5. Juni 1927 // Artikel
Ernst Thälmann // Bereit sein

Bereit sein

5. Juni 1927

Die Rote Fahne vom 5. Juni 1927.
Thälmann, Ernst: Reden und Aufsätze zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. I, Berlin 1956, S. 507 – 511


In den Klassenkämpfen schuf das Feuer der Revolution proletarische Verbände, in denen sich die besten und kühnsten, die opferwilligsten und begeistertsten Kämpfer sammelten. Sie marschierten an der Spitze, sie bliesen die Fanfaren zum Angriff, sie stürmten die Festungen der Bourgeoisie. Die Revolution, sowohl die bürgerlich-demokratische des vorigen Jahrhunderts als die proletarische im imperialistischen Zeitalter, ist undenkbar ohne die Revolutionäre, die 1789 die Bastille stürmten, ohne die Arbeiterbataillone, die 1848 Barrikaden bauten, ohne die Kommunarden, die das revolutionäre Paris gegen die verräterischen Versailler verteidigten, ohne die roten Garden, die im Jahre 1917 das Winterpalais in Petersburg stürmten, ohne die roten Matrosen, die 1918 in Kiel die Fahnen der Revolution hißten; ohne die Bataillone, die die Revolution 1918/1919 gegen Noske und 1920 die Arbeiterschaft gegen Kapp und Severing verteidigten.

Der Sieg über die Bourgeoisie, der Sieg der Arbeiter ist auch in Zukunft ohne Kampfverbände des Proletariats undenkbar. Der Rote Frontkämpferbund, der heute und morgen seine Heerschau in den Mauern Berlins abhält, wahrt und hütet die Tradition der Kommunarden aller Zeiten. Der Kranz, den wir an den Gräbern der Toten der Revolution niederlegen, ist mehr als treues Gedenken, er hat symbolische Bedeutung. Es ist der eiserne Schritt der Geschichte, der harte Weg zum Sozialismus, der aus diesen Gräbern spricht. Und dieser Weg geht weiter, unaufhaltsam, bis zum Sieg.

Der Rote Frontkämpferbund hat keine Waffen – außer denen des Sozialismus, des Wissens von der proletarischen Revolution und des Glaubens an ihren Sieg. Die Bourgeoisie stützt sich auf ihre Bajonette und glaubt sich ihrer „Ruhe und Ordnung“ sicher. Sie vergißt nur eines: Die Menschen, die die Bajonette tragen, sind Arbeiter. Und wenn sich zum Bajonett in der Hand der Sozialismus im Hirn gesellt, dann wird aus „bürgerlichen“ Bajonetten proletarische Macht. Die „höchste Alarmstufe“ der Schupo flößt uns revolutionären Soldaten ebensowenig Respekt ein wie das „beste Heer der „Welt“. Ja, ist es denn unsere Schuld, daß ihr Herren Bourgeois uns vier Jahre durch die Schützengräben von Flandern bis Verdun geschleift habt? Ist es denn unsere Schuld, daß eure Bürgeroffiziere uns gelehrt haben, mit so „niedlichen“ Dingern umzugehen, wie es Maschinengewehre und Flammenwerfer sind? Wir haben es gelernt und werden es nicht vergessen. Dies sagen der Bourgeoisie Hunderttausende revolutionärer Arbeiter, die das rote Treffen mit heißer brüderlicher Sympathie begleiten.

Der Rote Frontkämpferbund entstand nach den Niederlagen der deutschen Arbeiterklasse im Jahre 1923. Er wurde zu einer der Formen ihres Wiederaufstieges, ihrer revolutionären Sammlung. Er organisierte und agitierte im Zeichen der revolutionären Einheit. Und weil der RFB wußte, daß der wiedererstehende deutsche Imperialismus von neuem die Kriegsgefahr heraufbeschwor, deshalb stellte er sich den Kampf gegen den imperialistischen Krieg zur Hauptaufgabe. Wer ist mehr berufen, gegen diesen Krieg zu kämpfen, als jene, die vier Jahre lang seine unmittelbaren Opfer waren. Nach acht Jahren „Frieden“ ist die Front wieder zum Symbol des Kapitalismus geworden, die Front des Schützengrabens, der Tanks und der Giftgase. Für die Roten Frontkämpfer wird auch diese Front eine rote Front sein. Dies geloben wir zu unserem III. Reichstreffen. Der Vorbereitung für diese größte Aufgabe gilt unsere Demonstration. Bereit sein, darauf kommt es jetzt an. Bereit sein für den Kampf gegen den imperialistischen Krieg, bereit sein für die Umwandlung des imperialistischen Krieges in den Bürgerkrieg. Bereit sein, daß in der Stunde der Gefahr des Kriegsausbruches die revolutionären Arbeitermassen unter Führung der Kommunistischen Partei allein bleiben werden, umtobt von Haß und Terror, von den Verleumdungen der Bourgeoisie und ihrer reformistischen Lakaien. Bereit sein auf den totgewissen Verrat des Reformismus. Bereit sein, als Avantgarde des Proletariats in die Bresche zu springen, die der reformistische Verrat aufreißen wird. Bereit sein, alles hinzugeben für die Sache des Proletariats und der Revolution.

