Frau Deines Bruders bei, leiste ihr die Schwagerpflicht und verschaffe so Deinem Bruder Nachkommenschaft!‘ Da Onan aber wußte, daß die Nachkommenschaft nicht ihm gehören werde, ließ er, so oft er der Frau seines Bruders beiwohnte, den Samen zur Erde fallen […]“.

58. Vgl. dazu die Studie Das Mutterrecht in Paul Lafargue, Geschlechterverhältnisse, Hrsg. Fritz Keller, Hamburg 1995, S25-60.

59. 1. Mos. XI, 29 – XXIII, 20 (* „So nahm denn Sara, die Frau Abrahams, ihre ägyptische Magd Hagar, […] und gab sie ihrem Manne Abraham zur Frau“).

60. * Griechischer Geschichtsschreiber im 1. Jhdt. v.u.Z.. Seine 40-bändige Geschichte der Völker ist nur teilweise erhalten.

61. * Johannes VII, 53 – VIII, 11

62. Kirchenlehrer (354-430)

63. St. Augustinus: De civitate Dei, XVI, 25. – * „Von der Gattin wird um eines Nachkommen willen die Magd dem Manne übergeben und sie wird vom Manne um des Nachkommen willen angenommen; von beiden wird keine sündhafte Wollust, sondern die Frucht der Natur verlangt“ (Aurelius Augustinus, Der Gottesstaat, Salzburg 1953, III, 52 unter Berufung auf den I. Brief an die Korinther, wo es heißt: „Die Frau hat kein Verfügungsrecht über ihren Leib, sondern der Mann; ebensowenig hat der Mann ein Verfügungsrecht über seinen Leib, sondern die Frau“ [VII, 4]).

64. Der Kirchenlehrer Johannes Chrysostomos, Bischof von Konstantinopel (344-407[?]) war bekannt als sittenstrenger Asket.

65. Pierre Bayle: Dictionnaire historique et critique, 1697, art. Abimech, Note A.

66. * „Die verhältnismäßig mildeste Strafe war noch, daß man den ertappten Liebhaber […] die Haare am Hintern mit glühender Asche abbrannte und ihm danach einen Rettich oder eine Meeräsche in den After trieb (Juvenal, X, 317) […] Eine weitere Strafe, die privatrechtlich anerkannt und durch jahrhundertelange Tradition erhärtet war, bestand in der kollektiven analen Vergewaltigung des ertappten Täters durch die Agnaten des betrogenen Ehemannes. Man nannte dies familiae stupeandrum“ Borneman, a.a.O., 247).

67. Markus Welser (* bayrischer Gelehrter 1558-1614) berichtet in seiner Geschichte der Regierung von Venedig, von Ancelot de la Houssaye 1705 ins Französische übersetzt, daß „der Rat der Zehn alle Prostituierten aus Venedig und dem Gebiet der Republik verbannte; aber er sah bald, daß seine Strenge der Reinheit der Sitten nicht förderlich war. Die jungen Adeligen verstiegen sich während der Abwesenheit der Kurtisanen zu den wildesten Ausschreitungen; sie drangen mit Gewalt in die Häuser, sogar in die Klöster; die anständigen Frauen und Mädchen waren zu Hause vor ihnen nicht sicher. Die Regierung sah keine Möglichkeit, dem Chaos ein Ende zu machen, als die schleunige Rückberufung der Kurtisanen, denen Häuser und bestimmte Einkommen zugewiesen wurden, in der Erwartung, daß ihr Gewerbe dem Unfug abhelfen werde. Ihre Stellung ist daselbst ungefähr die gleiche, wie sie in Athen gewesen; sie stehen unter dem Schutz der Behörden, die es nicht dulden, daß man sie beschimpfe oder die Verträge verletzte, die man mit ihnen abgeschlossen, wie sie ihrerseits für so viel Sicherheit und Ruhe in ihren Häusern bürgen, als man in solchen Orten erwarten darf“.

68. * Der im vierten Jahrhundert v.u.Z. lebende griechische Dichter Eubulos geißelte politische und soziale Mißstände, unter anderem die Schreckensherrschaft des sizilianischen Tyrannen Dionysos.

69. * Nach altgermanischem Recht Zuwendung des Gatten zur Versorgung im Witwenstand.

70. * Der Tragiker Euripides (485-406[?]) war mit der griechischen Sophistik (Aufklärung) verbunden.

71. * Verfasser von Scholien (erklärende Randbemerkungen alexandrinischer Philologen in griechischen und römischen Handschriften)

72. * Titus Maccius Plautus (250-184[?]) war ein römischer Komödiendichter.

73. * Der römische Politiker, Philosoph und Dichter Lucius Annaeus Seneca (4-65[?]) war Erzieher des Kaisers Nero.

74. * Der Dichter Marcus Valerius Martialis (40-103[?]) verfaßte Epigramme, die Goethe, Lessing und Schiller beeinflußten.

75. Revue generale du Droit, VII. Bd., 1883. „La manus, la paternité et le divorce dans l’ancien droit Romain“, von Esmein, Professor an der juridischen Fakultät von Paris.

76. * Höchstes Amt in einer Reihe griechischer Stadtstaaten.

77. * Der griechische philosophische Schriftsteller Mestrius Plutarchus (46-125[?]) setzte sich besonders mit Fragen der sittlichen Lebensführung auseinander.

78. * L. Annaei Senecae de beneficiis, III, 16

79. * Der römische Kaiser Tiberius (42 v.u.Z.-37 n.u.Z.) war Nachfolger des Augustus.

80. Tacitus: Annalen, II, 85

81. * Religionsauffassung, bei der Vernunftgründe und nicht die Offenbarung für den Glauben bestimmend sind.

82. * Der griechische Philosoph Sokrates (470-399[?]) lehrte nur mündlich. Wegen angeblicher Einführung neuer Götter und Verführung der Jugend wurde er zum Tode verurteilt.

83. * Der aus der Gladiatorenschule entsprungene Spartakus scharte um sich Sklavenheere, die von den Römern erst nach mehreren Niederlagen 71 v.u.Z. besiegt werden konnten.

84. Von „munt“ – manus, Hand; mit dem Munde hat die Mundschaft, Vormundschaft, nichts zu tun. Die Frau stand bei den Germanen unter der Vormundschaft des Gatten, oder, wenn sie nicht verheiratet war, des nächsten männlichen Verwandten in männlicher Linie (des nächsten „Schwertmag“). Der Mann durfte seine Frau gleich seinen Sklaven und Kinder züchtigen, selbst töten.

85. * Der Kaiser Theodosius der Große (347-395) konnte noch einmal das ost- und weströmische Reich sowie die Kirche der beiden Reichshälften vereinigen.

86. Sokrates: Kirchengeschichte, V, 17.

87. * Diese Schlußpassage findet sich nur in der tschechischen Version (siehe Anm. 37). Übersetzerin: Antonia Bruha.