Keine Illusionen über den Ernst der Lage. Über unserem roten Treffen stehen die Flammenzeichen des imperialistischen Krieges. Der Krieg hat bereits begonnen – vorerst gegen das revolutionäre China – unter dem begeisterten Beifall der Prozentpatrioten der ganzen Welt. Aber die Geschütze der imperialistischen Schlachtschiffe, die vor Schanghai und Hankau die chinesische Revolution einkreisten, richten sich gegen die Arbeiterklasse der ganzen Welt. Die englische Kriegsprovokation gegen die Sowjetunion zeigt den Kriegsplan des Imperialismus. Die Kapitalisten fühlen, daß ihnen die Arbeiterrevolution über den Kopf zu wachsen beginnt. Der englische Imperialismus hat ihre Führung übernommen. Die Revolution der Arbeiterklasse soll ausgerottet werden bis in ihre letzten Wurzeln. Ihr Herz, die Sowjetunion, soll zerrissen werden und dann der Körper, die Befreiungsbewegung des klassenbewußten Proletariats der ganzen Welt. So ist die Lage. Wer anders sagt, ist Lügner oder Verräter.

Und diese Lügner und Verräter predigen die Neutralität Deutschlands im Feldzug des Imperialismus gegen die Sowjetunion. Welche Neutralität denn, ihr Herren Pazifisten und Reformisten? Die Neutralität zwischen Kapitalismus und Sozialismus, die Neutralität zwischen Bourgeoisie und Proletariat? Die deutschen Arbeiter haben es erfahren, wie diese „Neutralität“ der deutschen Bourgeoisie aussieht, 1918 und 1919, 1920 und 192l und 1923. Die deutschen Arbeiter wissen, daß der Krieg für die Bourgeoisie das beste Geschäft ist. Sie wissen, daß die Klasseninteressen der Bourgeoisie entscheidend sind für ihr Handeln nicht nur gegen das Proletariat ihres Landes, sondern auch in dem welthistorischen Ringen zwischen Imperialismus und Weltrevolution, das durch den Überfall des englischen Imperialismus auf die Sowjetunion angekündigt wird. Und in diesem Krieg werden wir Roten Frontkämpfer unsern Mann stehen. Wir – und mit uns die klassenbewußten Arbeiter der ganzen Welt – kennen kein Vaterland außer der Sowjetunion. Es soll und kann darüber kein Zweifel bestehen: Wenn die imperialistischen Bluthunde die Sowjetunion überfallen, dann wird es kein Mittel geben, das wir nicht anwenden werden bei der Verteidigung der russischen Revolution. Eure Heere bestehen aus Arbeitern, ihr Herren Bourgeois, vergeßt das nicht! Hütet euch, letzten Endes werdet ihr die Zeche bezahlen! Wir versprechen euch, den revolutionären Gegenschlag, im Rücken eurer imperialistischen Front zu führen, wenn es euch gelüsten sollte, euch an dem imperialistischen Raubzug gegen den sozialistischen Staat, die Arbeiter- und Bauernmacht, die Diktatur des Proletariats in der Sowjetunion zu beteiligen. Wir fürchten nicht euer Geschrei vom Vaterlandsverrat. Das Vaterland der Hindenburg, der Borsig und Krupp, der Wels, Noske und Scheidemann ist nicht das Vaterland der deutschen Arbeiter – Unser Vaterland wird es sein, wenn von den Giebeln die siegreichen Fahnen des Sozialismus wehen werden.

Und das ist der Weg zum Frieden. Kapitalismus ist Krieg. Wir können nicht anders gegen ihn kämpfen als durch den Sturz der bürgerlichen Klassenherrschaft. Nur die Revolution besiegt.den Imperialismus und den Krieg. Der Reformismus und der Pazifismus verlängern den Krieg, sie sind die Handlanger des Krieges.

Der schlimmste Feind ist der Feind in den eigenen Reihen, der Reformismus, der die deutsche Arbeiterklasse einlullt in den Schlaf des Vergessens der vier Jahre des imperialistischen Völkermordens, der Reformismus, der die Arbeiterklasse an den Kriegswagen der deutschen Bourgeoisie kettet, der Reformismus, dessen Symbol der 4. August 1914 ist und bleiben wird, auch beim Ausbruch des neuen Krieges. Wer den Reformismus unterstützt, der bereitet den Krieg vor. Wer nicht gegen den Reformismus kämpft, der hilft der imperialistischen Bourgeoisie. Dies sagt das III. Reichstreffen des Roten Frontkämpferbundes Hunderttausenden klassenbewußten Arbeitern, die sich aus dem Netz des reformistischen Verrates noch nicht befreien konnten.

Und dafür, daß die Losungen des roten Reichstreffens, der revolutionäre Kampf gegen den imperialistischen Krieg für die Verteidigung der russischen und der chinesischen Revolution, zum Gemeingut der ganzen deutschen Arbeiterklasse werden, dafür demonstrieren und kämpfen wir, dafür sammeln wir unsere Kräfte. Unser Aufmarsch soll beweisen, wie stark das Proletariat im Zeichen revolutionärer Einheit sein kann. Wir hoffen, daß nach dem roten Treffen Tausende Roter Frontkämpfer in unsere Partei eintreten werden, um zu zeigen, daß sie verstehen: Ohne starke Kommunistische Partei keine siegreiche Revolution.

Der imperialistischen Bourgeoisie rufen wir zu: Hände weg von der russischen und der chinesischen Revolution! Der Arbeiterklasse: Fort mit dem reformistischen Geleier – wir brauchen das neue Schwert, das Schwert der Revolution.